Die Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit für Asylsuchende ist seit Jahren Gesetz. In einigen Landkreisen ist sie  Pflicht - und das seit Jahren.
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Die Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit für Asylsuchende ist seit Jahren Gesetz. In einigen Landkreisen ist sie Pflicht - und das seit Jahren.

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Umstrittenes Gesetz: Arbeitspflicht für Asylbewerber

Die Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit für Asylsuchende ist seit Jahren Gesetz. Nun wird wieder darüber gestritten. Einige Kommunen im Freistaat setzen die Regelung um, andere nicht. Ursachenforschung in bayerischen Landkreisen.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Ahmad im Landkreis Fürstenfeldbruck und Abdulkareem im Landkreis Traunstein haben einiges gemeinsam: Beide leben in einer Asylbewerberunterkunft und warten auf die Entscheidung über ihren Asylantrag. Und beide kommen dort einer gemeinnützigen Arbeit nach: Sie werden bis zu vier Stunden pro Tag als Reinigungskräfte in ihren Sammelunterkünften eingesetzt. Pro Stunde bekommen sie 80 Cent Aufwandsentschädigung für diese sogenannten gemeinnützigen Arbeiten. Abdulkareem ist froh, dass er eine sinnvolle Beschäftigung hat. Er kann sich vorstellen, auch andere Aufgaben für die Gemeinde oder für Vereine zu übernehmen. "Das ist eine gute Idee, wenn die Leute Zeit haben: warum nicht? Dann muss man doch was für Deutschland machen."

Landkreis Traunstein sanktioniert Arbeitsverweigerung

Einen wesentlichen Unterschied gibt es jedoch zwischen den beiden Asylbewerbern: Wenn Ahmad in Fürstenfeldbruck diese gemeinnützige Arbeit nicht machen möchte, wird jemand anderes dafür gesucht. Für Ahmad hat das keine Folgen. Wenn Abdulkareem in Traunstein die Arbeit ablehnt, dann drohen Sanktionen: Ihm können Asylbewerberleistungen gekürzt werden.

Möglich macht das ein Gesetz, das es schon seit 1993, also seit über 30 Jahren, gibt. Es erlaubt Landkreisen und Kommunen in Deutschland, Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Zum Beispiel in Sammelunterkünften oder beim Müllaufsammeln oder Heckenschneiden in Kommunen. Dennoch wird diese Möglichkeit bisher wenig genutzt.

Bayerns Innenminister Herrmann: "Kein Schlaraffenland"

Im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers bekräftigt Innenminister Joachim Herrmann seine Forderung an Bayerns Landkreise und Kommunen, die Arbeitspflicht für Asylbewerber auch tatsächlich durchzusetzen. Sie diene dazu, die Menschen besser zu integrieren. Außerdem ist es aus Herrmanns Sicht eine Botschaft für Neuankömmlinge im Land:

"Es ist einfach wichtig, Menschen, die neu in unser Land kommen, deutlich zu machen: Wir leben hier nicht in einem Schlaraffenland, sondern es ist wichtig, dass hier jeder auch mitanpackt." Joachim Herrmann, CSU, Bayerischer Innenminister

Im Video: Kontrovers-Interview mit Joachim Herrmann

Innenminister Herrmann betont im Kontrovers-Interview, wie wichtig es sei, alle, die Zuflucht in Deutschland suchen, dazu anzuhalten, hier mitzuarbeiten.
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Innenminister Herrmann betont im Interview, wie wichtig es sei, alle, die Zuflucht in Deutschland suchen, dazu anzuhalten, hier mitzuarbeiten.

Landkreis Fürstenfeldbruck befürchtet hohen Verwaltungsaufwand

Warum wenden nicht längst alle Landkreise und Kommunen in Bayern das über 30 Jahre alte Gesetz an und bringen die Asylbewerber in Arbeit? Thomas Karmasin, Landrat in Fürstenfeldbruck, scheut die immens hohen Personalkosten, die aus seiner Sicht mit Verpflichtung statt Freiwilligkeit einhergehen würden. Er rechnet vor, dass er für drei verpflichtete Asylbewerber einen Verwaltungsmitarbeiter bräuchte: "Sie können ja nicht einfach jemandem einen Besen in die Hand drücken und den losschicken. Er muss eingewiesen werden, dann muss man schauen, dass alles sicher und mit dem Arbeitsschutz im Einklang ist. Das ist dann wieder mehr Aufwand." Aus Sicht von Karmasin würde allein die Bürokratie die Verwaltung im Landkreis überlasten.

Digitalisierung als Schlüssel für mehr Kapazitäten

Innenminister Herrmann sagt dazu im Kontrovers-Interview, er verstehe, dass es mit zusätzlichem Aufwand verbunden sei. Dennoch sei es richtig und wichtig. Es verbessere auch die Akzeptanz in der einheimischen Bevölkerung, wenn Geflüchtete etwas tun, während sie auf die Ergebnisse der Asylverfahren warten. So sieht das auch Traunsteins Landrat Siegfried Walch. In Traunstein wird die Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit seit 2015 angewendet - mit Sanktionen, wenn nötig. Der Clou in Traunstein: Die Verwaltung ist vor Jahren umstrukturiert worden.

"Wir sind vollständig digitalisiert seit 2018, dementsprechend funktionieren Prozesse bei uns schneller", so Landrat Walch. "Ich glaube nicht mehr an diese Idee, dass man über mehr Personal das abdecken kann, was an Mehraufwand entsteht. Das muss über Prozessverschlankung und Digitalisierung passieren und genau das ist unser Ansatz", erklärt Walch weiter. Der Landrat will die verpflichtende gemeinnützige Arbeit langfristig sogar über eine App steuern. "Wir brauchen auf jeden Fall nicht mehr Geld und auch nicht mehr Personal, um das so zu organisieren, sondern es ist unsere Aufgabe als Behörde, das so effizient wie möglich zu strukturieren."

Statt gemeinnütziger Arbeit: Schneller Zugang zum Arbeitsmarkt

Manche Traunsteiner, wie Bäckermeister Nikolaus Schneider, wünschen sich, die Politik würde noch viel weiter gehen und Geflüchteten einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Aktuell dürfen sie mindestens die ersten drei Monate nach Ankunft in Deutschland keiner regulären Arbeit nachgehen. Dabei werden Arbeitskräfte händeringend gesucht – zum Beispiel in der Bäckerei von Nikolaus Schneider. Er sucht seit Monaten einen Betriebshelfer oder Azubi. Vergeblich. Dabei hätte er genügend Arbeit. Und er ist überzeugt: Die wichtigsten Handgriffe, sogar rechnen, lesen und schreiben könnten die Flüchtlinge parallel zur Arbeit lernen. Das sei in seiner Bäckerei mit einem Geflüchteten aus Afghanistan schon einmal gelungen.

Bleibt jedoch ein großes Problem: Was, wenn der Asylantrag des gerade Angelernten nach einigen Monaten doch abgelehnt wird? Aus diesem Grund lehnt Innenminister Herrmann eine frühe Integration in den regulären Arbeitsmarkt ab. Die Lösung dieses Problems sei, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen, so Herrmann. Die Schuld für die lange dauernden Asylverfahren sieht Bayerns Innenminister bei der Ampelkoalition, die es versäumt habe, genügend Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu schaffen. Ein Vorwurf, den sich aber auch die Union gefallen lassen muss: Denn auch in ihrer Regierungszeit dauerten Asylverfahren mehrere Monate oder zum Teil Jahre.

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