Der Landwirt Wilhelm Müller steht in seinem Schweinestall.
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Landwirt Wilhelm Müller in seinem Schweinestall.

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Illegales Eindringen in Ställe – Wieweit darf Tierschutz gehen?

Um Missstände aufzudecken, dringen Tierschützer immer wieder in Ställe ein. Dann geben sie die Videos an Behörden und Medien. Doch was, wenn es gar keine Missstände gibt? Ein Landwirt, in dessen Stall eingedrungen wurde, schildert seine Erlebnisse.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Sie kamen in der Nacht, durch ein wenig genutztes Tor an der Rückseite der Futterkammer. Zunächst sei ihm der Einbruch gar nicht aufgefallen, erzählt Wilhelm Müller, Schweinehalter aus Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck. Doch dann entdeckte er eine zweite Tür, am anderen Ende des langen Stallgebäudes, die offenstand und nur von innen geöffnet werden kann. "Zunächst will man es nicht wahrhaben", sagt Müller. Man lebe ja in dem Glauben, dass auf dem eigenen Betrieb alles in Ordnung sei. "Wer hat da Interesse, dass er da einbricht?"

Massiver Eingriff in das Sicherheitsgefühl der Landwirtsfamilie

Vier Jahre liegt das Eindringen in den Schweinemaststall von Familie Müller zurück. In der Serie Hofgeflüster des BR-Landwirtschaftsmagazins Unser Land spricht Wilhelm Müller jetzt erstmals öffentlich darüber. Er glaubt, dass Tierschützer in seinem Stall nach dem Rechten sehen wollten, um gegebenenfalls Missstände aufzudecken. Bewiesen ist das nicht. Familie Müller hat damals direkt die Polizei verständigt, es wurden aber keine Ermittlungen eingeleitet, da keine Sachbeschädigung vorlag. Wer wirklich damals im Stall war, ist bis heute nicht geklärt.

Im Video: Unser Land - Stalleinbrüche von Tierschützern

In der Serie "Hofgeflüster" besucht "Unser Land"-Reporterin Stefanie Heiß Höfe in Bayern. Hier geht es in mehreren Folgen um Themen, über die sonst nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Alle Videos der "Hofgeflüster“-Serie gibt es hier.

Dennoch ist Wilhelm Müller davon überzeugt, dass es Aktivisten waren. Die Sorge vor illegalem Eindringen treibt viele Landwirte um. Müller möchte dafür sensibilisieren, unter welchem Druck viele Tierhalter stehen und dass nachts in Ställe eindringen kein Kavaliersdelikt ist. "Das ist Hausfriedensbruch!" Das Sicherheitsgefühl der ganzen Familie auf dem Hof sei massiv beeinträchtigt gewesen, so Müller. "Dazu die Angst, dass irgendwann Bilder auftauchen in Verbindung mit unserem Namen. Da hat die ganze Familie Angst davor."

Und das, obwohl die Müllers sicher sind, dass es den Tieren in ihrem Stall gut geht. Die 1.300 Mastschweine bekommen täglich frisches Stroh zum Spielen und haben in ihren Laufställen deutlich mehr Platz als gesetzlich vorschrieben: Der Mindeststandard liegt bei 0,75 Quadratmeter pro Tier. Hier sind es 1,1 Quadratmeter. Die Tiere können sich frei bewegen und stehen hier nicht dicht gedrängt. Dazu bestehen nur kleine Flächen in den Laufställen aus Spaltenböden.

Tierhalter fühlen sich an den Pranger gestellt

Warum sollten Tierschützer also ausgerechnet in seinen Stall einbrechen? "Ich glaube, dass die nicht unterscheiden, in welches Stallsystem sie einsteigen", erklärt Müller. Die Massentierhaltung stehe generell in der Kritik, deswegen würden pauschal immer wieder Leute in große Betriebe geschickt, um nach Missständen zu suchen.

Obwohl Wilhelm Müller von den Standards seines Stalls überzeugt ist, hält er es für möglich, dass Tierschützer in seinem Stall fündig werden könnten, denn: "Abends um 19 Uhr gehen wir das letzte Mal durch, dann erst wieder morgens um 7 Uhr. Wenn in der Zwischenzeit ein Tier verendet oder sich verletzt und das bei diesen Temperaturen, dann sieht das in der Früh nicht mehr schön aus." Natürlich würden beispielsweise tote Tiere sofort entnommen. Aber eine 24-stündige Überwachung sei nicht möglich. "Wir sind bemüht", sagt der Landwirt. "Das heißt nicht, dass wir einhundertprozentig sind. Aber das Bemühen ist wirklich groß, sonst würden wir es nicht schon so lange machen."

