07.03.2023, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht im Landtag in Nordrhein-Westfalen zu einer geplanten Reform bei Krankenhäusern. Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Lauterbach und Kutschaty zu Gesundheitsthemen

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Lauterbach wirbt weiter für Klinikreform – Kritik lauter denn je

Gesundheitsminister Lauterbach wirbt beim Krankenhausgipfel für seine Reformpläne. Doch an denen gibt es viel Kritik, vor allem aus den Ländern. Klinik-Verbandschef Gaß warnt: Ohne Soforthilfe stünden viele Krankenhäuser vor dem Aus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Klinikvertreter haben erneut vor Krankenhaus-Insolvenzen gewarnt und schnelle Finanzhilfen noch vor der von der Ampel geplanten großen Krankenhausreform gefordert. "Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme, und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben", sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, am Montag in Berlin.

Er verwies auf gestiegene Kosten durch die Inflation und sprach von monatlich auflaufenden Defiziten von 740 Millionen Euro. "Wenn nichts passiert stehen wir Ende 2023 bei minus 15,6 Milliarden Euro."

  • Zum Artikel: Krankenhausgesellschaft warnt vor Panik wegen Klinik-Reform

Kliniken vor dem Aus – Verbandschef Gaß verlangt Soforthilfen

Vertreter der Verbände des Gesundheitswesens, Experten und Gesundheitspolitiker diskutierten am Montag in Berlin bei einem Branchentreffen über das Thema. Bei dem jährlich von der DGK organisierten "Krankenhausgipfel" sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): "Die Krankenhäuser sind in größter Not." Er gehe davon aus, dass sehr viele Krankenhäuser in eine Insolvenzgefahr geraten werden. Er warb für seine große Klinikreform, die in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden soll.

DKG-Chef Gaß zeigte sich grundsätzlich offen dafür, forderte aber zunächst "ein Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser". Nur so könne verhindert werden, dass Kliniken vor der großen Krankenhausreform in Insolvenz gingen. Lauterbach ging in seiner Rede auf die Forderungen nach kurzfristigen Finanzhilfen nicht ein und erläuterte seine Reformpläne.

Lauterbach sieht ohne Reform viele Kliniken vor dem Aus

Die Qualität der medizinischen Versorgung würde verbessert, wenn schwierige Fälle und Behandlungen stärker zentralisiert würden, sagte Lauterbach. Er verwies auf die schwierige Lage vieler Kliniken. Diese seien "in größter Not", sagte er, die Lage sei noch nie so trist und schwierig gewesen. Investitionsstau, Personalmangel und die Inflation machten den Krankenhäusern zu schaffen. "Wenn wir die Reform nicht machen sollten, sehe ich für viele Krankenhäuser keine Perspektive."

Das Reformkonzept Lauterbachs sieht vor, dass Kliniken zukünftig in die drei Kategorien Grundversorgung, Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorgung eingeordnet werden. Zudem ist eine Änderung des Vergütungssystems geplant. Unter anderem soll das bisher zur Finanzierung angewandte Fallpauschalen-System abgeschafft werden.

Auch Verbandschef Gaß setzt auf mehr ambulante Versorgung

Zentrales Problem sei die Demografie, hatte DKG-Chef Gaß zuvor geklagt: "Der demografische Wandel ist für uns, was der Klimawandel für die Menschheit ist". Die Krankenhäuser würden nie wieder so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wie aktuell. Der DKG-Chef forderte unter anderem, dass die ambulante Versorgung an Kliniken stärker unterstützt werden müsse.

Lauterbach sagte, die Krankenhäuser müssten zunehmend für die ambulante Versorgung geöffnet werden. Viele Eingriffe, die heute stationär vorgenommen würden, könnten "sehr gut ambulant gemacht werden." Der Minister betonte, dass die Versorgung in ländlichen Gebieten gesichert bleiben solle. Kleinere Krankenhäuser sollten zielgerichtet die Bedürfnisse der Kommunen bedienen.

Bayern will Verfassungsmäßigkeit der Reform prüfen lassen

Eine Reform soll mit Zustimmung des Bundesrats verabschiedet werden, Lauterbach will bis zum Sommer Eckpunkte vorlegen. Aus den Ländern kommt aber Widerstand: Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein lassen die Verfassungsmäßigkeit der Reform prüfen. Dazu sagte Lauterbach, dass er ein solches Gutachten begrüße. "Wir wollen nicht an das Planungsrecht der Länder heran."

