Eine Fackel zur Verbrennung von Methan aus der Ölförderung in Watford City, USA. Im Hintergrund eine Erdölpumpe.
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Eine Fackel zur Verbrennung von Methan aus der Ölförderung in Watford City, USA. Im Hintergrund eine Erdölpumpe.

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Klimakonferenz: Das sind die Beschlüsse wirklich wert

Die Staaten der Welt haben den "Übergang weg von fossilen Brennstoffen" beschlossen. Eine historische Einigung? Die Erfahrung zeigt: Konferenz-Beschlüsse sind am Ende nur so viel wert wie ihre Umsetzung. Eine Analyse.

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Die Staaten der Erde haben sich bei der UN-Klimakonferenz (COP28) in Dubai einstimmig auf ein Abschlusspapier geeinigt. Auch wenn es in den vergangenen Tagen schon gar nicht mehr danach aussah und einige Beobachter die Konferenz sogar schon kurz vor dem Scheitern sahen. Doch dann haben die Staaten im Abschluss-Dokument festgeschrieben, sich von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas zu verabschieden. Konferenz-Präsident Sultan al-Dschaber aus dem Gastgeberland, den Vereinigten Arabischen Emiraten, sprach von einer "historischen" Einigung. Politikerinnen und Politiker aus Deutschland und Europa reagieren mit Freude und Erleichterung.

Reaktionen auf COP28: "Stark im Signal, schwach in der Substanz"

Klimaexperte: "Nur das Nötigste"

Doch einige Experten sehen es anders: Als "nicht historisch, sondern nur das Nötigste" bewertet zum Beispiel Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institutes in Köln, die Ergebnisse. Die Beschlüsse müssten jetzt von den Nationalstaaten erst einmal umgesetzt werden. Und dann müssten die Maßnahmen noch vor dem Jahr 2030 wirken. "Erst dann entscheidet sich, ob diese Konferenz ein Erfolg war", sagt Höhne.

Kohle, Öl und Gas: Übergang statt Ausstieg

Gestritten haben die Staaten bei der COP28 vor allem über den Ausstieg aus der Nutzung von fossilen Energieträgen. Am Ende des Streits steht nun ein Kompromiss: Die Staaten haben sich darauf geeinigt, einen "Übergang weg" (engl.: "transition away") von fossilen Energieträgern festzuschreiben, nicht aber einen "Ausstieg" (engl.: phase out), wie unter anderem von Deutschland gefordert.

Abschlusspapier: Formulierung definiert Spielräume

Doch kommt es auf diesen feinen Unterschied in der Formulierung überhaupt an? Ja und Nein! Ja, denn die genaue Formulierung definiert, wie viel Spielraum die Staaten bei der Umsetzung haben. Je lascher die Formulierung, umso mehr können die Staaten ihre eigenen Gesetze zur Umsetzung abschwächen, den Zeitplan hinauszögern oder die Details in ihrem Sinne interpretieren. Darum pochen gerade Klimaschutz-Organisationen auf möglichst ambitionierte Formulierungen in den Konferenzdokumenten.

Für den Klimapolitik-Forscher Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie ist die COP vor allem eine Verhandlungsplattform. Zu den Verhandlern gehörten zahlreiche Länder, die in hohem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig seien. "Die über 120 Länder, die sich für einen klaren Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ausgesprochen haben, sollten ihren Worten Taten folgen lassen", sagt der Forscher. Mit der öffentlichen Positionierung dieser Länder und dem COP-Ergebnis hätten jetzt die Befürworter des Klimaschutzes neue Mittel in der Hand, sie dazu zu drängen.

1,5-Grad-Ziel: Emissionen müssten jetzt fallen

Bei der Klimakonferenz in Paris vor acht Jahren hatten die Staaten sich darauf geeinigt, die weltweite Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, möglichst auf nur 1,5 Grad. Das ist nur zu schaffen, wenn die globalen Emissionen sinken. Bisher sind die globalen Emissionen im Wesentlichen kontinuierlich angestiegen. Für viele Experten ist das 1,5 Grad-Ziel bereits jetzt nicht mehr zu erreichen.

COP-Beschlüsse nur Absichtserklärung

Ein COP-Abschlussdokument ist letztlich nicht mehr als eine Absichtserklärung. Es gibt keine direkten Sanktionen, wenn Staaten die Ziele nicht einhalten oder irgendeine Instanz, die die Umsetzung erzwingen könnte. Darum Nein: Ob Klimaschutz im Sinne der Beschlüsse auch passiert, hängt davon ab, wie die Staaten im Anschluss agieren und ob die unterschriebenen Ziele im eigenen Land dann überhaupt politisch konkret umsetzbar sind.

