Menschen demonstrieren am 13.11. vor einem Münchner Gefängnis für die Freilassung der Aktivisten der Letzten Generation aus der Präventivhaft.
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Menschen demonstrieren am 13.11. vor einem Münchner Gefängnis für die Freilassung der Aktivisten der Letzten Generation aus der Präventivhaft.

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Kirchen-Beistand für "Letzte Generation" empört Unions-Politiker

Festkleben als legitimes Protest-Mittel? Empört haben Unionspolitiker auf die Unterstützung aus der evangelischen Kirche für die "Letzte Generation" reagiert. Sie planen nun eine bundesweite Petition gegen die Vorsitzende des Kirchenparlaments.

Kirchennahe CDU-Politiker wollen eine deutschlandweite Unterschriftenaktion gegen die Vorsitzende des Kirchenparlaments der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, starten. Sie bringen damit ihre Empörung zum Ausdruck, dass die EKD-Synode sich für eine Unterstützung der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" ausgesprochen hat. Was ist genau vorgefallen?

Kirchenparlament lädt "Letzte Generation" zu Tagung ein

Vergangene Woche tagte das Kirchenparlament der EKD in Magdeburg. Neben dem Ukraine-Krieg und der Aufarbeitung sexualisierten Missbrauchs ging es um das Thema der Bewahrung der Schöpfung. Dazu hatte die Synode auch die Klimaaktivistin Aimée van Baalen von der Bewegung "Letzte Generation" eingeladen, die wegen Straßenblockaden und Lebensmittelwürfen auf Kunstwerke in der Kritik steht. Sie verteidigte dort die umstrittenen Protestformen. Vielen, aber nicht alle der 128 Delegierten standen auf und applaudierten.

Die Präses der Synode, Anna-Nicole Heinrich, rief im Anschluss Politikerinnen und Politiker auf, dem Beispiel der Kirche zu folgen und ebenfalls mit den Klimaaktivisten der "Letzten Generation" ins Gespräch zu kommen. Die Bewegung dürfe nicht in eine kriminelle Ecke gestellt werden. Dort gehöre sie nicht hin, sagte Heinrich. Die Anliegen der Aktivisten müssten ernst genommen werden. Sie stellten ihr eigenes Wohl zurück, um "gewaltfreien, zivilen Widerstand" zu leisten.

CSU-Landesgruppen-Chef: "Überhaupt kein Verständnis"

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, kritisierte den Auftritt van Baalens scharf. "Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis", sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Er verstehe, dass die Kirchen immer mit allen redeten. "Aber den Eindruck zu erwecken, als würde man diesen Protest tolerieren können, das ist falsch verstandene Milde".

CDU-Politiker planen deutschlandweite Unterschriftenaktion

"Wir halten die Unterstützung gewaltbereiter Aktivisten in einem demokratischen Gemeinwesen für friedensfeindlich und brandgefährlich", heißt es auch in dem Text, den der Evangelische Arbeitskreis der CDU Nordrhein-Westfalen nach Informationen der "Welt" auf den Weg bringen will. Für das Papier sollen deutschlandweit Unterschriften gesammelt werden.

"Proteste müssen in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen friedlich bleiben - Protestformen, die Gewalt gegen Menschen oder Sachen ausüben, sind nicht legitim", heißt es. Das treffe auch und gerade auf Straßenblockaden der sogenannten Letzten Generation zu."

Heinrich habe bei der EKD-Synode in Magdeburg solche Straßenblockaden als legitimes Mittel zivilen Widerstands bezeichnet, heißt es in dem Schreiben. "Dieser Ansicht widersprechen wir", so die kirchennahen Unions-Politiker. "Wir haben die tiefe Sorge, dass solche Äußerungen der Evangelischen Kirche und ihren Mitgliederzahlen unermesslichen Schaden zufügen."

Klimapolitiker Pieper: demokratiefeindlichen Organisationen keine Plattform bieten

Zeitgleich meldete sich der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper zu Wort. Er ist Berichterstatter des EU-Parlaments für den Ausbau Erneuerbarer Energien. "Die Annäherung der Kirche an die Aktivisten der 'Letzten Generation' ist befremdlich und beschämend", schreibt der Klimapolitiker in einem Brief an Präses Heinrich.

"Als evangelischer Christ in politischer Verantwortung bitte ich Sie dringend, demokratiefeindlichen Organisationen künftig keine Plattform zu bieten; geschweige denn, deren extreme Positionen zu unterstützen." Der Fachpolitiker wirft der EKD-Vertreterin vor, sie habe sich von Argumenten der Klimaaktivisten blenden lassen.

Landesbischof Bedford-Strohm sieht Aktionen kritisch

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sieht die Aktionen im Gegensatz zur EKD-Synode kritisch. Diese Aktionen würden zu sehr von dem Problem ablenken, auf das sie eigentlich aufmerksam machen wollen, sagte er BR24 auf einer Pressekonferenz in Tutzing anlässlich des ersten Arbeitstreffens des Exekutivausschusses des Weltkirchenrats, dessen Vorsitzender er seit September ist.

"Ich bedauere, dass die öffentliche Diskussion sich jetzt auf die Aktion von einigen sehr wenigen Menschen konzentriert", sagte Bedford-Strohm. Anstatt über das eigentliche Thema, den Klimawandel, "diskutieren wir jetzt über die Fragen, ob man sich auf Autobahnen festkleben darf oder nicht oder welchen Sinn es haben soll, ein Gemälde mit Brei zu bewerfen."

Klimaaktivisten schaden laut CSU "dem Anliegen des Klimaschutzes"

Die CSU hatte sich bereits am 8. November in ähnlicher Weise per Twitter zu Wort gemeldet und die Aktivisten als "Klima-Kleber" bezeichnet, die "dem Anliegen des Klimaschutzes" schaden würden. CSU-Chef Markus Söder forderte: "Wir brauchen eine klare Linie gegen Klima-Kleber."

  • Zum Artikel: "Klima-Kleber: Mehr Schaden als Nutzen?"

Dobrindt kritisiert gesellschaftliches Auftreten der Kirchen insgesamt

CSU-Landesgruppen-Chef Dobrindt äußerte zudem Kritik am öffentlichen Auftreten der beiden großen Kirchen insgesamt. "Was auffällt, ist, dass die beiden großen Kirchen in den vergangenen Jahren bei großen gesellschaftlichen Debatten sich nicht groß zu Wort gemeldet haben", sagte er.

Er nannte als Beispiele die Auseinandersetzungen um das abgeschaffte Werbeverbot für Abtreibungen und das von der Ampel-Koalition geplante Selbstbestimmungsgesetz zugunsten trans- und intergeschlechtlicher Menschen."Auch in den beiden Jahren der Corona-Pandemie habe ich von den Kirchen zu wenig sinnstiftende Begleitung dieser schwierigen Situation erlebt", sagte der katholische Politiker und fügte hinzu: "Ich würde mir deutlich mehr Wortmeldungen der Kirche bei vielen großen gesellschaftlichen Debatten wünschen und weniger bei politischem Aktivismus."

Mit Informationen von epd und KNA

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