Kühe in einem Anbindestall
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Kühe in einem Anbindestall

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Tierwohl-Kennzeichnung jetzt auch bei Milch

Bei Fleisch im Supermarkt oder Discounter gibt es sie schon seit 2013: Eine vierstufige Tierwohl-Kennzeichnung, die zeigt, wie Rinder, Schweine und Geflügel gehalten wurden. Das soll es bald auch für Milch geben. Doch was bedeutet das für Landwirte?

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Ähnlich wie bei der Tierwohl-Kennzeichnung bei Fleisch, soll es ab April auch eine Haltungskennzeichnung für Milch geben. Vorerst nur für Trinkmilch, die in den Verkaufsregalen des Lebensmitteleinzelhandels steht, nicht für Käse, Joghurt, Sahne oder Quark. Und die Kennzeichnung steht nur auf den Eigenmarken der Discounter und großen Einzelhändler, also bei Rewe, Edeka, Aldi und Lidl. Spannend für Landwirte wird aber, ob die Molkereien die Anforderungen auch für ihre eigenen Marken übernehmen werden.

Haltungsstufe 1 und 2 sind ein Auslaufmodell

Haltungsstufe 1 heißt im Stall: Die Kühe dürfen ganzjährig angebunden sein. Bewegungsmöglichkeiten sind zwar erwünscht, aber nicht verpflichtend. Manche Einzelhandelsketten haben allerdings schon angekündigt, Milch aus dieser Haltungsstufe bald nicht mehr abzunehmen.

Bei Haltungsstufe 2 müssen sich die Kühe zumindest zeitweise bewegen können. Im Sommer auf der Weide oder in einem Laufhof an mindestens 120 Tagen im Jahr. Auch ein Laufstall mit geschlossenen Außenwänden zählt zur Haltungsstufe 2. Aldi hat bereits angekündigt, ab 2030 auch keine Milch mehr aus Haltungsstufe 2 abzunehmen.

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Viele Landwirte können die Anforderungen nicht erfüllen

Landwirt Josef Andres in Pfaffing im Landkreis Rosenheim hatte bis 1999 seine Kühe in Anbindehaltung. Dann hat er in mehr Tierwohl investiert und einen Laufstall für seine 60 Tiere gebaut. Doch damals war es Stand der Technik, dass Kuhställe geschlossen sind. Pech für den Milchviehhalter: "Wir waren sozusagen zu früh dran. Das ist wie mit einem Computer, wenn man ihn kauft, ist er schon veraltet."

Um jetzt in Haltungsstufe 3 zu kommen, müsste Andres einen Außenklimastall haben. Bei solchen Ställen lassen sich die Seitenwände durch Jalousien öffnen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Tiere ins Freie zu lassen. In einen Laufhof oder auf die Weide. Bei Josef Andres geht beides nicht, die Flächen vor dem Stall sind zu klein.

Knackpunkt bei Premiumstufe 4: Tiere mit Hörnern

Bei Haltungsstufe 4 ist Weidehaltung ein Muss. In diese Premiumstufe fallen hauptsächlich Biobetriebe. Aber nicht nur. Jedes Tier muss im Stall mindestens sechs Quadratmeter Lauf- und Liegefläche zur Verfügung haben. Der Knackpunkt bei dieser Stufe: Die Kühe sollen möglichst ihre Hörner behalten.

Bisher ist das nur bei Demeter-Betrieben in den Richtlinien verbindlich vorgeschrieben. Die meisten anderen Biobauern enthornen die Kälber nach der Geburt, in konventionellen Betrieben ist das Standard. Bei Haltungsstufe 4 heißt es nun: Nur im Ausnahmefall dürfen Kälber vom Tierarzt enthornt werden. Was Ausnahmefälle sind, ist bisher nicht definiert.

Wie werden die Landwirte für mehr Tierwohl bezahlt?

Noch ist nicht genau geklärt, wieviel die Landwirte in den jeweiligen Haltungsstufen mehr für ihre Milch bekommen. Bei Haltungsform 2 ist vorerst ein Aufschlag von 1,2 Cent pro Liter Milch im Gespräch. Für den Mehraufwand zu wenig, finden viele Landwirte.

Auch bei den Molkereien ist man vom Vorpreschen des Lebensmitteleinzelhandels nicht begeistert. Der Verband der Bayerischen Privaten Milchindustrie kritisiert, dass es ein riesiger Aufwand sei, die Milch getrennt zu erfassen.

Neue Kennzeichnung betrifft nur einen Teil der Milch

Trotz der neuen Tierhaltungsstufen bei Milch werden nicht alle Landwirte ihre Ställe umbauen müssen. Entscheidend ist, ob ihre Molkerei für die Eigenmarken der Discounter und Supermärkte abpackt oder nicht.

Zwei Molkereien in Bayern, nämlich Gropper im schwäbischen Bissingen und die Privatmolkerei Bechtel in Schwarzenfeld in der Oberpfalz produzieren Trinkmilch ausschließlich für Discounter und Supermärkte. Bauern, die dorthin liefern, werden also jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt. Andere Molkereien wie etwa Berchtesgadener Land in Piding produzieren ausschließlich unter eigenem Namen und sind somit von den Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels nicht betroffen.

Was bei dem Thema noch wichtig ist: in Deutschland geht nur rund ein Drittel der Milchprodukte in den Lebensmitteleinzelhandel – der große Rest wird exportiert oder in der Industrie verarbeitet. Bei diesem viel größeren Teil der Milchmenge fragt niemand, wie die Tiere gehalten werden.

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