Neben einem grünen Traktor steht Landwirt Hans Steiner auf einer Straße am Feldrand.
Bildrechte: BR/Stefanie Heiß

Landwirt Hans Steiner mit seinem Traktor vor einem seiner Felder.

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Beleidigungen und Drohungen: Was Landwirte auf dem Acker erleben

Gülle oder Pflanzenschutzmittel auszubringen, ist für viele Landwirte zum Spießrutenlauf geworden. Immer häufiger werden sie dabei beleidigt, zum Teil sogar bedroht. Ein Landwirt aus Taching am See schildert seine Erlebnisse.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Spaziergänger oder Radfahrer, die sich die Nase zuhalten, empört die Faust in die Luft recken oder den Mittelfinger zeigen – das alles hat Landwirt Hans Steiner schon erlebt – beim Gülle-Ausbringen auf seinen Feldern und Wiesen im Landkreis Traunstein. Die Familie Steiner hält 80 Milchkühe plus Nachzucht auf einem idyllisch gelegenen Aussiedlerhof mit Bergblick oberhalb vom Tachinger See.

Steiner sagt, Bauer sein sei sein Traumberuf. Wären da nicht die zunehmenden Anfeindungen: Einmal habe jemand in seiner Wiese am Tachinger See im Gras gelegen und sich beschwert, warum Steiner genau jetzt Gülle ausfahren müsse. Das mangelnde Verständnis für seine Arbeit ärgert den Landwirt sehr: "Ich muss mich ständig rechtfertigen! Da frag' ich mich: Leute, muss das sein? Ich mache es ja nicht zur Gaudi, ich mache es, um zu düngen."

Im Video: Beleidigungen und fehlendes Verständnis: So reagiert ein Landwirt

Besonders heikel: Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln

Als Steiner im vergangenen Jahr ein Maisfeld gegen Unkräuter und Gräser behandelt, "kommt ein Herr daher und sagt, ob das sein muss, dass ich Glyphosat spritze", erzählt der 58-Jährige. Für die Bevölkerung gebe es nur noch eines: Glyphosat. Dabei habe er seit acht Jahren kein Glyphosat mehr auf seinem Betrieb eingesetzt.

Die regelmäßigen Anfeindungen ärgern den Landwirt nicht nur, sie werden auch zunehmend zur Belastung: "Man ist immer der Schlimme und der Umweltverschmutzer!" Viele Landwirte berichten mittlerweile von solchen verbalen Angriffen und Beleidigungen, während sie Pflanzenschutzmittel ausbringen. In Essenbach im Landkreis Landshut eskalierte ein Streit zwischen einem Anwohner und einem Landwirt sogar derart, dass der Anwohner den Landwirt ins Gesicht schlug. Auch wenn sie am Wochenende oder abends mit dem Traktor unterwegs sind, stoßen viele Bauern inzwischen auf Unverständnis.

Bauernverband: Konflikte auf Feldern und im Wald nehmen zu

Der Bauernverband beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Zwar gebe es keine genauen Zahlen, so Pressesprecher Markus Drexler, aber der Eindruck verfestige sich, dass es deutlich mehr Konflikte gebe. Brennpunkte sind aus Sicht von Drexler vor allem der Alpenraum, wo der Ausflugsverkehr den Landwirten die Arbeit erschwert, aber auch andere Naherholungsgebiete in ganz Bayern, wo viele Menschen ihre Freizeit verbringen.

Das fehlende Verständnis und die mangelnde Bereitschaft, Rücksicht auf die Landwirtschaft zu nehmen, führt Drexler darauf zurück, dass die Menschen zu den notwendigen Arbeiten in der Landwirtschaft keinen Bezug mehr haben. "Vieles ist selbstverständlich, zum Beispiel, dass Essen oder nachwachsende Rohstoffe wie Holz einfach zur Verfügung stehen." Wie und von wem die Lebensmittel produziert werden, darüber machen sich viele Menschen keine Gedanken – und nehmen daher keine Rücksicht auf die Arbeit von Landwirten, so Drexlers Eindruck.

