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Bauernproteste

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Bauern-Proteste: Geht es noch um die Sache?

Die Bauern haben am Montagmorgen ihre angekündigten Proteste und Verkehrsblockaden begonnen. Zwar hat die Bundesregierung ihre Sparpläne abgemildert, doch das reicht den Landwirten nicht. Eine Analyse

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Ein Satz und seine Folgen. Mit einer emotionalen Drohrede stachelt Bauernpräsident Joachim Rukwied am 18. Dezember die Menge in Berlin an. Kurz zuvor hatte das Spitzentrio der Regierung - Scholz, Habeck, Lindner - verkündet, dass die Agrardiesel-Subvention und die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge gestrichen werden sollen. Damit soll das Haushaltsloch, das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstanden ist, gestopft werden. Die Bauern, wie immer gut organisiert, mobilisieren einen lauten Traktor-Protest in Berlin vor dem Brandenburger Tor.

Bauernpräsident Rukwied trifft den Nerv der Demonstranten, schimpft auf die Ampel und sagt dann diesen Satz: "Wenn diese beiden Maßnahmen nicht gestrichen werden, und zwar ersatzlos gestrichen werden, dann kommen wir wieder! Nicht nur nach Berlin. Dann werden wir ab dem 8. Januar überall präsent sein. In einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat!"

Bauernverbände: "Schwachköpfe mit Umsturzfantasien"

Im Netz findet das viel Zuspruch, und viele träumen von einem "Generalstreik", der die Ampel zum Rücktritt zwingen soll. Mittlerweile sehen sich die Bauernverbände deshalb zu regelmäßigen Distanzierungen gezwungen. "Auf das Schärfste" distanziere man sich "von Schwachköpfen mit Umsturzfantasien, Radikalen sowie anderen extremen Randgruppen und Spinnern, die unsere Aktionswoche kapern und unseren Protest für ihre Anliegen vereinnahmen wollen", heißt es in einer Stellungnahme des Deutschen Bauernverbandes.

Auch der Bayerische Bauernverband (BBV) sieht die Gefahr, dass die eigentlichen inhaltlichen Ziele ins Hintertreffen geraten könnten. BBV-Präsident Günther Felßner verspricht einen "demokratischen Protest", distanziert sich klar von antidemokratischen Protestformen, sagt aber auch: "Wir können am Ende auch nicht jede WhatsApp-Gruppe kontrollieren."

Fähre blockiert: Wütende Bauern lauern Habeck auf

Dass der Protest kein reines Netzphänomen ist, musste Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) erfahren. Kurz nachdem die Bundesregierung verkündet hatte, dass die Streichungen zum Teil zurückgenommen werden, sah er, wie weit der Protest mancher Landwirte mittlerweile geht: Wütende Bauern hinderten ihn am Verlassen einer Nordsee-Fähre.

Ist Nötigung jetzt ein Teil der Auseinandersetzung? Der Deutsche Bauernverband (DBV) distanziert sich am nächsten Tag. DBV-Präsident Rukwied schreibt: "Blockaden dieser Art sind ein No-Go. Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt. Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht. Bei allem Unmut respektieren wir selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern."

Felßner: "Die Bevölkerung haben wir hinter uns"

Es ist eine fragile Situation. "Die Bevölkerung haben wir hinter uns", sagt der bayerische Verbandspräsident Felßner. "Das dürfen wir nicht verspielen." Schon einmal vorsichtshalber bittet er um Verständnis, wenn es aufgrund der Protestaktionen zu Verkehrsbehinderungen komme.

Mit der Zeit dürfte es mit dem Rückhalt in der Bevölkerung allerdings so eine Sache sein. Denn Bilder, wie die von der Blockade der Fähre inklusive Polizeieinsatz, könnten ziemlich schnell dafür sorgen, dass der Rückhalt für die Bauern in der Bevölkerung schwindet. Und wenn dann auch am achten, neunten, zwölften Tag in Folge wieder eine Autobahnauffahrt blockiert ist, kann das die Geduld der Bürger überstrapazieren.

Es geht um Wertschätzung und Geld

Andererseits haben die Bauern bereits großen Erfolg mit den ersten Aktionen. Denn die Politik lenkt substanziell ein. Die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge soll nun doch bleiben. Die Agrardiesel-Subvention wird nur sukzessive abgebaut. Aber dennoch bleiben die Bauernverbände hart.

Die nun von den Ampelparteien der Bundesregierung angekündigten Kürzungen würden für die deutschen Landwirte langfristig rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr an Belastung bedeuten.

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Im ganzen Land protestieren Bauern

Es geht bei der Wut der Bauern aber nicht nur um den Agrardiesel - sondern auch um die, aus Sicht vieler Bauern, fehlende Wertschätzung aus der Politik. Andererseits geht es um immer strengere Auflagen und Regeln für die Landwirte, wie etwa Pestizidreduktion, Stallumbau für mehr Tierwohl und strengere Nitratrichtlinien. All das macht es schwieriger, Landwirtschaft zu betreiben. Gleichzeitig fehlt es vielen Bauern an finanzieller Unterstützung. Das treibt die Proteste an.

Landwirtschaft: Stabile Einkommen

Klar ist jedoch auch: Bauern erhalten jede Menge Subventionen. Aufgrund der hohen Weltmarktpreise des vergangenen Jahres sind die landwirtschaftlichen Einkommen stabil und zum Teil sogar gestiegen. Doch schon jetzt fallen die Preise wieder massiv für Butter, Milch und Getreide. Weil aber die Energiepreise auf hohem Niveau bleiben, steigt insgesamt der Kostendruck in der Landwirtschaft.

Der Abbau der Agrardiesel-Subvention allein ist da eher so etwas wie ein Ventil für vieles, was zuvor schon passiert ist. Beispiel: Umbau der Tierhaltung. Im Sommer dieses Jahres hat das sogenannte "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung", die Borchert-Kommission, hingeworfen. Das Gremium unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert sollte sich um den Umbau der Tierhaltung kümmern und damit für mehr Tierwohl sorgen. Die Summe, die Landwirte nach Empfehlung der Kommission bräuchten, um ihre Ställe umzubauen, wollte die Bundesregierung nicht lockermachen. Es gibt bis heute keinen ausreichenden Finanzrahmen dafür.

Am heutigen Montag hat die sogenannte "Aktionswoche" der Landwirte begonnen. Sie findet definitiv statt - unklar ist, wie heftig die Proteste ausfallen werden. Das liegt wohl auch daran, wie aggressiv insbesondere die Bauernpräsidenten auftreten werden.

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