Tierschutzorganisationen: Missstände rechtfertigen Einbrüche

Manche Tierschutzorganisationen halten die Stalleinbrüche für eine gerechtfertigte Maßnahme, um Missstände aufzudecken. Die heimliche Aufzeichnung von Bild- und Tonmaterial in Ställen ist illegal. Das Eindringen in einen Stall ist juristisch gesehen aber kein Einbruch, sondern lediglich Hausfriedensbruch – also ein deutlich weniger schwerwiegendes Delikt. Immer wieder kommt es zu Gerichtsverhandlungen gegen Tierschützer, die illegale Aufnahmen gemacht haben. Bei einem wegweisenden Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Naumburg im Jahr 2018 wurden drei Tierschützer in dritter Instanz freigesprochen. Sie hatten sich Zutritt in einen Schweinemaststall verschafft und dort grausame Zustände gefilmt. Die aufgedeckten Missstände rechtfertigten nach Ansicht der Richter in diesem Fall die illegal zustande gekommenen Filmaufnahmen.

Trotz Kontrollen der Veterinärämter: Immer wieder schwarze Schafe

Egal ob Schweine- oder Hähnchenmastbetrieb, Milchbauer oder Putenhalter: Immer wieder machen Tierhalter Erfahrungen mit Tierschützern, die in ihre Ställe eindringen. Bei Weitem nicht immer führt das Eindringen auch zu einer Anzeige gegen den Tierhalter vonseiten der Aktivisten. Oder die Anzeige wird nach Überprüfung durch die zuständige Kontrollbehörde fallengelassen, weil die Vorwürfe sich nicht bestätigen. Doch es gibt auch die schwarzen Schafe unter den Tierhaltern, bei denen Tierschutzaktivisten schwere Verstöße gegen den Tierschutz dokumentieren, beispielsweise verwesende Tierkörper, die nicht entnommen wurden, Schweine mit blutigen Ohren, abgemagerte Hühner oder dreckige Ställe mit kranken Tieren, die nicht medizinisch behandelt werden. In solchen Fällen kommt häufig die Frage auf: Warum ist es durch die Kontrollen der zuständigen Veterinärämter nicht gelungen, die Missstände aufzudecken?

Landwirt kritisiert Eindringen in Ställe scharf

Dass viele Menschen deswegen sagen, gut, dass die Tierschützer nachgeschaut haben, stößt Wilhelm Müller sauer auf. Schwarze Schafe gebe es in jeder Branche, sagt er. Die Veterinärämter seien massiv dahinter. "Wenn sich dann Externe anmaßen, dass sie für Einhaltung der Tierhaltungsstandards verantwortlich sind und das den Fachleuten von den Veterinärämtern absprechen, widerstrebt mir das total." Wie trotz regelmäßiger Kontrollen der Veterinärämter Missstände übersehen werden können, kann Müller nicht erklären. Er hält die vorhandenen Kontrollen für ausreichend. Sein Betrieb wurde im vergangenen Jahr zwölfmal kontrolliert - angekündigt und unangekündigt. "Da kommt das Veterinäramt, da kommt Tierwohl, da kommt QS Kontrolle. Früher haben wir Angst gehabt vor jeder Kontrolle: Hoffentlich geht das gut. Mittlerweile sagen wir, wir tun das, was wir tun können und wenn was aufkommt beim Kontrolleur, dann werden wir schauen, wie wir damit umgehen."

Der Stalleinbruch bei den Müllers aus Maisach ist mittlerweile so weit in den Hintergrund gerückt, dass sie sich nicht mehr täglich Sorgen machen. Trotzdem geht Wilhelm Müller bis heute mit einem kritischen Blick durch den Stall. Er sucht nach Einbruchspuren und versteckten Kameras und hat selbst Kameras rund um den Stall aufgehängt, um potenzielle Eindringlinge bei der Tat zu ertappen. Müller hofft, dass er durch das Erzählen seiner Geschichte aufzeigen kann, welche dramatischen Folgen es für eine Tierhalterfamilie hat, wenn auf einem Hof "einfach mal nachgeschaut wird, ob alles in Ordnung ist." Und er hofft, dass seine Familie das nie wieder erleben muss.

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