Bayerns Ministerpräsident Söder (hinten rechts) beim Besuch eines CTT-Teams für die Corona-Kontaktnachverfolgung im Oktober 2020 in München.
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Bayerns Ministerpräsident Söder (hinten rechts) beim Besuch eines CTT-Teams für die Corona-Kontaktnachverfolgung im Oktober 2020 in München.

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Vierte Corona-Welle: Wie fit sind Bayerns Gesundheitsämter?

Die Corona-Zahlen steigen - und mit ihnen erneut die Belastung der Gesundheitsämter? Bayerns Gesundheitsministerium verweist auf viele kurzfristig verfügbare Extra-Mitarbeiter. Für die Opposition liegt dennoch weiter einiges im Argen.

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Fast 60 Prozent der bayerischen Bevölkerung ist vollständig gegen Corona geimpft, viele andere könnten das bereits sein. Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich die vierte Corona-Welle, die laut Robert Koch-Institut bereits läuft und sich in zuletzt gestiegenen Infektionszahlen zeigt, von den Wellen davor. Eine Herausforderung für die Gesundheitsämter aber bleibt: Sie sollen auch im nahenden Herbst die Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten sicherstellen und die richtigen Leute in Quarantäne schicken.

Gesundheitsamt: Sorge um Personalknappheit

Anfangs teils mit Fax und Stift, viele Überstunden, mancherorts zu wenig Personal: Längst nicht alles lief in Bayerns Gesundheitsämtern seit Beginn der Corona-Pandemie vor eineinhalb Jahren zufriedenstellend. Mühsam sei bei den vergangenen Wellen auch die ständige Einarbeitung der Hilfskräfte gewesen, betonten Mitarbeiter des Gesundheitsamts immer wieder. Denn diese Hilfskräfte, beispielsweise von Polizei, Bundeswehr oder Zoll, konnten oft nur wenige Wochen mithelfen, ehe sie wieder an ihren eigentlichen Arbeitsplatz zurückkehrten.

Sollte die vierte Corona-Welle "so heftig ausfallen wie die zweite und die dritte Welle, hätten wir im Moment zu wenig Personal", teilt das Gesundheitsamt Roth auf BR-Anfrage mit. Zwar würde man gerade neue Mitarbeiter einlernen, dennoch hoffe man bei steigender Inzidenz wieder auf die Unterstützung der Hilfskräfte. Das Gesundheitsamt in Lindau am Bodensee erklärt dagegen, dass es beim Personal gut aufgestellt sei. Um eine vierte Welle auffangen zu können, sei man gerade dabei, "personell aufzustocken."

Die allermeisten anderen der 76 bayerischen Gesundheitsämter reagieren nicht auf die entsprechende BR-Nachfrage. Stattdessen antwortet das Gesundheitsministerium. Zentraler Satz der ausführlichen schriftlichen Antwort: "Die Personalausstattung für die Kontaktpersonennachverfolgung in einer vierten Welle wird als ausreichend angesehen."

Ministerium verweist auf bis zu 3.600 Unterstützungskräfte

Das Ministerium sieht die Ämter also gut aufgestellt. Von einem "guten Stamm" spricht Minister Klaus Holetschek (CSU). Um eine aufwendige Einarbeitung zu verhindern, gebe es "Bestrebungen, beim Unterstützungspersonal auf bereits geschulte bzw. im Einsatz gewesene Kräfte zurückzugreifen", teilt eine Ministeriumssprecherin auf BR-Anfrage mit. Kurzfristig könnten bis zu 2.000 Unterstützungskräfte für die Kontaktpersonennachverfolgung zum Einsatz gebracht werden. Außerdem stünden weitere 1.600 Mitarbeiter aus der Staatsverwaltung als Reservekräfte zur Verfügung.

