Kühe haben es gerne bequem und stellen gewisse Anforderungen an ihren Stall.
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Im Stall sollte es pro Kuh eine Box zum Hinlegen geben - die gesetzlichen Regelungen sind aber ungenau.

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Wie viel Platz im Stall braucht eine Kuh?

Zu viele Kühe auf zu wenig Platz: Im Allgäuer Tierschutzskandal war das auf mehreren Höfen eines der Probleme. Doch wie viel Platz eine Kuh im Stall braucht, ist gesetzlich nicht geregelt. Kontrolleure müssen sich im Alltag mit Alternativen behelfen.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Wer die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) durchblättert, kann es Kapitel für Kapitel nachlesen. Im Kapitel "Hühner" zum Beispiel: Pro Quadratmeter Stallfläche dürfen höchstens neun Legehennen gehalten werden. Oder Mastschweine: Wiegt ein Schwein zwischen 50 und 110 Kilo braucht es mindestens 0,75 Quadratmeter Platz. Doch ein Kapitel für Kühe: Fehlanzeige. Während für manche Nutztierarten viele Details exakt festgelegt sind, gibt es für Kühe keinerlei Regelungen.

Allgäuer Tierschutzskandal: Kontrolleure bemängeln Platz im Stall

Trotzdem haben die Kontrolleure im Allgäuer Tierschutzskandal nicht nur kranke und unbehandelte Kühe bemängelt. Sie haben immer wieder auch sogenannte Überbelegungen dokumentiert, also zu viele Tiere im Stall. Zwar steht im Tierschutzschutzgesetz allgemein, dass Halter ihre Tiere "verhaltensgerecht unterbringen" müssen. Doch wie viel Platz eine Kuh dafür mindestens braucht, ist nicht geregelt. In der Praxis müssen sich die Amtsveterinäre bei ihren Kontrollen deshalb behelfen.

Zahl der Liegeplätze als Gradmesser

Wie der Kuhstall im besten Fall aussieht, kann man bei Elke und Martin Klink in Schmähingen im Landkreis Donau-Ries anschauen. Hier ist der Platz für die Kühe genau geregelt – über die Liegeplätze. Das sind mit einem Gitter abgetrennte Boxen, in denen sich die Kühe hinlegen können. Die Liegeplätze sind extrem wichtig. Denn zum Wiederkäuen ruhen Kühe bis zu 14 Stunden pro Tag. Bei der Familie Klink gibt es für jede Kuh deshalb einen Liegeplatz, in manchen Bereichen des Stalls sogar mehr Liegeplätze als Kühe. So muss eine Kuh, die sich hinlegen will, nie auf einen freien Platz warten.

Tierschutz-Label stellt eigene Regeln auf

Dass der Platz für die 140 Kühe der Klinks genau geregelt ist, liegt nicht an einer Verordnung, sondern an der Milch. Die wird für das Label des Deutschen Tierschutzbundes abgefüllt. Und der hat eigene Regeln aufgestellt. Eine davon ist das Kuh-Liegeplatzverhältnis von mindestens 1:1. Für die höheren Auflagen bekommen die Bauern etwas mehr Geld für die Milch: Drei Cent pro Liter.

Pro Kuh eine Liegebox gilt eigentlich für alle Bauern

Pro Kuh ein Liegeplatz, das sehe er bei seinen Kontrollen selten, sagt der für die Klinks zuständige Donau-Rieser Amtsveterinär Thomas Kellner. Und weil jeder Liegeplatz Geld kostet, kann man davon ausgehen, dass es in der Tendenz wohl seltener einen Liegeplatz-Überschuss als einen Liegeplatz-Mangel gibt.

Leitlinie aus Niedersachsen zur Orientierung

Der Amtsveterinär behilft sich darum im Alltag mit Dokumenten aus anderen Bundesländern und nennt eine Leitlinie vom Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen, eine Handreichung. Darin steht seit 15 Jahren: Pro Kuh ein Liegeplatz. Amtsveterinär Kellner erklärt: "Wir müssen nicht eine bayerische Leitlinie nehmen, wir dürfen eine Leitlinie aus einem anderen Bundesland zu Rate ziehen." So müssen es alle Kontrolleure in Bayern machen und sich an Leitlinien außerhalb des Freistaats orientieren.

