Der Schlachthof in Aschaffenburg
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Sind am Schlachthof in Aschaffenburg schwerwiegende Tierschutzverstöße vorgefallen? Die Kontrollbehörde hat den Betrieb vorerst geschlossen.

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Verdacht auf Tierquälerei: Schlachthof Aschaffenburg untersucht

Zuerst hat die Kontrollbehörde den Aschaffenburger Schlachthof geschlossen, nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Am Freitag wurde der Betrieb untersucht. Tierschützer kritisieren, dass es dort schon einmal zu "strafbarer Tierquälerei" gekommen sei.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Am Donnerstag hatte die Kontrollbehörde den Schlachthof in Aschaffenburg vorerst dichtgemacht. Am darauffolgenden Tag wurde das Gelände durchsucht. Während die Tierschutzorganisation "Soko Tierschutz" weitere Details zu den Vorwürfen bekannt gibt, hat die SPD-Stadtratsfraktion einen Eilantrag gestellt: Dem Betreiber solle fristlos und mit sofortiger Wirkung gekündigt werden. 2015 war der Schlachthof – noch unter anderer Geschäftsführung – schon einmal wegen ähnlicher Vorwürfe in die Schlagzeilen geraten.

Videoaufnahmen: lebendigen Schweinen Augen ausgerissen

Die Soko Tierschutz hatte den Stein wohl ins Rollen gebracht: Auf Facebook schreibt die Tierschutzorganisation, sie habe "entsetzliche Tierquälerei" im Aschaffenburger Schlachthof aufgedeckt. Am vergangenen Freitag habe der Verein dort Videoaufnahmen gemacht und diese am Montag an die zuständige Kontrollbehörde übergeben.

In einem Facebook-Post von Donnerstag beschreibt die Soko Tierschutz, was auf den Aufnahmen zu sehen sein soll: Die Tiere seien "regelrecht geschächtet, also bei Bewusstsein geschlachtet" worden, "weil man nicht betäuben konnte oder wollte", heißt es. "Schweine-Augen wurden noch lebenden Tieren ausgerissen. Folter mit Elektroschockern, bis zu 40 mal hintereinander", schreiben die Tierschützer.

Durchsuchung des Schlachthofs wegen Tierquälerei

Neben der Bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) kennt mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft das Videomaterial. Noch laufe die Auswertung des umfangreichen Materials, teilen beide auf BR24-Anfrage mit.

"Konkrete Anhaltspunkte für teils schwerwiegende Tierschutzverstöße im Schlachtprozess" haben die Aufnahmen aber bereits bei der ersten Sichtung geliefert, so die KBLV. Die Behörde hat den Schlachthof deshalb in der Nacht zum Mittwoch unangemeldet kontrolliert und am Donnerstag vorerst geschlossen. Aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts auf strafbewehrte Tierschutzverstöße habe die KBLV auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Diese teilt am Freitag auf BR24-Anfrage mit, dass sie wegen Straftaten der quälerischen Tiermisshandlung ermittle. Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Aschaffenburg habe für das Gelände des Schlachthofs einen Durchsuchungsbeschluss erlassen, der "am heutigen Freitagmorgen vollzogen" wurde, so der Sprecher. Das hierbei sichergestellte Beweismaterial müsse nun ausgewertet werden.

Schlachthof schon einmal wegen Tiermisshandlung aufgefallen

Die vorübergehende Schließung des Schlachthofs sieht die Soko Tierschutz als Erfolg, beklagt aber zugleich: "Man hätte es wissen können." Denn: Die Tierschutzorganisation sei bereits vor zehn Jahren undercover in dem Schlachthof gewesen und habe "strafbare Tierquälerei" aufgedeckt. "Damals geschah nichts. Die Quittung zahlen die Tiere heute", bemängeln die Tierschützer.

Gemeint sind wohl die 2015 bekannt gewordenen Aufnahmen aus dem Schlachthof. Im März 2015 hatte das ARD-Magazin "Fakt" über die verdeckte Mitarbeit eines Soko-Tierschutz-Mitarbeiters im Aschaffenburger Schlachthof berichtet, der gefilmt hatte, wie Schweine – darunter auch ein verletztes Tier – mit Elektroschockern vorangetrieben wurden. Laut der damaligen Geschäftsleitung des Schlachthofs stammten die Aufnahmen aus dem Jahr 2013.

2015 Strafbefehl und Geldstrafe gegen Schlachthof-Mitarbeiter

Auf BR24-Nachfrage bestätigt die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg am Freitag, dass im Jahr 2015 ein Strafverfahren gegen einen Mitarbeiter des Schlachthofs Aschaffenburg geführt worden sei. Das Amtsgericht Aschaffenburg habe einen Strafbefehl wegen Tiermisshandlung gegen ihn erlassen und eine Geldstrafe verhängt.

