80 Prozent der Kliniken in Bayern erwarten 2023 Verluste. Die müssen die Träger ausgleichen - oft Kommunen. Die Rosenheimer RoMed-Kliniken (im Bild) rechnen mit einem Defizit von mindestens 29 Millionen Euro: RoMed Klinikum Rosenheim.
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80 Prozent der Kliniken in Bayern erwarten 2023 Verluste. Die müssen die Träger ausgleichen - oft Kommunen.

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Hohe Klinik-Defizite: Wie sich das auf kommunale Träger auswirkt

80 Prozent der Kliniken in Bayern erwarten 2023 Verluste. Die müssen die Träger ausgleichen – oft Kommunen. Denen fehlt das Geld dann an anderer Stelle, etwa für Investitionen in ÖPNV, Bildung oder Klimaschutz. Was das bedeutet und woran das liegt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Inflation – gestiegene Material- und Energiekosten – und Tariferhöhungen bringen viele Kliniken in Bayern in eine schwierige wirtschaftliche Lage: Die Bayerische Krankenhausgesellschaft erwartet, dass acht von zehn Kliniken dieses Jahr Verluste machen werden. Das betrifft auch die kommunalen Krankenhäuser, die in Bayern etwa zwei Drittel ausmachen. Die Rosenheimer RoMed-Kliniken etwa rechnen mit einem Defizit von mindestens 29 Millionen Euro, das Klinikum Ingolstadt mit 30 Millionen Euro. Das Geld, das bei den Kliniken fehlt, müssen die Kommunen an anderer Stelle einsparen.

Klinikdefizit bremst Ausbau

Ein Beispiel: Der Landkreis Mühldorf am Inn hat wegen des hohen Klinikdefizits bereits ein geplantes Rufbusprojekt abgesagt und der Anschluss an den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV), den der Landkreis gerade prüft, steht auf der Kippe: "Auch das können wir uns vermutlich nicht leisten", meint Landrat Max Heimerl (CSU). Denn das Innklinikum, das sich gerade umstrukturiert, erwartet für dieses Jahr ein Defizit von 34 Millionen Euro. Da sich das die beiden Trägerlandkreise Mühldorf und Altötting teilen, muss der Landkreis Mühldorf voraussichtlich 17 Millionen Euro für das Krankenhaus zahlen. Im Haushalt eingeplant waren 11,25 Millionen Euro.

"Menschen im Landkreis werden das spüren"

"Wir müssen Schulden aufnehmen, um die laufenden Ausgaben finanzieren zu können", erklärt der Mühldorfer Landrat Max Heimerl. Eigentlich ein No-Go – allein schon wegen der Generationengerechtigkeit. Deshalb versucht der Landkreis auch die laufenden Kosten zu senken, etwa bei der Sanierung der Gymnasien. Oder er kürzt freiwillige Leistungen, wie Zuschüsse für Vereine, Ehrenämter, Jugendarbeit oder präventive Maßnahmen im Sozialbereich. "Es ist nicht zu vermeiden, dass die Menschen im Landkreis das spüren werden", so Landrat Heimerl.

Sparmaßnahmen vielerorts ein Thema

Auch in anderen Kommunen werden die Menschen die Sparmaßnahmen spüren – früher oder später. Der Landkreis Dillingen etwa muss das erwartete Defizit seiner beiden Kliniken von um die 15 Millionen Euro erst im nächsten Jahr ausgleichen: Dann müsse man priorisieren, betonte Landrat Markus Müller (FW) schon öfter. Damit die Kliniken nächstes Jahr weniger Verluste erwirtschaften, werden sie seit Juni umstrukturiert. Auf Spezialisierung setzen auch andere Krankenhäuser, etwa die Donau-Isar-Kliniken in den Kreisen Deggendorf und Dingolfing-Landau. In Bayreuth schlugen zwei Stadtratsfraktionen vor, die Privatisierung der defizitären Klinik zu prüfen – das stieß jedoch auf Widerstand.

Kliniken machen Bund verantwortlich

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) macht für die Verluste vor allem den Bund verantwortlich, der über die Krankenkassen eigentlich die inflationär gestiegenen Betriebskosten ausgleichen müsste. Auch der Bayerische Landkreistag hat deshalb schon einen Brandbrief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geschrieben und mehr finanzielle Mittel gefordert, bislang aber keine Antwort erhalten. Lauterbach sprach sich in der Vergangenheit gegen weitere Soforthilfen aus, das Geld soll stattdessen in die Reform fließen.

Krankenhausgesellschaft blickt besorgt auf 2024

Die BKG blickt mit Sorge vor allem aufs nächste Jahr, weshalb sie sich im September erneut an einer bundesweiten Protestaktion beteiligen will – wie bereits im Juni. Für dieses Jahr hätten gerade die kommunalen Träger frühzeitig Unterstützungszahlungen aus den kommunalen Haushalten zugesagt, meint BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen - und die Kliniken so gerettet. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Kommunen auch für 2024 locker weitere Defizite ausgleichen könnten, das sorge ja jetzt schon für schwierige Diskussionen in den Kommunalparlamenten. Wenn die Zusagen ausblieben, dann drohe auch in Bayern eine Insolvenzwelle.

Viele Fragen zur Krankenhausreform noch offen

Auch der Krankenhausreferent des Bayerischen Landkreistages, Klaus Schulenburg, geht davon aus, dass manche Kliniken schließen müssen, wenn es keine Finanzspritze zu den Betriebskosten gibt. Viele Landkreise machen ihm zufolge nicht nur bei den Kliniken Defizite. Noch seien aber ja auch viele Fragen zur Klinikreform offen, die ab 2024 greifen soll. Sollte sich die Situation im nächsten Jahr nicht verbessern, will der Landkreistag alle Mitglieder an einen Tisch bringen, um zu hören, ob jemand eine gute Lösung gefunden hat. Einige kleine Kliniken kooperieren bereits mit großen Krankenhäusern, etwa in Schwabmünchen und Augsburg oder in Kelheim und Regensburg – doch dafür müssen die lokalen Gegebenheiten stimmen.

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