Ausweg aus der Krise: Aufklärung und Kommunikation

Was tun gegen den Frust der Bevölkerung? Der Bauernverband hat den Verein "Unsere bayerischen Bauern" gegründet und versucht, die Menschen durch gezielte Werbeaktionen dafür zu sensibilisieren, wie wichtig die Landwirtschaft ist. Es gibt zum Beispiel große Aufkleber für Traktoren und Anhänger, die für Verständnis werben und große Plakataktionen, die auf die wichtige Rolle der Bäuerinnen und Bauern hinweisen. Auch die einzelnen Landwirte könnten beispielsweise mit Aushängen und Einwurfzetteln in Briefkästen auf anstehende Erntearbeiten hinweisen, sagt Pressesprecher Drexler.

Er sieht in dieser Arbeit sogar einen neuen Unternehmenszweig der Landwirtschaft: "Und zwar heißt der: Verbraucherdialog und Kommunikation. Das wird zunehmend von uns als Branche und den einzelnen Landwirten abverlangt und das ist manchmal eine zeitliche und persönliche Herausforderung."

Absprachen mit Anwohnern erhöhen Verständnis

Auch Landwirt Hans Steiner sucht Wege, wie er Konfrontationen aus dem Weg gehen kann. Pflanzenschutzmittel und Gülle bringt er zum Beispiel in Dorfnähe und in der Nähe von Ausflugszielen grundsätzlich nur noch unter der Woche aus. Freitagnachmittag und Wochenende sind tabu, weil zu diesen Zeiten viele Spaziergänger und Radfahrer unterwegs sind.

Besonders heikel sind auch seine Felder und Wiesen, die direkt an den örtlichen Fußballplatz angrenzen. Bevor Steiner hier Gülle ausbringt, geht er gedanklich den Trainingsplan der Mannschaften durch. Viele Möglichkeiten bleiben ihm dann zwar nicht mehr, rechnet er 58-Jährige vor: "Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag wird trainiert, am Sonntag können Spiele stattfinden." Trotzdem finde er immer einen Tag, wo kein Training ist und für ihn auch das Wetter mitspielt. "Da haben mich letztens mehrere Vereinsmitglieder gelobt, wie ich das mache. Das freut mich dann sehr."

Im direkten Gespräch um Verständnis werben

Was Steiner auch wichtig ist: Auf die Menschen eingehen, die ihn freundlich ansprechen. "Dann bin ich der Letzte, der ihm das nicht erklärt, weil er es ja vielleicht wirklich nicht weiß." Steiner hofft, dass diese Menschen ihr Wissen dann weitertragen und zum Beispiel bei der nächsten Diskussion im Wirtshaus am Stammtisch einbringen. "Vielleicht sagt er dann, wenn einer blöd daherredet: Halt, ich hab mit einem Bauern geredet, der hat mir das anders erklärt."

Manchmal helfen auch spontane Demonstrationen, sagt Steiner. Als sich im Dorf ein Anwohner bei ihm beschwert, er würde so vorbeirasen, hat er den Mann eingeladen, auf seinem Traktor mitzufahren. Schnell sei es dem Anwohner vorgekommen wie Tempo 30. Dabei sei er gerade einmal mit 12 km/h unterwegs gewesen.

Und noch eine Sache hat sich Steiner angewöhnt: Wenn Eltern mit Kind am Wegrand stehen, bietet er den Kleinen eine Mitfahrgelegenheit auf dem Traktor an. "Das bricht so viele Mauern, ganz gewaltig!" Und sorgt vielleicht dafür, dass die Eltern dieser Kinder beim nächsten Mal, wenn sie einen Traktor vor sich haben, mehr Geduld aufbringen und gerne warten - weil sie wissen, dass hier ein Landwirt seine Arbeit macht.

Dieser Artikel ist erstmals am 25. November 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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