Der Rechtsanwalt des Schlachthofs hatte dem BR damals mitgeteilt, nachdem die Aufnahmen bereits zwei Jahre alt seien, könne der Schlachthof "die Personen, die sich sehr grenzwertig und entgegen der Angaben der Geschäftsführung verhalten haben, nicht mehr zur Konsequenz ziehen, da sie nicht mehr hier gearbeitet haben." Es solle aber weitere Schulungen für die Mitarbeitenden geben und es solle eine weitere Videoanlage auf dem Weg von den Boxen zum Schlachtplatz eingebaut werden, damit sich solche Vorfälle nicht wiederholen könnten. Eine Anfrage an den Schlachthof, ob dies tatsächlich umgesetzt wurde, ist noch unbeantwortet. Die Geschäftsführung des Schlachthofs hat seitdem gewechselt.

Die KBLV teilt auf BR24-Nachfrage mit, dass sie zum Zeitpunkt der Vorfälle noch nicht zuständig gewesen sei. Die Behörde habe ihre Kontrolltätigkeit erst drei Jahre später aufgenommen, da sie erst zu diesem Zeitpunkt die Zuständigkeit der Stadt Aschaffenburg für den Betrieb überwiegend übernommen habe, so ein Behördensprecher am Freitag. Seit 2018 habe die KBLV den Betrieb dann regelmäßig unangekündigt kontrolliert. Eine Sprecherin der Stadt Aschaffenburg schreibt dem BR, die Stadt müsse zunächst die Aktenlage sichten, bevor sie sich zu den Vorfällen von 2015 äußern könne.

Aschaffenburger SPD: Betreiber sofort kündigen

Die SPD-Stadtratsfraktion hat indes am Freitag einen Eilantrag in der Stadtverwaltung gestellt. Dem Betreiber solle sofort und fristlos gekündigt werden. Gründe dafür seien die "eklatanten und nicht zu akzeptierenden Verstöße gegen das Tierwohl" und eine "mangelnde Zuverlässigkeit des Betreibers", heißt es in der Pressemitteilung. Der Sachverhalt solle "nächstmöglich" im Stadtrat behandelt werden und "so für die Transparenz sorgen, welche bei solchen massiven Verstößen unbedingt geboten ist", heißt es weiter. Zahlreiche regionale Metzgereien bezögen ihr Fleisch vom Schlachthof.

Auch der Bayerische Bauernverband zeigt sich erschüttert. Demnach sei jeder Verstoß gegen den Tierschutz inakzeptabel und stelle eine Verletzung der moralischen und ethischen Verpflichtung gegenüber den anvertrauten Tieren dar. "Als Landwirt, der mit aufrichtiger Liebe und unerschütterlicher Verantwortung Nutztiere großzieht", sei Stefan Köhler, Präsident des Bauernverbands Unterfranken, "zutiefst erschüttert" über die Vorfälle am Schlachthof. Die vorübergehende Schließung sei zweifellos ein notwendiger Schritt, habe aber auch Auswirkungen auf die regionale Landwirtschaft. "Viele von uns Landwirten hatten langjährige, vertrauensvolle Direktgeschäfte mit Metzgern, die jetzt durch diese Schließung beeinträchtigt werden", so Köhler.

Schlachthof am Dienstag Thema in ARD-Sendung

Das ARD-Magazin "Fakt" wird in der Sendung am Dienstag, 25. Juli, ab 21:45 Uhr über den Schlachthof berichten. Dem Magazin liegen laut einem Artikel auf der Webseite der Tagesschau Videos vor, die den Schluss zulassen, dass Tiere mutmaßlich ohne ordentliche Betäubung geschlachtet wurden.

Weiter heißt es dort, das Schlachthofpersonal sei offenbar vor Kontrollen gewarnt worden, die durch die Landesbehörde durchgeführt werden sollten. Der Redaktion von "Fakt" lägen Kopien einer WhatsApp-Gruppe aus dem Schlachthof vor, die dies nahelegten. Der KBLV schreibt dem BR hierzu, die Betriebe würden grundsätzlich "unangekündigt und objektiv" kontrolliert. Und: "KBLV-Mitarbeiter geben keine Informationen über anstehende Kontrollen an Betriebe weiter, da dies den Kontrollzweck gefährden würde", so der Behördensprecher.

Der Schlachthof hat sich auf BR-Anfrage bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Auf seiner Webseite schreibt der Betrieb von einer "tierschutzgerechten Schlachtung" und betont: Ein "schonendster Umgang mit den Tieren" sei "kein Muss, sondern eine Selbstverständlichkeit".

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