Der Granitsteinbruch. Im Vordergrund eine Dokumentationstafel.
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Das Steinbruch-Areal soll jetzt schrittweise an die Gedenkstätte übergehen.

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Stillgelegter Steinbruch erweitert KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Der Steinbruch Flossenbürg wird Teil der KZ-Gedenkstätte. Der Ort, an dem sich Tausende zu Tode geschunden haben, soll öffentlich zugänglich werden. Erstmals werden ihn ehemalige Häftlinge besuchen können, ohne dass kommerziell Granit abgebaut wird.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Es ist still geworden am Wurmstein. Jörg Skriebeleit atmet erstmal durch. "Es ist so anders", sagt er. Zum ersten Mal steht er hier, ohne dass kommerziell Granit abgebaut wird in dem Steinbruch. Der Abbau endete vor rund einer Woche. Man hört Vögel zwitschern, statt Bagger und Maschinen rattern. Ein paar Büsche und Bäumchen sind gewichen. Jede Menge Abraum von den vergangenen Sprengungen liegt herum. "Bei alldem, was man weiß über diesen Ort, was man an historischen Fotos gesehen und von Häftlingen erzählt bekommen hat, hat das jetzt noch mal eine andere Wirkung, eine richtige Wucht". Das sagt der Mann, der seit 25 Jahren die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg aufgebaut hat und von Anfang an leitet. Der schon unzählige Male an der Aussichtsplattform direkt über der denkmalgeschützten Häftlingswand gestanden hat.

"Fundamentaler Schritt" für den Erinnerungsort

Dass der Steinbruch nach jahrelangem Streit nun in das Gelände der Gedenkstätte übergeht, nennt Skriebeleit einen "fundamentalen Schritt“ für den Erinnerungsort Flossenbürg. Denn damit gehört auch der Ursprung des KZs zur Gedenkstätte. Der Granitabbau war der Grund, warum die SS in Flossenbürg 1938 überhaupt ein Konzentrationslager errichtet hat.

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Jörg Skriebeleit, der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, ist erleichtert, dass der Granitabbau nach langem Streit jetzt beendet ist.

Sukzessive wird das Gelände nun genutzt und entwickelt. Dabei fällt öfter der Begriff "unfertiges Denkmal" aus dem Mund von Jörg Skriebeleit. Er möchte vielleicht freilegen und Sichtrichtungen lenken, aber auf keinen Fall architektonisch eingreifen oder vieles verändern. Den Ort erhalten, damit er nicht weiter verfällt, "aufsperren, Leute reinholen", beschreibt er sein Konzept. Aber kein Museum daraus machen. Es gehe hier nicht um Erinnerung, sondern um Gegenwart und Zukunft, sagt Skriebeleit. "Wir befragen diesen historischen Leidens- und Todesort immer aus der Gegenwart heraus, nach der Bedeutung der Geschichte und was sie für uns heißt."

Vernichtung durch Arbeit: Todestreppe soll freigelegt werden

Die sogenannte Todestreppe soll zum Beispiel freigelegt, aber nicht begehbar werden für Besucher. Sie ist eines der ganz zentralen Symbole von "Vernichtung durch Arbeit" an diesem Ort, sagt Skriebeleit. Über die 150 breiten Granitstufen sind die Häftlinge täglich aus dem KZ in den Steinbruch hinuntergestiegen, wo sich Tausende Menschen beim Granitabbau zu Tode geschunden haben. Erst im kommenden Jahr gehört das Areal komplett zur Gedenkstätte.

Auf einem weiteren Grundstück befinden sich einige Gebäude. Dafür gibt es Ideen für Übernachtungsmöglichkeiten für Besuchergruppen. Oder auch ein Memory Lab soll entstehen, als "Experimentierfeld Erinnern". Zunächst wird aber das große Gebäude der ehemaligen Deutschen Erd- und Steinwerke am Rande des Steinbruchareals saniert. Die Kosten von 8,5 Millionen Euro teilen sich der Freistaat und der Bund.

Granit von den Nazis ideologisiert

Die Nazis haben den Flossenbürger Granit ideologisiert und ihn in ihren Prachtbauten verwendet. Bis Ende März war der Steinbruch an einen Unternehmer verpachtet, der den weltbekannten Flossenbürger Granit abgebaut hat. Im Jahr 2021 hat der Freistaat entschieden, den Pachtvertrag nicht über März 2024 hinaus zu verlängern. Die KZ-Gedenkstätte bekommt damit einen ganz zentralen Punkt des Geländes und ihrer Historie dazu.

Langer Weg bis zur Verwirklichung einer Gedenkstätte

Erst Ende der 90er-Jahre begann in Flossenbürg der Aufbau einer KZ-Gedenkstätte. Seit 1945 gab es zwar einen parkähnlichen Friedhof. Doch Jörg Skriebeleit wollte die Häftlinge in den Fokus rücken und ihnen die Orte ihres Leides zugänglich machen. Noch Mitte der 90er-Jahre war der Appellplatz verwuchert, in der ehemaligen Wäscherei wurden Handyteile produziert, in der heutigen Verwaltung und ehemaligen SS-Kommandantur befanden sich Sozialwohnungen.

Im Jahr 2007 eröffnete dann die erste historische Ausstellung in Flossenbürg, die die Häftlinge in den Vordergrund stellte. Zu Aufbewahrung und historischer Forschung kam als weitere Aufgabe der Gedenkstätte im Jahr 2015 ein Bildungszentrum dazu und ein integrativ betriebenes Café. Mit dem Größerwerden der Gedenkstätte sei - auch bei den ehemaligen Häftlingen – der Wunsch gewachsen, der Steinbruch solle ebenfalls einbezogen werden.

Bildrechte: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
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KZ- Häftlinge beim Granitabbau im Steinbruch von Flossenbürg

Ehemalige Häftlinge zu Feierlichkeiten der Befreiung erwartet

In der kommenden Woche werden zum ersten Mal ehemalige Häftlinge den Steinbruch erleben, ohne dass kommerziell Granit abgebaut wird. Zu den Feierlichkeiten des 79. Befreiungstages (20./21.04.) werden eine Handvoll ehemalige Häftlinge erwartet.

Der Lagerkomplex des KZ Flossenbürg umfasste 80 Außenlager zwischen Würzburg und Prag sowie zwischen dem nördlichen Sachsen und Niederbayern. Etwa 100.000 Menschen waren inhaftiert, davon 16.000 Frauen. In Flossenbürg starben rund 30.000 Menschen. Am 23. April 1945 befreite die US-Armee das KZ.

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