Kämen sie alle zum Einsatz, würde das eine Verdoppelung der derzeitigen Personalzahl für die Nachverfolgung bedeuten. Mitte August arbeiteten laut Ministerium gut 3.300 Mitarbeiter in sogenannten Contact-Tracing-Teams (CTT), die sich um die Nachverfolgung kümmern. Allerdings waren die Infektionszahlen zu diesem Zeitpunkt im Freistaat noch vergleichsweise gering. Deshalb wurde in den vergangenen Monaten sukzessive das Personal für die Nachverfolgung reduziert - noch Mitte Mai waren fast 5.600 Mitarbeiter dafür im Einsatz.

FDP: Hilfskräfte warten nicht auf einen Anruf

Die FDP im Bayerischen Landtag befürchtet, dass die Ämter auch in der vierten Welle wieder viel Zeit vergeuden könnten, weil sie neue Hilfskräfte erst einlernen müssen: "Ich glaube nicht, dass die Hilfskräfte von damals da sitzen und auf den Anruf der Gesundheitsämter warten", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Landtags-FDP, Dominik Spitzer. Viele hätten sich in der Zwischenzeit weitergebildet oder würden in anderen Positionen arbeiten, erläutert Spitzer seine Kritik.

Sorgen macht er sich auch darüber, dass es künftig schwieriger werden könnte, Kontakte lückenlos nachzuvollziehen. Laut dem FDP-Abgeordneten stecken sich aktuell mehr junge Leute an, diese seien viel mobiler und hätten viel mehr Kontakte als die Älteren. "Junge Leute sind nicht nur lokal unterwegs, sondern auch überregional und reisen viel", sagt Spitzer. Die Ämter bräuchten hier dringend eine gute Kommunikation untereinander, beispielsweise in Form von einheitlichen Programmen zur Kontaktnachverfolgung.

Software Sormas: Auch Holetschek klingt genervt

Doch wie mehrere BR-Recherche gezeigt haben, ist diese einheitliche Software weiterhin nicht gewährleistet. Nur die Hälfte der bayerischen Gesundheitsämter nutzt derzeit die vom Bund zur Verfügung gestellte Software Sormas für die Kontaktnachverfolgung. Grund dafür sind immer noch fehlende Schnittstellen. Tatsächlich arbeitet man etwa am Gesundheitsamt Roth überwiegend mit einem eigenen Programm: "Wir benutzen parallel Sormas. Dieses Programm hat aber keine Vorteile und verursacht nur zusätzliche Arbeit ohne zusätzlichen Nutzen."

Eigentlich sollen längst alle Gesundheitsämter mit Sormas arbeiten - und zwar bundesweit. Bisher wird das Programm in Bayern aber nur von etwas mehr als der Hälfte der Ämter genutzt. Noch immer ist die Technik nicht ausgereift genug, was auch Minister Holetschek nicht gefällt. Seit Monaten verweist er auf den Bund, der für das Bereitstellen der bisher fehlenden Schnittstellen zuständig ist. "Das läuft halt leider nicht immer alles so geschmeidig, wie wir uns das vorstellen", sagt Holetschek. "Wir müssen auch aus dieser Pandemie lernen, dass die Digitalisierung gut und richtig ist – dass wir aber da noch besser werden können."

Schulze: CSU redet sich wegen Sormas raus

Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze lässt das so nicht gelten. "Soweit ich informiert bin, ist die CSU noch immer in der Bundesregierung", sagt sie auf BR-Anfrage. Es sei lächerlich, wenn etwa Markus Söder als Parteichef sage, bei den Schnittstellen für Sormas könne er gar nichts machen. Schulzes grundsätzliche Kritik an der Ausstattung der Gesundheitsämter: "Seit Jahrzehnten wurde der öffentliche Gesundheitsdienst von der bayerischen Staatsregierung ausgeblutet. Und auch in der Corona-Pandemie wurde in meinen Augen nicht nachhaltig aufgebaut."

"Sormas muss besser sein als das bestehende System - und wenn das nicht funktioniert, wird das Programm auch nicht akzeptiert", kritisiert auch der FDP-Abgeordnete Spitzer. Nicht überall stößt Sormas allerdings auf Ablehnung: Am Gesundheitsamt in Lindau arbeitet man nach eigenen Angaben "sehr intensiv und gerne mit Sormas" und sei hier in "ständigem Austausch mit dem Support".

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