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Bayern klagt gegen Länderfinanzausgleich - Opposition: Wahlkampf

Bayerns Kabinett hat die angekündigte Klage gegen den Länderfinanzausgleich beschlossen. Bayerisches Geld sei besser im Freistaat aufgehoben als in Berlin oder Bremen, sagte Ministerpräsident Söder. Die Opposition spricht von einem Wahlkampfmanöver.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Die bayerische Staatsregierung zieht - wie angekündigt - wegen des Länderfinanzausgleichs vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. "Bayern klagt", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Kabinettssitzung in München. Der Freistaat empfinde die aktuelle Regelung als "tief ungerecht".

Bayern zahle im Jahr zehn Milliarden Euro - davon leisteten sich einige Bundesländer Dinge, die sich der Freistaat nicht leisten könne oder wolle, kritisierte Söder. Als ein "Übel" im Länderfinanzausgleich bezeichnete er unter anderem das Stadtstaatenprivileg: "Es kann nicht sein, dass in Hamburg, Bremen oder Berlin die Bürger besser gestellt sind als in München und Nürnberg oder Augsburg."

Klage wird noch vor der Sommerpause eingereicht

Die Staatsregierung fordert laut Söder unter anderem eine "Obergrenze" für Ausgleichszahlungen. "Wir sind und bleiben solidarisch, aber wir sind nicht naiv." Bayern benötige "mehr Geld daheim", betonte der CSU-Politiker. "Bayerisches Geld ist besser in Bayern aufgehoben als in Bremen, Berlin oder anderswo."

Laut Finanzminister Albert Füracker (CSU) wird der Normenkontrollantrag noch vor der Sommerpause in Karlsruhe eingereicht. Es sei an der Zeit, die Strukturen überprüfen zu lassen. "Wir sind das den bayerischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig." Bayern hätte dem Minister zufolge gern weiter verhandelt. Aber wenn vier oder fünf Länder zahlten und elf oder zwölf Länder kassierten, dann sei erwartbar, dass es keine Verhandlungslösung geben werde.

Söder: Ohne Klage bewegt sich nichts

In Karlsruhe will Bayern nach Angaben der Staatskanzlei erreichen, dass sich Solidarität und Eigenverantwortung im Ausgleichssystem künftig wieder die Waage halten. Es sei eigentlich Aufgabe des Bundesgesetzgebers, auf die Schieflage zu reagieren. Dieser handle aber trotz der enormen finanziellen Belastung Bayerns nicht. Der Freistaat zahlt mehr als die Hälfte der 18,5 Milliarden Euro, die der Länderfinanzausgleich umverteilt - Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Rheinland-Pfalz zusammen den Rest.

Der Ministerpräsident zeigte sich überzeugt, dass sich ohne Klage nichts bewege. Er verwies auf eine frühere Klage gegen den Länderfinanzausgleich, die "sehr erfolgreich" gewesen sei. Denn sie habe dazu geführt, dass "alle anderen in Sorge waren und es deswegen Verhandlungen gab". Damals habe der Bund Geld ins System gegeben, echte Strukturreformen seien aber ausgeblieben. Der Freistaat habe zugestimmt, "weil es uns entlastet hat". Die Klage wurde daraufhin zurückgezogen. Leider sei die Schere zwischen den Ländern weiter auseinandergegangen, begründete Söder den erneuten Vorstoß.

Füracker: Bayern ist der "Goldesel der Nation"

In einer Regierungserklärung im Landtag betonte Füracker am Nachmittag, Leistung müsse sich lohnen. "Der Finanzkraftausgleich stellt leider das Gegenteil dar." Seine Finanzstärke mache den Freistaat "zum Goldesel der ganzen Nation", sagte der Minister. "Wer gut wirtschaftet, darf nicht bestraft werden!" Für Bayern sei eine Grenze überschritten: "Das System läuft aus dem Ruder zu Lasten weniger Länder, hauptsächlich zu Lasten Bayerns." Es müsse eine gesetzliche Belastungsobergrenze geben.

Füracker rief die Opposition auf, anzuerkennen, dass es auf Dauer nicht so bleiben könne: "Bekennen Sie sich endlich dazu, dass wir mit bayerischem Geld vor allem in Bayern Segensreiches tun sollen." Es gehe nicht um das Ende der Solidarität, "es geht um Solidarität und Eigenverantwortung".

Freie Wähler: Völlig falsche Anreize

Auch Freie-Wähler-Fraktionsvize Bernhard Pohl kritisierte, der Länderfinanzausgleich stelle völlig falsche Anreize. "Solidarität ist etwas anderes als Dummheit und Alimentation der Faulen", betonte er. "Solidarität ist Alimentation der Schwachen." Pohl beklagte, in Bayern sei beispielsweise die Erbschaftssteuer besonders hoch. Einen Teil davon müsse der Freistaat an andere Länder weitergeben, ohne die Chance zu haben, die Erbschaftssteuer abzuschaffen. "Das ist absurd."

