Irmingard von Bayern (1944)
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Irmingard von Bayern (1944)

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Sonderhäftlinge im KZ: Die Wittelsbacher als Hitlers Geiseln

Nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 bringen die Nationalsozialisten die Wittelsbacher zur Geiselhaft ins KZ, so auch die damals 21-jährige Irmingard von Bayern. Im BR-Politikmagazin Kontrovers erzählt Irmingards Familie ihre Geschichte.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Die Nationalsozialisten nehmen nach dem 20. Juli 1944 ganze Familien ihrer Gegner, derer sie habhaft werden können, in "Sippenhaft" und bringen sie als Sonderhäftlinge in die KZs. Unter ihnen sind auch Familienmitglieder der Wittelsbacher, wie die damals 21-jährige Prinzessin Irmingard von Bayern mit ihrer Familie. Zwar sind sie als Sonderhäftlinge im KZ bessergestellt, dennoch erleben sie den Schrecken der Lager und die ständige Angst, noch in den letzten Kriegstagen ermordet zu werden. In der Dokumentation "Die Wittelsbacher - Geiseln Adolf Hitlers" und im BR-Politikmagazin Kontrovers erzählen die Familienmitglieder erstmals im Fernsehen die dramatische Geschichte und gewähren Einblick in ihre Archive.

Weitreichende Verhaftungen nach Hitler-Attentat

Nach dem Anschlag vom 20. Juli 1944 lässt Hitler nicht nur Attentäter und deren Angehörige inhaftieren, sondern alle Gegner, die ihm gefährlich werden könnten. Dazu gehört auch der Bayerische Kronprinz Rupprecht, denn er hat sich schon früh den Nationalsozialisten verweigert. Von monarchistischen Kreisen in Bayern wird er immer wieder als Gegenpart zu Hitler ins Spiel gebracht.

Kronprinz versteckt, Familie inhaftiert

Kronprinz Rupprecht setzt sich früh aus Deutschland ab und lebt seit der Jahreswende 1939/40 mit seiner Familie in Italien. Als die Deutschen kurz vor Kriegsende die Macht in Norditalien übernehmen, gelingt es Kronprinz Rupprecht sich dem Zugriff der Gestapo zu entziehen und in Florenz zu verstecken, bis die Alliierten Florenz befreien. Auch sein Sohn Heinrich entgeht den Häschern und schlägt sich zu den Amerikanern durch. Verhaftet aber werden seine Frau Antonia und ihre fünf gemeinsamen Töchter, so auch Prinzessin Irmingard. Weil sie und ihre Mutter Antonia krank sind, lässt die Gestapo die beiden Frauen in Innsbruck zurück. Die anderen vier Töchter werden mit ihrer Erzieherin, Gräfin von Bellegard, die die Kinder freiwillig begleitet, im Oktober 1944 in das KZ Sachsenhausen gebracht.

Sonderhäftlinge im KZ

Wie andere prominente Gegner der Nazis werden die Wittelsbacher als "Sonderhäftlinge" in „Sonderhäusern“ außerhalb des eigentlichen Lagers untergebracht. Im Januar 1945 stößt auch Prinzessin Irmingard zu der Gruppe. „Wir haben uns wahnsinnig gefreut, dass sie wieder bei uns war“, erzählt ihre Schwester, Sophie von Arenberg, die jüngste Tochter von Kronprinz Rupprecht. Sie lebt heute in Lausanne. Mutter Antonia aber sehen die Töchter erst nach der Befreiung wieder. Sie soll damals mit ihrer Tochter Irmingard nach Sachsenhausen gebracht werden, wird aber in Weimar wegen ihres schlechten Zustands aus dem Transport genommen und erst nach Kriegsende in einem Krankenhaus in Jena gefunden.

Zweiter Teil der Familie in Ungarn verhaftet

Im Oktober 1944 wird auch der zweite Teil der Familie verhaftet. Herzog Albrecht von Bayern, der Sohn des Kronprinzen aus erster Ehe, hatte sich nach Ungarn abgesetzt. Er wird mit seiner Frau und seinen vier Kindern in Ungarn verhaftet und nach Sachsenhausen gebracht. Eines der Kinder ist Herzog Franz von Bayern, heute Chef des Hauses Wittelsbach. Von Sachsenhausen aus gehen alle 12 verhafteten Familienmitglieder gemeinsam den Weg durch die Lager.

Die Leichen, die Kälte, die Hunde

Weil die Rote Armee näherkommt, werden die Sippenhäftlinge Mitte Februar 1945 nach Süden transportiert. Die nächste Station ist das KZ Flossenbürg. Hier werden sie in einer Baracke mitten im KZ einquartiert. So sind auch die Kinder Augenzeugen des Grauens. Sophie von Arenberg berichtet von fettigen Flocken, die es dort geregnet hat, weil in der Nähe Leichen unter freiem Himmel verbrannt wurden. Die fettigen Flocken, die Berge von Leichen, die Kälte, die Hunde – all das hat sich in das Gedächtnis der Zeitzeugen eingebrannt.

Traumatische Erlebnisse im KZ

Prinzessin Irmingard von Bayern war 21 Jahre alt, als sie von den Nazis in die Konzentrationslager verschleppt worden ist. Anfangs hat sie nur bruchstückhaft von diesen traumatischen Erlebnissen berichtet, erzählt ihr Sohn Prinz Luitpold von Bayern. Prinzessin Irmingard hat ihre Geschichte in ihren Erinnerungen und in eindrucksvollen Gemälden festgehalten. "Sie hat gesagt, sie musste das ausspucken", erinnert sich Enkelin Auguste von Bayern. "Diese Bilder waren für sie eine Art ihre schrecklichen Erinnerungen loszuwerden."

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Eine verzweifelte Frau hinter Stacheldraht, neben ihr ein SS-Mann, hinter ihr der Tod. "Todesangst" heißt das Gemälde von Irmingard von Bayern.

"Ich bin sehr dankbar, dass meine Mutter diese Bilder gemalt hat", sagt Luitpold, Prinz von Bayern, im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Die Bilder hängen heute bei ihm auf Schloss Kaltenberg.

Kurz vor Kriegsende ins KZ Dachau

Weil die US-Armee näherkommt, wird das Lager Flossenbürg geräumt. Die nächste Station der Wittelsbacher ist das KZ Dachau. Hier werden sie in den Rotkreuz-Baracken der SS außerhalb des Häftlingslagers untergebracht. Die liegen wie die ehemalige Kommandantur des Konzentrationslagers heute auf dem Areal der Bayerischen Bereitschaftspolizei und nicht auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte, erklärt Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau.

US-Armee kurz vor München

Aber auch hier rückt die US-Armee vor. Ein SS-Mann flüstert Irmingard von Bayern zu, dass die Amerikaner nicht mehr weit seien. Einerseits habe ihr das Hoffnung gegeben, sagt Pfarrer Björn Mensing, andererseits fürchtete Irmingard von Bayern, dass die Nationalsozialisten sie "womöglich umbringen und ermorden, wenn sie ihre Funktion als Geiselhäftlinge nicht mehr erfüllen könnten". Doch es kommt anders. Damit die Geiseln nicht in die Hände der Befreier fallen, bringt die SS die Wittelsbacher Ende April 1945 in die Alpen. Am 30. April werden Irmingard von Bayern und ihre Familie schließlich in Ammerwald in Tirol befreit.

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