CSU-Chef Söder steht vor mehreren Wahlplakaten der Partei für die diesjährige Landtagswahl
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Über allem thront Strauß: CSU-Chef Söder bei der Vorstellung der Wahlplakate für die diesjährige Landtagswahl

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CSU-Wahlkampf: Strauß muss wieder ran

Franz Josef Strauß ist zwar schon 35 Jahre tot. Als Wahlkämpfer taugt er aber immer noch. Die CSU plakatiert ihn in neuer Form und richtet ihren Wahlkampf damit neu aus. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Markus Söder dreht sich um, nach hinten, zeigt auf ein Wahlplakat mit Franz Josef Strauß und sagt: "Dieses Zitat ist schon wichtig!" Strauß schaut entschlossen zurück, neben seinem Gesicht prangt sein Satz "Wir wollen mit rechtsradikalen Narren und Extremisten nichts zu tun haben."

Söder hat in den heißen Innenhof der CSU-Landesleitung geladen, um die erste Welle der CSU-Plakate für die Landtagswahl zu präsentieren. "Die CSU ist das bayerische Original" steht auf einem, woanders heißt es, in Bayern "lebt es sich einfach besser".

"Altvater und geistiger Gründer"

Und dann ist da auch Strauß, der "Altvater" und "geistige Gründer", wie Markus Söder ihn nennt. Über seinem Bett hatte er als Jungpolitiker ein Plakat von Strauß hängen. "Wir grenzen uns ab zu radikal", sagt nun der Parteichef Söder. Jede Stimme für die AfD sei "eine verschenkte Stimme".

Franz Josef Strauß hatte seine ersten Wahlkämpfe 1946. Er gewann und wurde Landrat von Schongau. Die letzte Wahl, die Strauß erlebte, war die Bundestagswahl 1987. Die Plakate von damals zeigen ihn am Schreibtisch, Stift in der Hand, unter dem schlichten Slogan "für Deutschland. CSU".

Dass seine Partei ihn nun reaktiviert, ist in mehrerlei Hinsicht interessant.

Wem gehört Strauß?

Erstens zeigt es, dass die CSU darauf bedacht ist, ihr Idol nicht wieder anderen zu überlassen, schon gar nicht vor einer Wahl.

Damit war sie zuletzt recht nachlässig. Zwar ist Strauß inzwischen 35 Jahre tot. Als Wahlkämpfer ist er aber, nur leicht übertrieben, so präsent wie eh und je. Nur halt nicht immer im Dienst der CSU: Vor der Bundestagswahl 2017 präsentierte ein AfD-naher Verein ein Plakat mit dem Slogan "Strauß würde AfD wählen". Im vorigen Jahr postete die Bayernpartei den recht jungen Strauß mit Zigarre neben dem Satz "Das ist nicht mehr meine CSU".

Aiwanger auf Strauß' Spuren?

Vor wenigen Wochen schließlich stellte Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler, seinen Parteichef in eine Reihe mit dem CSU-Übervater: Der Letzte, der in Bierzelten so geredet habe wie Hubert Aiwanger, sei Strauß gewesen.

Sowas tut der CSU weh. Es erklärt aber nur zum Teil, warum die Partei nun wieder selbst offensiv auf Strauß setzt. Es geht nicht nur um ihr Nutzungsrecht an einem Mythos. Interessant ist das Strauß-Plakat auch inhaltlich.

Mit dem Satz, man wolle "mit rechtsradikalen Narren und Extremisten nichts zu tun haben", bringt die CSU sich zugleich gegen die AfD in Stellung. Der Satz ist bei weitem nicht so bekannt wie die Strauß-Maßgabe, "dass es rechts von der CDU/CSU keine demokratische legitimierte Partei geben darf". Beide Strauß-Sätze stammen von 1987. Damals erzielten die rechtsradikalen Republikaner, eine Abspaltung enttäuschter CSU-Mitglieder, zwar noch keine Wahlerfolge, konnten aber auch nicht mehr ignoriert werden. Ihren Einzug ins Europaparlament und später einige Landtage musste Strauß nicht mehr erleben.

Die Brandmauer der CSU zur AfD

Woran die Republikaner bis zuletzt scheiterten, das gelang der AfD: Seit 2018 sitzt sie, demokratisch legitimiert, im bayerischen Landtag. Den Umfragen zufolge kann sie im Oktober sogar damit rechnen, ihr Ergebnis auszubauen.

Daher könnte die CSU den berühmten Strauß-Satz kaum auf Plakate drucken, ohne Rätsel aufzugeben. Markus Söder hat unlängst einen Satz gesagt, den man als Neufassung verstehen kann: "Es wird keinen AfD-Landrat oder keinen AfD-Oberbürgermeister in Bayern geben." Genau genommen, ist Söder damit sogar kühner als der CSU-Übervater: Strauß beschränkte sich auf die normative Formulierung, es "darf" rechts keine Partei geben. Söder stellt seine Norm als Faktum hin.

Für die aktuelle Kampagne wäre Söders Satz ohnehin kaum geeignet. Gewählt wird im Oktober in erster Linie der Landtag. Deshalb die Alternative mit den "Narren und Extremisten". Es ist eine frühe Form der Brandmauer, die die CSU heute zur AfD gezogen hat. Keine Zusammenarbeit, nirgends – diese Vorgabe hat Söder vor kurzem bekräftigt.

Neuer Hauptgegner ist die AfD

Das Strauß-Plakat zeigt eine neue Schwerpunktsetzung im CSU-Wahlkampf. Bisher waren die Grünen Söders Lieblings-Gegner. Bei jeder Gelegenheit drosch er zuerst auf sie ein. Diese Aufgabe scheint aus Söders Sicht vorerst erledigt: Nachdem sie vergleichsweise schwach dastehen, haben die Grünen für den CSU-Chef an Bedeutung verloren. Bei der Plakat-Präsentation erwähnt Söder sie, ganz ungewohnt, namentlich kaum.

An ihre Stelle rückt nun offenbar die AfD. Dass sie in Umfragen zugelegt hat, muss Söder umso mehr beunruhigen, als auch die Freien Wähler ein Plus verzeichnen. Alle drei Parteien werben zumindest in Teilen um dieselbe Wählerschaft. Söders Problem ist, dass er gegen seinen Koalitionspartner nicht so frei aufspielen kann, wie er das vielleicht gern würde. Auch aus diesem Grund nimmt er jetzt die AfD ins Visier. Bei der Plakat-Präsentation rät der CSU-Chef sogar, sich die einzelnen Kandidaten der AfD genau anzuschauen: Ob man "von diesen Leuten" ein Auto, ein Haus kaufen würde? Mit ihrem Ziel, EU und NATO zu verlassen, setze die AfD den Wohlstand aufs Spiel. "Mit Frust gewinnt man keine Zukunft, mit Lust kann man gestalten."

Söder sucht noch nach Zuspitzungen

Die Frage drängt sich auf, ob sich damit in Bierzelten genau so Stimmung machen lässt wie mit Attacken auf vermeintlichen grünen Gender-Wahn und Fleisch-Verbote. Fallen Abgrenzung und Profilierung schwerer, wenn es um die AfD geht statt um grüne Politik?

Um Zuspitzung ist Markus Söder nie verlegen. Man merkt, wie er noch sucht nach Sprüchen, mit denen er die AfD genauso wirkungsvoll attackieren kann wie die Grünen. Sich dafür bei Franz Josef Strauß zu bedienen, ist gewiss kein Fehler.

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