50 Hühner pro Stunde können in dem mobilen Schlachtmobil direkt auf dem Bauernhof geschlachtet werden.
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50 Hühner pro Stunde können in dem mobilen Schlachtmobil direkt auf dem Bauernhof geschlachtet werden.

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Mehr Tierwohl, aber teurer: Mobiles Schlachten auf Bauernhöfen

Nicht das Tier soll zum Schlachthof, sondern der Schlachthof zum Tier kommen: Landwirtschaftsminister Özdemir will das mobile Schlachten auf Bauernhöfen ausbauen. Ein Betrieb aus dem Landkreis Donau-Ries zeigt, wie das funktionieren kann.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Einen Strom- und Wasseranschluss und etwas Platz für den in etwa wohnwagengroßen Anhänger – mehr brauchen Florian Michel und Christoph Stowasser nicht, um mit dem Schlachten zu beginnen. Die beiden haben in Rehau im Landkreis Donau-Ries ein kleines Unternehmen mit dem passenden Namen "Raus aus den Federn" gegründet. Mit einem Schlachtmobil für Geflügel bieten sie mobile Schlachtung direkt auf dem Bauernhof an.

Özdemir will den Tierschutz verbessern

Die beiden Firmengründer machen seit eineinhalb Jahren genau das, was Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) jetzt ausbauen möchte: die mobile Schlachtung von Tieren direkt auf den Bauernhöfen statt des stationären Schlachthofes. Wie viel schon jetzt mobil geschlachtet wird, dazu liegen dem Bundeslandwirtschaftsministerium auf BR24-Anfrage keine Zahlen vor. Özdemir hatte den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt, mit dem mobilen Schlachten "sollen lange Transportwege zu den Schlachthöfen verringert und der Tierschutz verbessert werden."

Weil die Zahl der Schlachthöfe sinke, müssten Tiere mitunter länger transportiert werden, so Özdemir. Für kleinere Höfe lohne sich das nicht mehr und das führe schlimmstenfalls dazu, dass die Tierhaltung oder der gesamte Betrieb aufgegeben würden, sagte der Landwirtschaftsminister. Konkret suche sein Ministerium neue Ideen oder Methoden für mobile Schlachtmöglichkeiten. Kleinere Unternehmen oder Start-Ups sollen dafür vom Bundeslandwirtschaftsministerium finanziell gefördert werden.

Geflügelschlachtung auf wenigen Quadratmetern

Das mobile Schlachten bei "Raus aus den Federn" läuft in etwa so ab wie in einem Schlachthof – allerdings auf nur wenigen Quadratmetern. Der Anhänger ist in den Schwarz- und Weißbereich aufgeteilt. Im Schwarzbereich betäubt Florian Michel die Legehenne mit einem Stromschlag, hängt sie kopfüber auf und schneidet ihr die Halsschlagader auf. Dadurch blutet das Tier aus und stirbt. Danach wird es bei 63 Grad in einem Kessel kurz gebrüht, damit sich die Federn in der Rupfmaschine lösen. Von dort geht es über eine Durchreiche in den Weißbereich des Anhängers. Dort nimmt Christoph Stowasser die geschlachteten Hühner aus und spült die Schlachtkörper mit klarem Wasser ab.

Mobile Geflügelschlachtung ist aber nur etwas für sehr kleine Betriebe, wie sich in der Praxis zeigt. Denn mit dem Schlachtmobil lassen sich pro Stunde maximal 50 Tiere schlachten, neben Hühnern beispielsweise auch Gänse oder Enten. In mittleren und großen Schlachthöfen läuft die Geflügelschlachtung halbautomatisch im Sekundentakt.

Mobiles Schlachten: Maximal 10.000 Hähnchen pro Hof und Jahr

Bei der mobilen Schlachtung gelten dieselben strengen Hygieneregeln wie in Schlachthöfen, aber ansonsten gibt es weniger Vorschriften, heißt es beim Veterinäramt des Landkreises Donau-Ries. Dadurch will man das Schlachten kleinerer Stückzahlen erleichtern. Dafür ist die mobile Schlachtung aber auch begrenzt, auf 10.000 Stück Geflügel pro Hof und Jahr. Für die meisten Geflügelmäster heutzutage ist das mobile Schlachten deshalb keine Option. Sie halten meist mehrere Zehntausend Masthähnchen.

Auch für die meisten Schweine- und Rinderhalter dürfte das mobile Schlachten keine Alternative sein. Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) BR24 mitteilt, dürfen nach aktuellen EU-Regeln pro Schlachtvorgang höchstens drei Rinder oder sechs Schweine auf einem Bauernhof geschlachtet werden. Das BMEL werde sich gegebenenfalls auf EU-Ebene dafür einsetzen, die Regelungen weiter zu flexibilisieren.

Mobiles Schlachten ist teurer

Dazu kommt: Schlachten auf dem Bauernhof ist teurer als im Schlachthof. Bei "Raus aus den Federn" kostet es drei Euro pro Tier plus Steuern und Anfahrt. Dafür sparen kleine Betriebe eigene Fahrtkosten und Zeit: Bei geringer Stückzahl müssen die Geflügelhalter ihre Tiere normalerweise selbst zum Schlachthof fahren und dann ein zweites Mal mit Kühlanhänger hin, um die Schlachtkörper wieder abzuholen.

Zu den Kunden des Schlachtmobils zählen deshalb zum Beispiel die Besitzer von mobilen Hühnerställen. Sie halten die Hühner oft im Nebenerwerb und verkaufen die Eier und Suppenhühner meistens direkt an ihre Kunden. So wie Moritz Kosteletzky aus Donaualtheim im Landkreis Dillingen. Der 21-Jährige war anfangs einer der ersten Auftraggeber für das Schlachtmobil. Beim ersten Mal ließ er 100 seiner Masthähnchen mobil schlachten. "Ich bekomme sie als Eintagsküken, die werden also sozusagen auf meinem Hof geboren und sterben hier wieder – also mehr Tierwohl geht für mich nicht", sagt Kosteletzky.

Mobiles Schlachten tiergerecht und bezahlbar machen

Nicht nur Geflügel wird in Bayern schon mobil geschlachtet. Dabei handelt es sich aber meist um einzelne Beispiele. So wie der Schlachtanhänger für Freilandschweine eines Unternehmers aus dem niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn. Dort konnte 2019 in einer Untersuchung der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gezeigt werden, dass die Stresswerte der Schweine kurz vor der Schlachtung genauso niedrig sind wie im Ruhezustand auf der Weide.

Wirtschaftlich war die Schlachtung der Schweine auf der Weide für den Unternehmer damals aber noch nicht. Auch weil die Tiere in dem Anhänger auf der Weide nur getötet wurden – die Zerlegung findet in extra gebauten Räumlichkeiten auf dem Hof statt. Aber vielleicht tragen die Pläne von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir dazu bei, Geschäftsideen zu finden, die genau das schaffen: mobiles Schlachten tiergerecht und bezahlbar zu machen.

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