Die bayerische, die deutsche und die europäische Flagge vor dem Bayerischen Landtag in München
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In Bayern wird die EU-Skepsis größer - darauf deutet der BR24 BayernTrend hin

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BayernTrend - Nach der Wahl ist vor der Wahl

Exakt 100 Tage sind seit der Landtagswahl im Oktober vergangen. Im BR24 BayernTrend zeigt sich die politische Stimmung im Freistaat weitgehend stabil. Mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni ist das anders: Die EU-Skepsis ist gewachsen. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Eigentlich hat sich nicht viel getan seit der Landtagswahl am 8. Oktober 2023. Ministerpräsident Markus Söder und seine Regierung aus CSU und Freien Wählern stehen im BR24 BayernTrend unangefochten da. Die bayerischen Oppositionsparteien des Ampel-Bündnisses leiden weiter unter der Performance der Bundesregierung.

Und auch die Bäume der AfD scheinen in Bayern erst einmal nicht weiter in den Himmel zu wachsen. Wäre am Sonntag Landtagswahl, käme sie ziemlich exakt auf ihren Stimmenanteil vom vergangenen Herbst (14,6 Prozent). Mehr aber auch nicht. Zwar sind die knapp 15 Prozent ein neuer Höchstwert im BayernTrend für die immer radikaler werdende Partei, doch angesichts des bundespolitischen AfD-Höhenflugs auf über 20 Prozent und angesichts der Rekordumfragewerte in anderen Bundesländern sticht der AfD-Wert im BayernTrend nicht sonderlich hervor. Erwartet uns also ein langweiliges politisches Jahr 2024 in Bayern? Mitnichten!

EU-Skepsis in Bayern wird größer

Am 9. Juni wird bei uns das Europaparlament neu gewählt und in diesem Zusammenhang hält der aktuelle BayernTrend die bemerkenswerte Erkenntnis parat: Der Blick der Bayern auf Europa hat sich im Vergleich zu vor fünf Jahren fundamental geändert. Waren 2019 noch 57 Prozent der Bayern für eine vertiefte Zusammenarbeit in der Europäischen Union, sind es heuer nur noch 33 Prozent - ein sattes Minus von 24 Punkten.

Eine relative Mehrheit von 39 Prozent möchte, dass Deutschland wieder stärker allein handelt und Zuständigkeiten von der EU zurückholt. Ein Plus von 16 Punkten im Vergleich zu 2019. Und nur noch 51 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Mitgliedschaft in der EU dafür sorgt, dass es Bayern wirtschaftlich gut geht. Minus 20 Punkte im Vergleich zum Jahr der letzten Europawahl.

Zahlen, die die wahlkämpfenden Europapolitiker nachdenklich stimmen müssen. Schließlich ist Bayern als mitten im Kontinent gelegenes Exportland im offenen Binnenmarkt nach wie vor einer der größten Profiteure von Europa. Und auch die Landwirte - deren Protest laut BayernTrend auf sehr großes Verständnis bei den Menschen im Freistaat stößt - profitieren von der EU. Fast jeder dritte Euro aus dem mehrjährigen EU-Etat fließt in die Landwirtschaft. Trotzdem scheinen viele Bayern verunsichert, wenn es um Europa geht.

Wenn am Sonntag Europawahl wäre …

Interessant ist, dass trotz der deutlich gewachsenen EU-Skepsis in Bayern keine größere Verschiebung in der Sonntagsfrage zur Europawahl zugunsten der AfD stattfindet. 13 Prozent bedeuten zwar ein Plus im Vergleich zur Europawahl im Mai 2019, doch der Wert liegt unter dem Landtagswahlergebnis der Partei. Einigermaßen überraschend, denn EU-Skepsis gehört gewissermaßen zum Gründungsmythos und zur DNA der AfD.

Die Diskussionen über die Ausrichtung der AfD könnte also Wirkung zeigen. Hinzu kommt: Eine andere Protestpartei taucht zum ersten Mal in einem BayernTrend auf - das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Immerhin drei Prozent der Bayern nennen das BSW auf die Frage, wen sie wählen würden, wenn am kommenden Sonntag Europawahl wäre. Es wird spannend sein, zu beobachten, welche Entwicklung diese neue Kraft im Parteienspektrum in den nächsten Monaten in Bayern nehmen wird.

Neben dem BSW sind auch die Freien Wähler ein möglicher Grund, warum die AfD im aktuellen BR24 BayernTrend nicht noch besser abschneidet. Die ebenfalls europakritische Partei von Hubert Aiwanger käme nämlich auf 9 Prozent und würde damit ein besseres Ergebnis erzielen als 2019.

Im Video: Die Ergebnisse des BR24 BayernTrends

Grafische Darstellung der Stimmanteile der Parteien in Bayern im Januar 2024 im Vergleich zur Landtagswahl Im Oktober 2023
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Der BR24 BayernTrend ist ein aufschlussreicher Indikator für Politiker und Bürger.

Eine Frage der Alternativen

Und so könnte dieser BayernTrend auch einen Hinweis darauf geben, wie es gelingt, eine radikale Partei wie die AfD in Schach zu halten - ohne Verbot. Es geht um überzeugende Alternativen für deren Anhänger. Zu denen scheint inzwischen auch die CSU wieder zu gehören. Denn kommt es so wie im BayernTrend, dann wäre sie mit 43 Prozent und einem Plus von drei Punkten gegenüber 2019 klarer Sieger der Europawahl in Bayern.

Im Gegenzug würden die Ampel-Parteien teils deutlich abgestraft: Die Grünen verlieren rund sechs Punkte auf 13 Prozent, die SPD fällt auf acht Prozent. Die FDP erreicht keine drei Prozent mehr und verschwindet deshalb im Balken der "Anderen Parteien", die insgesamt elf Prozent ausmachen.

Neuwahlen im Bund gemeinsam mit der Europawahl?

Geht es nach Markus Söder und der CSU, dann soll zeitgleich mit der Europawahl am 9. Juni auch ein neuer Bundestag und im Anschluss eine neue Regierung gewählt werden. Diese Forderung erneuerte der CSU-Chef dieser Tage bei der Klausurtagung seiner Landtagsfraktion auf Kloster Banz. Und er hat in dieser Frage auch die Mehrheit bayerischen Bürgerinnen und Bürger auf seiner Seite.

Mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten (55 Prozent) findet die CSU-Forderung nach Neuwahlen richtig, ein gutes Drittel (37 Prozent) hält sie für falsch. Auch Ingo Hahn von der AfD und Freie Wähler Chef Hubert Aiwanger haben sich gestern der Forderung nach Neuwahlen angeschlossen. Apropos Hubert Aiwanger.

Aiwanger: "Glaube schlichtweg nicht an die 13 Prozent"

Der glaubt im BR24-Interview schlicht nicht an die 13 Prozent, die der BayernTrend für die Freien Wähler bei einer Landtagswahl aktuell ausweist. Starker Tobak. Der Schritt, Wahlergebnisse, die einem nicht passen, anzuzweifeln, scheint da nicht mehr weit. Erstaunlich: Als die Freien Wähler im September vorigen Jahres ein Rekordhoch im BayernTrend verbuchten, da hat Aiwanger den Zahlen selbstverständlich geglaubt. Na ja, so ist das wohl, in einem Jahr, das politisch sicher noch sehr spannend werden wird.

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