Alpe mit Wanderern und Photovoltaik-Modulen
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Sonne satt: So könnte der Solarpark über Gondo im Schweizer Kanton Wallis aussehen.

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Energiewende: Streit um Solarkraftwerk auf Schweizer Bergen

Sonne satt, auch im Winter: Weil Bern Photovoltaikanlagen am Berg fördert, entstehen Pläne für riesige Solarparks in den Alpen. Welche Argumente Befürworter und Gegner austauschen – und ob Solarparks bald auch auf Bayerns Bergen stehen könnten.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

In Gondo, einem kleinen Walliser Dorf an der Grenze zu Italien, ist es windig an diesem sonnigen Tag im Frühjahr. Renato Jordan ist Anfang 70, die langen grauen Haare hat er zum Pferdeschwanz zusammengebunden. Er ist Künstler, stammt selbst aus Gondo und hat Großes vor mit dem kleinen Ort: Hoch über dem Dorf will er "Gondosolar" errichten, das erste große Solarkraftwerk in den Schweizer Bergen.

Er zeigt auf eine gigantische Felswand, die hinter den Dorfhäusern in den knallblauen Himmel ragt. Oberhalb liegt ein Hochplateau, dort soll eine hochalpine Photovoltaikanlage gemeint, so groß wie 14 Fußballfelder. Auf 100.000 Quadratmetern Fläche soll dort Strom für mehr als 5.000 Haushalte erzeugt werden. Dort, wo bis in die 1950er Jahre die Familie von Renato Jordan Schafe weiden ließ.

Hoch oben, wo auch im Winter die Sonne scheint

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Photovoltaik-Module oberhalb der Baumgrenze: Animation des geplanten Solarparks oberhalb von Gondo

Die Idee, die alpine Sonne über Gondo zur Energieerzeugung zu nutzen, hatte Renato Jordan schon vor zehn Jahren. Er ist Grundeigentümer der betroffenen Fläche. Seit Kurzem ist Gondosolar nur noch eines von Dutzenden Projekten. Mit einer sogenannten "Solaroffensive" hat das Schweizer Parlament im vergangenen Herbst Subventionen in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt. Bis zu 60 Prozent der Investitionskosten in Photovoltaik-Großanlagen will der Staat übernehmen. Mit seinen 100.000 Quadratmetern ist Gondosolar sogar noch vergleichsweise klein. Beim Bergdorf Grengiols – ebenfalls im Kanton Wallis – ist ein 3,4 Quadratkilometer großer Solarpark geplant, also eine Fläche von 476 Fußballfeldern voll mit Solarmodulen.

Alpenplan verhindert Flächenfraß in Bayerns Hochgebirge

Während in der Schweiz wegen der staatlichen Förderung regelrechte Goldgräberstimmung herrscht, verweist das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr auf Anfrage des BR auf den bayerischen Alpenplan. Der teilt den Alpenraum in Bayern in drei Zonen ein - A,B und C. Auf diese Weise werden Erschließungen am Berg geregelt. Vor allem in der Schutzzone C sind Baumaßnahmen tabu.

Etwa die vor Jahren geplante Skigebietsverbindung am Riedberger Horn in den Allgäuer Alpen wäre durch diesen Bereich verlaufen – das Vorhaben wurde gekippt, nachdem Naturschutzverbände und die Öffentlichkeit großen Druck ausgeübt hatten. Wegen des Alpenplans dürften Bayerns Gipfelregionen frei von PV-Freiflächenanlagen bleiben. Denn, so begründet es das Ministerium, diese Flächen hätten in der Regel eine große Bedeutung für Natur und Landschaft. Und deshalb müsse immer erst geprüft werden, welche Auswirkungen denn eine Photovoltaik-Freiflächenanlage für Natur und Landschaft habe.

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Aktivistinnen und Aktivisten der Naturschutzorganisation "Mountain Wilderness" bei einer Protestaktion gegen alpine Solarparks im August 2022

"Energiewende ja - Gondosolar nein"

Landschafts- und Naturschutzorganisationen in der Schweiz sind derweil entsetzt über die alpinen Großprojekte dort. "Energiewende ja – Gondosolar nein" – unter diesem Motto machen die Naturschützer von Mountain Wilderness mobil gegen das von Renato Jordan initiierte Photovoltaik-Projekt. Sebastian Moos ist Projektleiter beim Verein Mountain Wilderness Schweiz in Bern und unterstützt die Energiewende. Er warnt jedoch davor, dafür in die letzten, wilden Naturräume einzugreifen: "Es ist eine gute Idee, die an einem völlig falschen Ort steht. Aus unserer Sicht gibt es genügend Flächen im bebauten Gebiet, auf Gebäuden, Dächern und Fassaden, um mit Photovoltaikanlagen die Energiewende zu schaffen."

Mit alpinen Photovoltaikanlagen allerdings lässt sich sehr viel mehr und effizienter Strom produzieren. Drei- bis viermal mehr als auf gleich großen Flächen im Mittelland, sagen Forscher der ETH Zürich, auf die sich auch Gondosolar-Initiator Renato Jordan beruft. Wegen der hohen Lage wäre die Sonne stärker. Und weil es im Winter sehr kalt ist, sei der Wirkungsgrad höher. Der Plan sieht vor, die Module dann so steil zu montieren, dass die Sonne im Winter senkrecht darauf fällt. "Wenn sie ins Mittelland gehen, da gibt es sehr viele Dächer, aber die sind alle im Nebel", sagt Jordan.

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Das Dorf Gondo am Simplonpass im Schweizer Kanton Wallis

Bewohner vor Ort einstimmig für den Solarpark

Während Natur- und Landschaftsschützer protestieren, haben die Menschen in Gondo nichts gegen das Großprojekt oben auf ihrem Hausberg. Bei einer Abstimmung waren sie einstimmig dafür. Alle 74 Einwohner. Wie schnell es nun aber tatsächlich gehen wird mit der Realisierung der alpinen Photovoltaik-Anlagen, ist noch unklar. Gerade hat sich die große Kammer des Schweizer Parlaments, der Nationalrat, gegen beschleunigte Genehmigungsverfahren ausgesprochen. Damit könnten einige der eilig lancierten Großprojekte schon wieder auf der Kippe stehen. Solarpark-Pionier Renato Jordan ist sich derweil sicher: Gondosolar wird kommen.

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