Von Heizungsgesetz bis Pestizide: So schwierig ist die Umsetzung

Wie schwierig das in der Realität ist, zeigt der Blick nach Deutschland: Es ist nur wenige Monate her, da wurde heftig über das Heizungsgesetz der Ampel-Regierung gestritten. Klar ist eigentlich, dass zum Erreichen der Pariser Klimaziele gerade im Gebäudesektor massive Veränderungen notwendig sind. Doch wenn es in die konkrete Umsetzung geht, beginnen die politischen Probleme: Es wird gestritten, inwiefern Verbote und Vorgaben der richtige Weg sind, ob finanzielle Anreize nicht ausreichen, wie schnell das Tempo sein soll, ob die massiven Veränderungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen überhaupt tragbar sind und was der Kompromiss am Ende dem Klimaschutz noch nützt.

Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich Umwelt und Biodiversität: Vor einem Jahr hat die EU in Montreal bei der UN-Biodiversitätskonferenz (COP15) ambitioniert verhandelt und für globale Ziele gekämpft, die sie sich selbst im Rahmen des Green Deals gesteckt hat. Eines davon: das Risiko durch den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft für die Biodiversität bis 2030 zu halbieren. Doch gerade erst hat das EU-Parlament ein entsprechendes Vorhaben gekippt. Weder Deutschland noch die EU sind also völlig auf Kurs, was die Umsetzung unterschriebener Beschlüsse betrifft, auch wenn sie vor Ort bei den UN-Konferenzen als ambitionierte Verhandler auftreten.

Absichtserklärung heißt auch Spielraum "nach oben"

Auf der anderen Seite ist auch eine abgeschwächte Formulierung in einem COP-Papier kein Hindernis, trotzdem ambitionierter voranzugehen. Beispiel: Bei der UN-Biodiversitätskonferenz im vergangenen Jahr haben die Staaten sich auf Schutzgebiete auf 30 Prozent der Flächen geeinigt weltweit geeinigt. Das Ziel von 10 Prozent besonders streng geschützter Fläche schaffte es nicht in das Abschlussdokument. Die EU hält in ihrer eigenen Biodiversitätsstrategie aber dennoch an dem Ziel fest.

Beschlüsse senden wichtige Signale an Investoren

Auch wenn nur eine Absichtserklärung, haben die Beschlüsse eine weitere wichtige Funktion: Sie senden auch Signale an Wirtschaftsunternehmen und Investoren, wo global politisch die Reise hingeht. Setzen Investoren demnach künftig weniger auf die fossilen Energieträger, weil die Weltgemeinschaft zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas aufgerufen hat, so ist das ein wesentlicher Hebel für Veränderungen. Laut der Geschäftsführerin des Öko-Instituts in Berlin, Anke Herold, wird es in der Zukunft entscheidend sein, "ob die globalen Investitionen in fossile Brennstoffe tatsächlich stark sinken und die Investitionen in erneuerbare Energien deutlich steigen werden." Gerade Entwicklungsländer hätten bei der Konferenz berichtet, dass sie bisher wesentlich leichter Zugang zu Investitionsmitteln für fossile Energien gehabt hätten als zur Finanzierung von erneuerbaren Energien.

Ausbau erneuerbarer Energien bleibt wichtiger Schlüssel

Das Abschlusspapier der COP in Dubai sendet aber auch noch ein anderes Signal. Die Staaten legen sich fest, die Kapazität der erneuerbaren Energien schon bis 2030 zu verdreifachen und die Geschwindigkeit bei der Energieeffizienz zu verdoppeln. Das zeigt den Konsens darüber, wie wichtig die erneuerbaren Energien für das Erreichen der Klimaziele sind. Denn jeglicher Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie auch ein Großteil technischer Möglichkeiten von der Wärmepumpe über die Produktion von grünem Wasserstoff bis hin zu technischen Lösungen zur Speicherung von CO2 unter der Erde bringen für den Klimaschutz nur so viel, wie auch ausreichend grüner Strom zur Verfügung steht.

Video: COP28 - Interview mit BR-Korrespondent Jakob Mayr

Jakob Mayr
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Jakob Mayr

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