Archivbild: Ein Jäger-Hochsitz zeichnet sich in einem Wald bei Kraftisried (Bayern) vor einer im Nebel liegenden Lichtung ab
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Archivbild: Ein Jäger-Hochsitz zeichnet sich in einem Wald bei Kraftisried (Bayern) vor einer im Nebel liegenden Lichtung ab

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"Waldpakt" verärgert Jäger: Treffen mit Kaniber nach Brandbrief

Angespannte Stimmung zwischen Jägern und Landwirtschaftsministerium: Nach einem Brandbrief an Ministerin Kaniber lud diese kurzfristig zum Treffen ein. Ausgeräumt ist der Streit um den "Waldpakt" damit nicht.

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Gut zwei Stunden hat das Treffen zwischen Landwirtschaftsministerium, Waldbesitzern, Bauernverband und Jagdverband am Montagnachmittag gedauert. Seit Tagen gibt es Streit um den "Waldpakt für Bayern", den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einer Woche unterzeichnet hat. Dabei geht es um die Frage, wie die Wälder in Bayern schnell und wirksam an die Herausforderung des Klimawandels angepasst werden können, um Holznutzung, Biodiversität und Erholung zu sichern. Der Waldpakt bekennt sich dabei zum Grundsatz "Wald vor Wild" - und das passt dem Bayerischen Jagdverband überhaupt nicht.

Treffen nach Brandbrief

Der Auslöser des Treffens: ein vier Seiten langer Brief von Jagdverbands-Präsident Ernst Weidenbusch an seine Parteifreundin von der CSU, Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, der BR24 vorliegt. Und der hat es in sich: Weidenbusch schreibt, es herrsche eine "Verärgerung großer Teile der bayerischen Jägerschaft", er wolle kein "ideologisch geprägtes Handeln", gar "das Image der Jagd in der Gesellschaft" stehe auf dem Spiel. Was steckt dahinter?

Der Punkt aus dem Waldpakt, der Weidenbusch und die Jägerschaft so erzürnt, lautet: "Waldverträgliche Schalenwildbestände müssen auf ganzer Fläche realisiert werden." Aus Sicht des Jagverbands-Präsidenten hätten die Waldbesitzer damit ihre Interessen durchgesetzt und zum "Allheilmittel der pauschalen Abschusserhöhung" gegriffen. Dass es überhöhte Wildbestände gebe, nennt Weidenbusch eine Unterstellung "ohne wissenschaftliche Grundlage".

Weidenbusch: "Forstabteilung das Problem"

Das Grundproblem sei die Forstabteilung des Ministeriums, sagt Weidenbusch BR24 kurz nach dem Treffen. "Da wird alle Schuld dem Wild zugeschoben." Er habe bei dem Termin mit der Ministerin deutlich gemacht, dass man die Jäger in die Umsetzung der Waldpolitik künftig besser einbinden müsse. Schließlich vertrete der Jagdverband als anerkannter Naturschutzverband die Interessen des Wildes. Bei der "Feinjustierung des Waldpaktes" soll dies nach Weidenbuschs Worten nun auch geschehen. Er bleibt aber skeptisch: "Wir werden uns sorgfältig anschauen, ob das tatsächlich stattfindet."

Keine Nachverhandlungen

"Forstministerin Michaela Kaniber war dieses Gespräch sehr wichtig, um entstandene Fehlinterpretationen gemeinsam mit den Verbänden auszuräumen", heißt es aus dem Ministerium. Ein Nachverhandeln des Waldpaktes habe aber "zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion gestanden". Alle Unterzeichner stünden unverändert zum geschlossenen Pakt. Weiter heißt es: "Wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen zur Jagd geht, wird die Jägerschaft miteingebunden, auch das wurde bisher so gelebt und hat sich bewährt."

Kritik auch von Freien Wählern

Vor dem Jagdverband haben sich auch schon die Freien Wähler, Koalitionspartner der CSU in Bayern, über das Zustandekommen des Waldpaktes beschwert. Der Chef der Landtagsfraktion, Florian Streibl, warf Kaniber einen "Alleingang" vor und kritisierte, dass die Freien Wähler als Koalitionspartner in der Entstehung nicht eingebunden gewesen seien. Das Landwirtschaftsministerium weist den Vorwurf zurück, spricht von einer nicht nachvollziehbaren "Aufregung der Freien Wähler", die "offensichtlich einem Missverständnis" aufsitzen. Freie-Wähler-Chef und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger sei "über den abgeschlossenen Prozess schriftlich unterrichtet" worden. Das Forstliche Gutachten, die Grundlage des Waldpaktes, sei "entsprechend dem Koalitionsvertrag weiterentwickelt" worden.

Grüne: "Kaniber darf nicht einknicken"

Der Leitsatz "Wald vor Wild" werde in den kommenden Jahrzehnten helfen, unsere Wälder an die Klimakrise anzupassen, davon ist Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, überzeugt. Nur so bleibe auch die Lebensgrundlage für die Wildtiere erhalten. Hartmann lobt Kanibers Anstrengungen und fordert sie auf, dem Gegenwind zu trotzen. Er gibt ihr aber auch eine Mitschuld am aktuellen Streit. Dass sich der Jagdverband in die Debatte einschalte, sei "einem Versäumnis der Ministerin anzulasten, vorab breite Mehrheiten zu schaffen".

Schlechtes Timing für Streit

Ein handfester Streit zwischen Jagdverband und CSU-geführtem Landwirtschaftsministerium weniger als 100 Tage vor der Landtagswahl kann kaum in Kanibers Sinn sein. Dabei dürfte es ihr weniger darum gehen, keinen Dauerkrach mit Parteifreund Weidenbusch zu riskieren, sondern eher darum, eine mögliche Anspannung mit den Freien Wählern zu verhindern. Die hatten sich früh auf die Seite der Jäger geschlagen. Sowohl die CSU als auch die Freien Wähler sehen beim Bayerischen Jagdverband mit seinen rund 50.000 Mitgliedern eine wichtige Wählergruppe.

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Forstministerin Kaniber war das Treffen wichtig, um Fehlinterpretationen gemeinsam auszuräumen, hieß es aus dem Ministerium (Archivbild).

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