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte bei dem Gipfel, es sei entscheidend, dass die Länder ihre Kompetenzen bei der Krankenhausplanung behielten. Die Versorgung in Deutschland sei sehr unterschiedlich. "Ich kann nicht zulassen, dass wir eine Bundesschablone über die Krankenhäuser legen."

CDU-Gesundheitspolitiker übt heftige Kritik an Lauterbach

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), warf Lauterbach (SPD) vor, die Länder mit der geplanten Krankenhausreform vor den Kopf zu stoßen. Sorge sagte am Montag bei SWR Aktuell: "Der Bundesgesundheitsminister tritt allen vors Schienbein, auch den Ländern. Er geht nicht kooperativ vor und wundert sich jetzt, dass die Länder sagen: 'So geht das nicht.'"

Sorge sagte, es räche sich jetzt, dass Lauterbach die Reform ohne die Kliniken und Länder konzipiert habe. Die Krankenhausreform sei viel zu spät auf den Weg gebracht worden. Wer die Krankenhäuser reformieren wolle, der müsse sich auch mit denjenigen zusammensetzen, die das umsetzen sollen, also auch mit den Ländern, den Kliniken, den Ärztinnen und Ärzten, forderte der CDU-Politiker. Wenn die Reform am 1. Januar in Kraft treten solle, werde es "schon sehr, sehr knapp".

Bschor: "Die Krankenhausplanung ist und bleibt Ländersache"

Der Leiter der Regierungskommission, welche die Reformvorschläge erarbeitet, wies Kritik dagegen zurück. Kleinere Kliniken sollten sich stärker auf die Grundversorgung konzentrieren und kompliziertere Eingriffe in entsprechend ausgestatteten Krankenhäusern gebündelt werden, sagte der Psychiater Tom Bschor der "taz". Dafür sollten die Grundversorger anders als bisher über hohe Vorhaltepauschalen finanziert werden. "Die Krankenhausplanung ist und bleibt Ländersache", betonte er. Schließungen seien nicht beabsichtigt.

Kliniksterben durch Krankenhausreform befürchtet

Das Bündnis Klimarettung, in dem unter anderem regionale Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Krankenhäusern sowie Patienten und Gewerkschaften organisiert sind, kritisierte dagegen einen "radikalen Schließungskompromiss". Es gehe in der Debatte nur darum, wie viele Krankenhäuser schließen sollten, erklärte Sprecherin Laura Valentukeviciute.

Der Münchner Bundestagsabgeordnete Ates Gürpinar (Linkspartei) warnte vor einem "unkontrollierten Krankenhaussterben". Die Bundesregierung müsse "jetzt schnell handeln und die Fallpauschalen aussetzen, bis die geplante Krankenhausreform wirksam wird", forderte der Sprecher für Krankenhauspolitik der Linken-Bundestagsfraktion.

Droht eine Kündigungswelle in ländlichen Kliniken?

Kliniken in ländlichen Gebieten sorgen sich um ihre Zukunft. Nach aktuellem Stand würde die Reform Lauterbachs dafür sorgen, dass rund 1.000 Kliniken in Deutschland aus dem Versorgungsplan fallen würden, sagte der kaufmännische Leiter des Höchstädter St. Anna-Krankenhauses, Thomas Menter. "Dann wären auch wir kein Akut-Krankenhaus mehr, sondern nur noch eine bessere Kurzzeitpflege." Als Folge fürchtet der Klinik-Chef zahlreiche Kündigungen, "weil Ärzte und qualifiziertes Fachpersonal nicht in so einem Umfeld arbeiten wollen."

Gleichzeitig würden die Reformpläne für einen massiven Patientenzulauf bei größeren Krankenhäusern, sogenannten "Maximalversorgern", sorgen. "Die müssen dann ja wieder bauen, das dauert zum einen sechs bis zehn Jahre, zum anderen rechnen Experten mit Gesamtkosten von etwa 80 bis 100 Milliarden Euro", sagte Menter.

71 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser mit finanzieller Schlagseite

Einer im Februar durchgeführten Befragung zufolge, die von der DKG am Montag veröffentlicht wurde, bewerten 71 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser (ohne Psychiatrien) ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht oder sehr schlecht. Jedes zweite Haus (51 Prozent) erwartet in den nächsten sechs Monaten, das Leistungsangebot reduzieren zu müssen, etwa durch vorübergehende Schließungen von Stationen. Als Ursachen werden von vielen Kliniken "nicht refinanzierte Kostensteigerungen", etwa Energiekosten, und der Fachkräftemangel genannt.

Mit Informationen von dpa und AFP

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