Regeln auf Bundesebene sollen kommen – aber unklar wann

In Bayern gibt es für Milchkühe nämlich bislang keine eigene Leitlinie. Das bayerische Landwirtschaftsministerium verweist auf Europaratsempfehlungen aus dem Jahr 1988, in denen bereits die Rede von einem Kuh-Liegeplatzverhältnis von mindestens 1:1 sei. Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilt dem BR mit: Für Rinder fehlten bislang ein EU-Rechtsrahmen beziehungsweise nationale spezifische Anforderungen. Man strebe deshalb an, diese konkreten Anforderungen zu schaffen. Aber wann das passieren soll, ist noch unklar.

Amtsveterinär: Bayerische Leitlinie wäre besser zu vermitteln

Was heißt das für die Praxis? "Natürlich ist eine eigene Leitlinie immer besser. Das ist dann auch leichter zu vermitteln. Insofern ist eine bayerische Leitlinie immer etwas Gutes", sagt Amtsveterinär Thomas Kellner. Nachvollziehbar, dass ein bayerischer Landwirt erst einmal skeptisch schaut, wenn ihm der Kontrolleur eine Leitlinie aus Niedersachsen hinhält.

Überbelegung ist für kurze Zeit möglich

Sklavisch müssen sich die Bauern aber an das Kuh-Liegeplatzverhältnis von 1:1 im Alltag dann doch wieder nicht halten. Maximal zehn Prozent Überbesatz könne man dulden, so der Donau-Rieser Amtsveterinär Thomas Kellner. Aber das nur kurzfristig. Heißt, der Landwirt muss schon konkrete Pläne haben, wie er mehr Platz schafft oder andersherum Tiere abgibt. "Man muss natürlich auch schauen, wie die Tiere mit diesem zu kleinen Platzangebot zurechtkommen. Sind die zum Beispiel schmutzig, weil sie im Gang liegen müssen? Das muss man dann vom Einzelfall abhängig machen", sagt der Amtstierarzt.

Betrieb im Allgäu: Überbelegung von 15 Prozent

Im Allgäuer Tierschutzskandal war die Toleranzschwelle teilweise weit überschritten. Die Kontrolleure stellten zum Beispiel in einem Betrieb im Unterallgäu eine Überbelegung von 15 Prozent fest – und das, nachdem der Betrieb auf Druck der Behörden schon hunderte Tiere abgegeben hatte.

Entspannte Kühe geben mehr Milch

Im Vorzeigestall bei Elke und Martin Klink in Schmähingen schließt sich eine Überbelegung zwar schon wegen der strengeren Vorgaben durch das Tierschutz-Label aus – aber auch aus Eigeninteresse: Haben die Kühe genug Platz, liegen sie ausreichend lange in ihren Boxen. Im Liegen ist das Euter zu 30 Prozent besser durchblutet und erhöht damit die Milchleistung. Bäuerin Elke Klink sieht es deshalb pragmatisch: "Ich habe die Einstellung: Nur eine gesunde, fitte Kuh bringt uns dann auch dementsprechend einen Lohn und ein Gehalt."

Verbraucher kaufen weniger Tierschutz-Milch als produziert wird

Die Bäuerin hofft deshalb, dass noch mehr Verbraucher die Tierschutz-Milch kaufen. Denn in der Vergangenheit habe die Molkerei nicht die gesamte Tierschutz-Milch unter dem Label verkaufen können. Sie musste dann als "normale" Milch abgefüllt und billiger verkauft werden. Auf der Jahresabschlussrechnung sei deshalb rückwirkend wieder etwas von drei Cent Milchgeld-Aufschlag abgezogen worden, beklagt Martin Klink. Klar ist: Ausreichend Platz im Stall für die Kühe ist in der Landwirtschaft immer auch eine Kostenfrage.

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