Grüne: Keine neuen Ideen

Der Grünen-Finanzexperte im Landtag, Tim Pargent, warf der Staatsregierung vor, sie greife in die "Wahlkampftrickkiste", statt neue Ideen zu präsentieren. Die erneute Klage sei ein derartig durchsichtiges Wahlkampfmanöver, "dass es nicht wundert, wenn andere Länder da nicht mitmachen". Pargent räumte ein, dass Bayern "vielleicht" zu viel zahle. Er sehe aber keine konkreten Gestaltungsvorschläge der Staatsregierung. "Wir haben heute nur Probleme gehört." Mit einer solchen Ideenlosigkeit würde er sich "auch nicht an den Verhandlungstisch trauen", spottete Pargent.

Aus der Stärke resultiere auch Verantwortung. "Wir Bayern schwächen uns am Ende auch selbst, wenn Deutschland insgesamt schlechter funktioniert", warnte der Grünen-Politiker. Ein Länderfinanzausgleich sei wichtig, denn Deutschland könne sich keine Zweiklassengesellschaft bei Bildung und innerer Sicherheit leisten.

AfD: Wahlkampfmanöver

AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner warf der Staatsregierung ein "geradezu verzweifelt wirkendes" Wahlkampfmanöver vor. Der Länderfinanzausgleich in seiner aktuellen Form sei von der CSU selbst ausgehandelt worden. Die Staatsregierung beklage sich lautstark über Mittelverschwendung anderer Bundesländer, während sie selbst Geld verschwende: "Kehren Sie doch erst mal vor Ihrer eigenen Haustür!"

SPD: Söder klagt gegen Söder

Als eine "sehr bekannte Melodie aus diversen CSU-Wahlkämpfen" wertete der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn die Klageankündigung. Natürlich könne man kritisch über den Länderfinanzausgleich diskutieren. Aber die CSU ziehe erneut gegen eigene Verhandlungsergebnisse zu Felde, die seinerzeit noch als Erfolg gefeiert worden seien: "Söder klagt gegen Söder."

FDP: CSU hat offensichtlich versagt

Auch FDP-Fraktionschef Martin Hagen betonte, Söder sei als Finanzminister bei der Verhandlung federführend gewesen und habe die Reform als Erfolg gewertet. Tatsächlich zahle Bayern mittlerweile doppelt so viel in den Länderfinanzausgleich wie vorher: "Die CSU hat bei der Vertretung bayerischer Interessen offensichtlich versagt." Wenn die Staatsregierung nun versuche, die Verantwortung den Ampel-Parteien in die Schuhe zu schieben, betreibe sie Wahlkampf "ohne Rücksicht auf die Fakten".

Finanzexperte Büttner hält Klage für gerechtfertigt

Der Nürnberger Finanzwissenschaftler Thiess Büttner hält die Klage Bayerns dagegen für gerechtfertigt. Es seien fünf Länder, die Beiträge leisteten und elf Länder, die Transfers erhielten. Dabei sei korrekt, dass Bayern unter den Geberländern den Löwenanteil zahle, sagte Büttner bei BR24. "Es sind zehn Milliarden jährlich, die Bayern derzeit an Transfers leistet. Und das ist mehr als doppelt so viel wie Baden-Württemberg und mehr als dreimal so viel wie Hessen. Und das sind eigentlich schon die drei wesentlichen Zahler."

Es sei zwar richtig, dass Bayern vor vielen Jahren selbst als Nehmerland im Finanzausgleich Leistungen erhalten habe. Die Regeln hätten sich aber längst massiv geändert. So sei Bayern inzwischen in der Situation, dass die Zahlungslasten von Jahr zu Jahr immer größer würden. "Wenn wir das vergleichen mit der Situation 2013, als Bayern das letzte Mal geklagt hat gegen die Regeln, da hat Bayern jährlich vier Milliarden überwiesen. Inzwischen sind es zehn Milliarden." Büttner zufolge ist diese Steigerung viel größer als die Steigerung der Steuereinnahmen. Bayern gerate daher immer mehr unter Druck durch höhere Transferleistungen in das System.

Büttner zufolge weist der Freistaat in seiner Klage gegen den Länderfinanzausgleich auf valide Punkte hin. Deswegen könne er sich gut vorstellen, dass den Richtern klar werde, dass dies gegen Grundprinzipien verstoße, sagte er.

Im Video: Finanzwissenschaftler Prof. Büttner zur Klage gegen Länderfinanzausgleich

Finanzwissenschaftler Prof. Thiess Büttner zur Klage gegen denLänderfinanzausgleich
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Finanzwissenschaftler Prof. Thiess Büttner zur Klage gegen denLänderfinanzausgleich

Zwölf Länder kritisieren Bayerns Klage

In vielen anderen Bundesländern stößt Bayerns Klage auf Unverständnis. Niedersachsens Finanzministerium teilte mit, man nehme den Beschluss der bayerischen Staatsregierung mit großem Bedauern zur Kenntnis - ebenso wie Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Zu dieser Gruppe zählten sowohl Geber- als auch Nehmerländer. "Wir haben es ganz offensichtlich mit einem bayerischen Wahlkampfmanöver zu tun", sagte Niedersachsens Finanzminister Gerald Heere (Grüne). Umso wichtiger sei es, dass die Mehrheit der Länder solidarisch zusammenstehe und am bestehenden Ausgleichssystem festhalte.

Klage gegen Länderfinanzausgleich - Landtagsdebatte
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