Putenhalter in Sorge: Weniger Tiere, weniger Absatz?
Bildrechte: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Für die Haltung von Puten gibt es noch keine gesetzlichen Mindeststandards. Das soll sich nun ändern.

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Streit um Putenhaltung: Mäster kritisieren Özdemirs Pläne

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir plant Mindeststandards für die Putenhaltung in Deutschland. Bei vielen Betrieben und dem bayerischen Landwirtschaftsministerium herrscht jetzt die Sorge vor einem Höfesterben und ausländischen Billigimporten.

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Zukunftsängste bei Putenmästern in Bayern. Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplante Haltungsverordnung sieht unter anderem vor, dass weniger Puten pro Quadratmeter gehalten werden dürfen. Allerdings gelten diese Standards dann nur in Deutschland. Putenmästerin Sabine Asum kritisiert den nationalen Alleingang. Es gehe nicht darum, dass Landwirte gegen Tierschutz sind, betont sie. Aber dann sollten diese Standards für alle gelten: "Sonst schießen wir uns europäisch aus dem Markt."

Freie Bahn für Billigimporte?

Familie Asum hält etwa 19.000 Mastputen in mehreren Ställen. Wenn die Verordnungen wie geplant kommen, müssten sie den Bestand um mindestens ein Drittel reduzieren. Ihre Kosten bleiben aber nahezu gleich. Damit die Asums ihren Betrieb halten können, wäre es nötig, dass die Preise für Putenfleisch steigen. Das sei für die meisten Verbraucher aber in der aktuellen Krisensituation nicht möglich, ist sich Sabine Asum sicher.

Auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) schlägt Alarm. Es sei in ihren Augen ein Irrglaube, dass man für Fleisch mehr verlangen könne, wenn man die Besatzstärke senkt. Kaniber glaubt, dass stattdessen einfach billigeres Fleisch aus dem Ausland in den Regalen landet.

Freiwillige Haltungsrichtlinien in Bayern

Zudem betont sie, dass es in Bayern bereits Haltungsrichtlinien gebe. 95 Prozent der Mastputen in Bayern werden nach den Standards der Initiative Tierwohl, kurz ITW, gehalten. Das Label regelt zum Beispiel, dass es für die Tiere Beschäftigungsmaterial im Stall geben muss und dass sie eine Einstreu haben. Die Betriebe werden unangemeldet kontrolliert. Auch Sabine Asum hält ihre Tiere nach ITW, sie laufen frei auf Stroh und haben Tageslicht.

ITW regelt auch, wie viele Tiere die Landwirtin halten darf, nämlich 48 Kilo pro Quadratmeter bei Putenhennen. Das neue Eckpunktepapier will 35 Kilo Lebendgewicht pro Quadratmeter vorschreiben. Im europäischen Ausland liegt der Wert deutlich höher. Polen war 2021 der zweitgrößte Erzeuger von Putenfleisch. Dort liegt die Besatzdichte bei 57 Kilo pro Quadratmeter. In Italien oder Frankreich gibt es dagegen keinerlei Regelungen. Kanibers These: "Wir schrauben die Standards in Deutschland immer weiter hoch und importieren Tierleid aus dem Ausland."

Minister Özdemir will mehr Tierwohl für Puten

Die intensive Putenhaltung wird kritisiert von Tierschützern. Für das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Cem Özdemir (Grüne) steht das Tierwohl an erster Stelle. Für die Tiere, für die es noch keine gesetzlichen Standards gebe, wolle man nun nach und nach die Lücken schließen, so die Staatssekretärin Ophelia Nick. Puten stünden schon lange auf der Liste. Wettbewerbsnachteile für die Putenbetriebe nach einem deutschen Alleingang kann sie aber nicht völlig ausschließen.

Ziel sei es deshalb, das Thema nicht nur national zu lösen, sondern auch europäisch. Man habe aber nun Jahrzehnte vergebens darauf gewartet, dass Europa etwas tut. Verbraucherinnen und Verbraucher wünschten sich mehr Tierschutz in den Ställen, und diesen Wunsch nehme das Ministerium ernst.

"Schreckensbeispiel" Österreich

Der Bauernverband hingegen fürchtet: Die Umsetzung dieser Vorschläge könnte dazu führen, dass viele der 900 Mastputenhalter in Deutschland das Handtuch werfen. Das vermutet auch Wolfgang Schleicher vom Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG).

Am Beispiel von Österreich habe man gesehen, wohin diese Standards führen. Dort sei vor einigen Jahren eine Besatzdichte von 40 Kilo eingeführt worden, und nun stammten nur mehr 30 Prozent des konsumierten Putenfleisches in Österreich aus heimischen Betrieben. Im Großhandel sogar nur etwa acht Prozent. Die Selbstversorgungsrate sei rapide gesunken und stattdessen werde günstig aus dem Ausland importiert.

Wolfgang Schleicher schlägt stattdessen eine Kennzeichnung von Herkunft und Haltung vor. Dann könne der Verbraucher entscheiden, wie wichtig ihm regionale Lebensmittel und Tierwohl wirklich sind, und ob er bereit ist, mehr Geld dafür auszugeben.

Geringere Nachfrage nach Tierwohl-Fleisch

Besonders Bio-Puten sind momentan noch eine absolute Nische. Laut Statistischem Bundesamt leben Puten, Enten und Gänse nur zu knapp zwei Prozent auf Bio-Betrieben. Ein Bio-Landwirt aus dem Landkreis Dachau erklärt, dass er für seine Haltungsform mindestens den doppelten Preis verlangen müsse. Die Nachfrage sei zwar da, aber überschaubar. Im vergangenen Jahr sei auch sein Umsatz eingebrochen.

Viele der Bio-Puten Betriebe vermarkten ihr Fleisch direkt, damit sich die Arbeit rechnet. Georg Kirchmaier von der Süddeutschen Truthahn AG bezweifelt, dass die Nachfrage am Markt groß genug wäre, damit alle Betriebe umstellen.

Er selbst hält seine Puten mit Haltungsform 3 mit mehr Platz und Außenklima, also ähnlich, wie sich Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir die gesetzlichen Regelungen für alle Betriebe vorstellt. Das werde ihm vom Handel aber auch vergütet. Allerdings halte sich auch hier die Nachfrage im Rahmen und der Mehraufwand lohne sich nur, wenn das Fleisch teurer verkauft wird.

Die Putenerzeuger-Verbände haben einen Gegenvorschlag eingereicht und hoffen nun auf gemeinsame Gespräche.

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