Ködeltalsperre oder Trinkwassertalsperre Mauthaus mit Entnahmeturm
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Ködeltalsperre oder Trinkwassertalsperre Mauthaus mit Entnahmeturm

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Trinkwasserversorgung: Warum Talsperren das Problem nicht lösen

Schon seit Jahren bildet sich immer weniger neues Grundwasser. Die Trinkwasserversorgung wird deshalb in Bayern aufwendiger werden. Die Verteilungskämpfe haben schon begonnen. Könnten da langfristig neue Trinkwasserspeicher helfen?

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Schon wieder weniger Niederschläge, schon wieder neue Niedrigstwerte: im vergangenen Winter fiel weniger Niederschlag als im langjährigen Vergleich. Nach dem jüngsten Niedrigwasserbericht des Landesamts für Umwelt weisen über die Hälfte aller Grundwassermessstellen derzeit niedrige oder sehr niedrige Werte aus. Was steht Bayern also bevor und welche Möglichkeiten gibt es, um die Trinkwasserversorgung zu sichern?

Trinkwasserspeicher als Option im Klimawandel?

Derzeit ist in Bayern keine weitere Talsperre in Planung. Aber: Eine Expertenkommission im Auftrag der Staatsregierung kommt im Herbst 2021 zu dem Schluss: "mittelfristig könnte auch der Aus- und Neubau von Talsperren erforderlich werden" - allerdings nur "als Ultima Ratio". Professor Jörg Drewes war Sprecher der Expertenkommission; er leitet den Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft an der Technischen Universität München. Nach dem vergangenen Dürresommer stellen sich für ihn aber jetzt noch mehr Fragen: Wie planbar ist so ein Projekt, wenn in 30 Jahren Gletscher und Permafrost verschwunden sind, woher soll das Wasser dann kommen? Wo wird es ausreichend regnen, um so einen Speicher zu befüllen? Allein die Genehmigungsphase zöge sich über zehn Jahre. Auch der zu erwartende Widerstand in der Bevölkerung sei eine große Schwierigkeit, etwa wenn Siedlungen abgerissen werden müssten.

Streit um Trinkwasserschutz im LEP

Dass der Verteilungskampf ums Grundwasser schon voll im Gange ist, hat sich zuletzt im Streit um das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP) gezeigt. Dort werden Regelungen zu Wasserschutzgebieten, zum Tiefengrundwasser und die Zugriffsrechte auf Grundwasser generell zum Wohl der Gemeinschaft erneuert. Dann allerdings wollten CSU und Freie Wähler den eigentlich schon fertigen Entwurf ändern, was der Privatwirtschaft möglicherweise Zugriffsrechte auf das so wertvolle Tiefengrundwasser ermöglicht hätte. Vor dem Hintergrund, dass sich der Einzelhandelsriese Edeka gerade bei der Siegsdorfer Petrusquelle und Aldi Nord bei Altmühltaler bei Treuchtlingen eingekauft hat, ein Schreckensszenario - nicht nur für Kommunalverbände. Ministerpräsident Söder kassierte die Änderungen persönlich.

Zwei Talsperren in Bayern

In Bayern gibt es 25 staatliche Talsperren, aber nur zwei dienen explizit der Trinkwasserversorgung: die Talsperre Mauthaus (seit 1975) in Oberfranken und die Talsperre Frauenau (seit 1984) im Bayerischen Wald. Zusammen geben sie jährlich etwa 21 Millionen Kubikmeter Wasser ab und versorgen damit rein rechnerisch bis zu 600.000 Haushalte. 90 Prozent der Wasserversorgung laufen über kommunale Versorger und kleinere Fernwassernetze. Daneben gibt es in Bayern zwölf Großraum- und Fernwasserversorgungsunternehmen, von denen sechs Wasser vom Süden in den Norden Bayerns bringen.

Megaprojekt der 1970er Jahre: der Speicher Mauthaus

Für die Talsperre Mauthaus oder auch Ködeltalsperre wurden mehrere kleine Siedlungen abgerissen, 85 Hektar Wald gerodet, drei Stollen, der Entnahmeturm und natürlich der Damm gebaut. Kostenpunkt damals 48 Millionen Mark. Dreimal so viel kosteten dann noch der Bau des Leitungsnetzes, die notwendige Anlage zur Wasseraufbereitung und mehrere Pumpwerke: Das Oberflächenwasser aus dem Speicher muss erst gefiltert werden, um Trinkwasserqualität zu erreichen, erst danach wird es ins Fernleitungsnetz der Wasserversorger gepumpt. Dafür dient der Stausee auch als Hochwasserschutz, der Niedrigwasseraufhöhung und der Stromerzeugung.

