Wenn ausländische Fachkräfte ihre Berufsabschlüsse anerkennen lassen wollen, bekommen sie von den Anerkennungsstellen nicht selten einen sogenannten "Defizitbescheid". Dort ist aufgelistet, welche Defizite ihre Ausbildung für den deutschen Arbeitsmarkt aufweist. Diese Praxis verzögert den Einstieg von Fachkräften in den Arbeitsmarkt, bemängeln Kritiker.
Hohe Ansprüche an Qualifikation und Sprachkenntnisse
Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU) verteidigt die anhaltend hohen bürokratischen Hürden, auch wenn sie mögliche Fachkräfte aus dem Ausland abschrecken können. Denn für die stellvertretende Ministerpräsidentin ist es wichtig, bei ausländischen Abschlüssen auf die Qualität zu achten – auch und gerade in "Mangelberufen" wie der Kinderbetreuung oder der Pflege. "Der hohe Anspruch an die Betreuung von unseren Kindern darf aus meiner Sicht nicht in Frage gestellt werden", so Scharf im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Neben ausreichenden Sprachkenntnissen "legen wir größten Wert darauf, dass die Ausbildung und die fachliche Qualifikation nachgewiesen wird".
Qualifikation für Kinderbetreuung bis zehn Jahre reicht nicht aus
Damit im Ausland erworbene Abschlüsse alle Eventualitäten des hiesigen Qualitätsanspruchs abdecken, müssen Fachkräfte oft aufwendige Prozesse durchlaufen. Beispiel: Wer in Deutschland als Erzieher für Kinder bis zu zehn Jahren arbeiten will und die entsprechende Qualifikation, vielleicht sogar ein Studium, mitbringt – der muss, auch wenn er ausschließlich in einer Kita arbeiten will, eine aufwendige Nachqualifikation durchlaufen. Um auch Erwachsene bis 27 Jahre betreuen zu dürfen, wird beispielsweise ein Praktikum in einem Jugendheim gefordert.
Auf die Frage, ob eine solche Anforderung nicht absurd sei, antwortet Scharf: "Ist es nicht, denn wir wollen die beste Qualität, gerade wenn wir Fachkräfte und Arbeitskräfte haben, die mit Menschen arbeiten."
Bayerns Nachbar Hessen geht eigene Wege
Allerdings ist ein solches Prozedere laut Bundesbildungsministerium nicht in Stein gemeißelt: Die Bundesländer könnten demnach vieles selbst entscheiden, wenn es um pädagogische Berufe wie Lehrkräfte oder Erzieher geht: "Deren Ausgestaltung liegt auch zu Fragen der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in der grundgesetzlichen Verantwortung der Länder."
Hessen etwa geht anders als Bayern vor. Dort können ausländische Fachkräfte ihre Anpassungsmaßnahmen in der Kita abarbeiten. Sie sind dann zwar nicht in ganz Deutschland anerkannt, anderen Erzieherinnen in hessischen Kitas aber gleichgestellt. In Bayern ist das aktuell nicht möglich.
Sozialministerin und Vize-Ministerpräsidentin Ulrike Scharf verweist im Kontrovers-Interview auf ein Fort- und Weiterbildungskonzept der Bayerischen Staatsregierung, welches Quereinsteiger für die Arbeit in der Kita ausbilde. Auch Bayern tue etwas für weniger Bürokratie bei der Fachkräfteeinwanderung. So sei vergangenen Sommer in den Pflegeberufen die sogenannte "Fast Lane" auf den Weg gebracht worden.
Scharf: Fachkräftemangel als größtes "Wachstumshemmnis"
Scharf hält es für richtig, dass der Bund mit diesem Gesetz mehr ausländische Fachkräfte schneller nach Deutschland holen will. "Die Ziele sind wirklich zu begrüßen", sagt die Arbeits- und Familienministerin im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. "Ich mache mir große Sorgen um die Wirtschaft, 151.000 Stellen sind unbesetzt", so Scharf. Das größte "Wachstumshemmnis" seien fehlende Arbeitskräfte.
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