Menschen an Tischen in U-Form im Deutschunterricht.
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Die Nachfrage nach Deutschkursen ist seit dem Ukraine-Krieg stark gestiegen

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30.000 ukrainische Flüchtlinge machen Deutschkurse

Viele geflüchtete Menschen aus der Ukraine wollen einen Deutschkurs machen. Die Nachfrage ist groß. Neben ehrenamtlichen Initiativen verzeichnet auch das BAMF in Nürnberg einen rasant steigenden Zulauf.

Fünfzehn geflüchtete Menschen aus der Ukraine treffen sich in Schwaig bei Nürnberg dreimal pro Woche zum Deutschkurs. Der Pfarrer der evangelischen Thomaskirche in Schwaig hat dafür einen großen Raum zur Verfügung gestellt. Liliia Bezugla unterrichtet ihre ukrainischen Landsleute ehrenamtlich. Eigentlich lehrt die 59-jährige Professorin Deutsch und Germanistik an der Karasin-Universität in Charkiw. Doch auch sie musste fliehen. Viele Menschen aus Charkiw, die sich vor den russischen Bomben in Sicherheit gebracht hätten, seien extra nach Nürnberg geflohen.

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"Sie wissen, dass Nürnberg unsere Partnerstadt ist", berichtet Liliia Bezugla, "und sie hofften, dass sie hier Hilfe bekommen würden." Und so war es. In Schwaig wurden sie mit offenen Armen empfangen.

Teilnehmer hatten gute Arbeitsplätze

Alle ukrainischen Teilnehmer des ehrenamtlichen Deutschkurses kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Sie hatten in ihrer Heimat gute Arbeitsplätze. Jetzt wissen sie nicht einmal, ob ihre Wohnungen noch stehen und ob sie überhaupt zurückkehren können. Der 69-jährige Alexey Bogdanov erzählt, er habe als Bauingenieur viele verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Er sei bereit, auch hier in Deutschland zu arbeiten. Dafür aber braucht er Deutschkenntnisse. Er möchte sich gern nützlich machen.

BAMF rechnet mit steigender Nachfrage nach Deutschkursen

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat inzwischen quer durch die Republik mehr als 30.000 Genehmigungen für kostenlose Deutschkurse an ukrainische Geflüchtete erteilt. Jeder Flüchtling aus der Ukraine kann hier einen Deutschkurs – das BAMF spricht von "Integrationskursen" – beantragen. Es genügt ein Ausweisdokument und die Registrierung in Deutschland. Sprachinstitute, die eine Zulassung vom BAMF haben, dürfen ihre Kurse jederzeit selbständig aufstocken. Die Kosten für die Teilnehmer werden von der Behörde erstattet.

Viele Ukrainer wollen Deutsch lernen

Benjamin Beckmann leitet die Vergabe der sogenannten "Integrationskurse" beim Bundesamt. "Wir haben in den letzten Wochen mehr Berechtigungen für Ukrainerinnen und Ukrainer erteilt als im gesamten letzten Jahr für Syrerinnen und Syrer", sagt Beckmann. Die Träger hätten sich auf eine deutlich steigende Nachfrage eingestellt und ihr Kursangebot mehr als verdoppelt. Für die kommenden drei Monate stünden 70.000 Plätze zur Verfügung.

Sprachkurse dauern sechs bis neun Monate

Für die Teilnehmer der Sprachkurse beim BAMF heißt das: mindestens sechs Monate lang jeden Vormittag Deutschunterricht. Ziel ist das Sprachniveau B1. Damit sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fit für den Arbeitsmarkt. Geflüchtete, die das nicht einhalten könnten, bekämen Alternativangebote, beispielsweise Teilzeitkurse am Abend, sagt Iveta Grumbach. Sie ist Assistentin der Geschäftsleitung bei einem der Kursanbieter, der AFI Akademie in Nürnberg. An einigen Standorten sei auch eine Kinderbetreuung möglich. Das Sprachinstitut mit insgesamt acht Standorten in der Region und mehr als dreizehn Filialen hat eine offizielle Zulassung vom BAMF und kann flexibel auf steigende Teilnehmerzahlen reagieren. Im Moment sind bereits 400 Geflüchtete aus der Ukraine bei der AFI Akademie registriert.

Ukrainer suchen Arbeit – nicht nur in ihrem Beruf

Die geflüchteten Ukrainer, die in der AFI Akademie in Nürnberg bereits einen Deutschkurs absolvieren, haben in der Regel auch eine Unterkunft gefunden. Sie stellen sich auf einen längeren Aufenthalt ein und suchen Arbeit.

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Dabei ist ihnen klar, dass sie nicht unbedingt einen Job in ihrem erlernten Beruf bekommen. Nataliia Bilai ist Grundschullehrerin. Sie sagt, jede Arbeit verdiene Respekt, aber natürlich unterrichte sie gerne. Wenn sie die Wahl hätte, würde sie gerne als Lehrerin arbeiten. Alla Noviskay ist Krankenschwester, ihr Ehemann Zahntechniker. Auch sie suchen Arbeit. Ihr 14-jähriger Sohn geht jetzt in Nürnberg zur Schule.

Trotz Krieg: Online-Kontakt mit Studierenden

Liliia Bezugla, die Germanistikprofessorin aus Charkiw, sitzt nach dem ehrenamtlichen Deutschkurs in Schwaig vor dem Computer. Sie hat die Kamera an, ein Headset auf dem Kopf und spricht deutsch. Neben ihren geflüchteten Landsleuten unterrichtet sie auch noch ihre Studentinnen und Studenten, die in der Heimat geblieben sind. Online. Ein Versuch, auch sie so gut wie möglich beim Lernen zu unterstützen und ihnen ein bisschen Normalität zurückzugeben.

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