Talsperren als Ergebnis von Verteilungskämpfen

Die Dimensionen derartiger Riesenprojekte lassen Hermann Hugel zu dem Schluss kommen: Talsperren sind nicht nötig. Trinkwasserversorgung müsse immer erst lokal organisiert werden, sagt Hugel als Geschäftsführer der Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung. Er hält die Trinkwasservorkommen in Bayern für ausreichend, weist aber auch darauf hin, wer außer den meist kommunalen Wasserwerken noch Anspruch aufs Grundwasser erhebt: Industrie, Landwirtschaft, Mineralwasserwirtschaft und nicht zuletzt teilweise auch die Feuerwehren - nicht alle brauchen dabei Trinkwasserqualität.

Fiasko für die Natur

Stauseen - egal zu welchem Zweck und in welcher Dimension – greifen massiv in das bestehende Ökosystem ein, sie definieren die komplette Landschaft neu: Was lebt und wächst, wird ziemlich auf den Kopf gestellt. Vor allem die langfristigen Folgen sind schwer zu kalkulieren: An der großen Dhünntalsperre in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat sich erst nach vielen Jahren gezeigt, dass der Fischbestand drastisch abgenommen hat. Besonders der Lachs: Der mag 16 Grad warmes Wasser. Aus dem Speicher wurde aber 8 Grad kaltes Wasser abgeleitet. Inzwischen wurde die Temperatur aufwendig korrigiert, der Fischbestand hat sich erholt.

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Naturschutzgebiet im Hafenlohrtal

Projekt Hafenlohrtal – letztes Relikt aus der Talsperrenära

Der Klimawandel und das weltweite Artensterben stellen Großprojekte heute mehr in Frage als noch in den 1970er Jahren, als in Bayern solche Megabauprojekte die Lösung aller Versorgungprobleme versprachen. Damals wollte die Staatsregierung im Hafenlohrtal im Spessart einen 15 Kilometer langen Stausee bauen. Die Begründung: Ein Drittel der unterfränkischen Wasserversorgung sei langfristig unsicher. Sebastian Schönauer war damals schon überzeugt, dieses Projekt sei überflüssig und zerstöre obendrein wertvolle Natur. Sein Kredo damals: Die Wasserwirtschaft muss ihre Probleme selbst lösen, lokale Brunnen sanieren, anstatt sich von Fernwasser abhängig zu machen. Jahrzehntelang kämpfte er als zweiter Bürgermeister von Rothenbuch mit anderen Umweltschützern und einigen Kommunen gegen das Megaprojekt, das erst nach 30 Jahren wirklich ad acta gelegt worden ist. Heute stehen große Teile des Tals unter Naturschutz, die Artenvielfalt ist beispiellos. Das Wasser ist zwar in Unterfranken immer noch knapp, aber das ursprüngliche Schreckensszenario vom überall fehlenden Wasser ist nicht eingetreten.

Kleinteilige Lösungen bringen mehr Resilienz

Die eine große Lösung gibt es nicht – so sieht es auch Professor Jörg Drewes von der TU München. Die Wasserversorger müssen vor allem vor Ort Vorsorge treffen: lokale Quellen stützen, Wasser vor Ort in Zisternen oder kleineren Rückhaltebecken sammeln, langsam vor Ort versickern lassen, damit sich mehr Grundwasser neu bilden kann. Der Vorteil: wenn alle Vorsorge treffen, fällt der Ausfall eines Systems nicht so sehr ins Gewicht.

Appell für mehr Sensibilität

Wasser ist keine Konstante mehr, sagt Wissenschaftler Jörg Drewes. Landwirtschaft, Industrie, Einzelverbraucher – alles müssten umsichtiger mit der Ressource Wasser umgehen und fragen: Für was muss es Trinkwasser sein, wo reicht Grauwasser oder wiederaufbereitetes Wasser? Im Gegensatz zur Energiewende lässt sich die Wasserwende nur durch Sparen und Verteilen erreichen. Eine alternative Quelle zu Regen und Schnee gibt es nicht.

Ausgetrockneter Boden mit Rissen, in der Mitte ein Baum ohne Grün
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Nano: Zunehmende Wasserknappheit

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