Ein Mann im Anzug ordnet in einem Geschäft Parfümflaschen auf einem Tisch an.
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Vergangene Woche hat Bahaa Shaaban aus Syrien sein eigenes Geschäft in Kulmbach eröffnet.

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Vom Geflüchteten zum Geschäftsinhaber: Wie Integration gelingt

Geflüchtete wollen nicht arbeiten und sind kriminell – es gibt viele Vorurteile gegen Menschen, die nach Deutschland flüchten. Bahaa Shaaban entkräftet dieses Denken. Neun Jahre nach seiner Flucht aus Syrien hat er ein Geschäft in Kulmbach eröffnet.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Wer in dem neuen Laden in der Kulmbacher Innenstadt steht, weiß gar nicht, wo er als Erstes hinschauen soll: Überall hängen verspiegelte Vitrinen mit bunten Parfumschachteln, im Schaufenster stehen goldene Flacons. Etwas versteckt in einer Ecke steht ein Schreibtisch mit Formularen. Das Geschäft von Bahaa Shaaban ist Versicherungsbüro und Parfümerie in einem.

In Deutschland ein eher ungewöhnliches Konzept, in arabischen Ländern ist es durchaus üblich. Vor Kurzem hat sich Bahaa Shaaban mit der Eröffnung seines neuen Geschäfts ein Stück Heimat mitten nach Kulmbach geholt. Vergangene Woche hat Shaaban sein eigenes Geschäft eröffnet. "Das hat viel Energie gekostet. In die Selbstständigkeit reinzukommen, das ist schwer. Auch für einen Deutschen ist das sehr schwer", sagt Shaaban. Für den 30-Jährigen ist der Laden ein weiterer Erfolg nach jahrelanger Arbeit.

Deutschkurs nach der Flucht: "So schnell wie möglich integrieren"

Untersteinach bei Kulmbach: Hier wohnt Bahaa Shaaban mit Ehefrau Hanan und den drei Kindern. Sie waren noch nicht geboren, als die Eltern 2015 aus Syrien flüchten, wo noch heute Krieg herrscht. Nach zehn Tagen Flucht kommen sie in Deutschland an. "Das war schwierig", erzählt Bahaa heute. "Eine neue Kultur, ein neues Land, neue Sprache. Man kommt hierher und versteht gar kein Wort." Er habe sich deswegen entschieden, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen. "Damit ich mich so schnell wie möglich integriere."

Über Passau und Köln kommen die beiden nach Berlin, wo ihnen ihr Asylantrag bewilligt wird. Weil Verwandte von ihnen bereits im Raum Kulmbach leben, kommen sie nach Oberfranken. Dort belegt Bahaa Shaaban weitere Deutschkurse und erreicht die Niveaustufe C1 – also eine Stufe unter dem Muttersprachniveau. Eigentlich will Shaaban in Deutschland wieder studieren, aber das ist schwierig: Er scheitert an den Hürden des Bafög-Antrags, weil er hier ein anderes Fach als in Syrien studieren möchte.

Vom Geflüchteten zum Integrationsbeauftragten

Deswegen arbeitet Shaaban als Hausmeister, verkauft Verträge für Telefonanbieter, später vermittelt er Versicherungen. Und er ist ehrenamtlich tätig: als Integrationsbeauftragter im Landkreis Kulmbach. Denn er möchte seinen Landsleuten helfen, sich schneller zu integrieren. "Damals als ich nach Deutschland gekommen bin, gab es diese Hilfe nicht, das hat mir gefehlt. Ich hätte gerne jemanden gehabt, der mir zeigt: Was soll ich jetzt machen." Bahaa Shaaban macht diesen Job auch deswegen, weil er weiß, dass Geflüchtete aus Syrien froh über die Hilfe sind. Denn er ist sich sicher: Die Mehrheit seiner Landsleute will in Deutschland arbeiten.

So wie er selbst, der inzwischen eingebürgert wurde – und im vergangenen Jahr wieder nach Syrien reisen durfte. Zum ersten Mal nach acht Jahren. Wenn er heute das Video anschaut, wie er und seine Mutter sich in den Armen liegen, kommen die Emotionen in ihm wieder hoch. "Ich bin jetzt fast am Weinen, wenn ich das sehe. Ich erinnere mich, dass ich an diesem Tag sehr viel geweint habe. Als ich meine Mutter, meinen Vater und meine Familie wiedersehen konnte – das war sehr schön."

Stolz und dankbar: "Kulmbach ist jetzt für mich auch eine Heimat"

Neun Jahre nach seiner Flucht hat sich Bahaa Shaaban mit seiner Familie ein neues Leben aufgebaut, hat Deutsch gelernt, hat sich selbstständig gemacht, arbeitet ehrenamtlich. "Kulmbach ist jetzt für mich auch eine Heimat", sagt Bahaa Shaaban. Ist er ein Positivbeispiel für Integration? "Das sagen viele", sagt er und grinst ein wenig schüchtern. Ein bisschen stolz auf sich sei er schon. Um im nächsten Moment alle Menschen aufzuzählen, die ihn auf diesem Weg unterstützt haben: seine Freunde, die Mitarbeitenden im Landratsamt – die ihm bei der Selbstständigkeit halfen – und natürlich seine Frau.

Bis zu 15 Stunden pro Tag ist er wegen seiner unterschiedlichen Tätigkeiten nicht zu Hause, sagt Shaaban. Das will er aber ändern. Je nachdem, wie gut sein neues Geschäft anläuft, will Shaaban dann Mitarbeitende für sein Geschäft in Kulmbach einstellen. Denn das nächste Projekt wartet auf ihn und seine Familie schon: Die Shaabans erwarten bald ihr viertes Kind. Dann brauchen sie eine größere Wohnung.

Bahaa Shaaban berät einen Kunden in seinem Laden in der Kulmbacher Innenstadt.
Bildrechte: BR/Lasse Berger
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Vergangene Woche hat Bahaa Shaaban aus Syrien sein eigenes Geschäft in Kulmbach eröffnet.

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