Bauarbeiter tragen Materialien auf einer Baustelle. Hinter ihnen steht ein Kran. Ihr Job kann unter Umständen sehr gefährlich sein. 74 Arbeiter verletzten sich im vergangenen Jahr tödlich auf Baustellen in Deutschland.
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Unfälle sind auf deutschen Baustellen an der Tagesordnung. Die Gründe dafür sind laut Experten vielfältig.

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Risiko Baustelle: Weshalb Arbeiter so gefährlich leben

Bauarbeiter leben gefährlich - gerade auf Baustellen in Deutschland passieren häufig schwere Unfälle. 2022 kamen 74 Arbeiter ums Leben, ein Jahr zuvor waren es 85, Zehntausende werden Jahr für Jahr verletzt. BR-Recherchen zeigen, was im Argen liegt.

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Eine Großbaustelle in Putzbrunn bei München. Hier entstehen über 50 Wohnungen. Vertreter der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) gehen von Raum zu Raum. Sie wollen sich vor Ort einen Überblick verschaffen. BG-Bau-Mitarbeiter Erik Dusel deutet auf einen Lichtschacht. Er ist mit losen Brettern abgedeckt: ein Risiko für die Arbeiter. Der erfahrene Baustellenkontrolleur sieht darin gar einen "absolut gravierenden Mangel, der sofort beseitigt werden muss".

Dusel ruft nach dem Polier. Hier könne ein Arbeiter allzu leicht in die Tiefe stürzen, sagt er: "Wenn diese Bohle nur noch an der Ecke aufliegt und der nächste hockt oder stellt sich einmal kurz drauf, dann rutscht alles ab und dann geht es vier Meter nach unten."

74 Arbeiter kamen 2022 ums Leben

Der Besuch auf der Großbaustelle lässt ahnen, was schiefläuft auf deutschen Baustellen, wo kleine und große Risiken für Bauarbeiter lauern.

Denn die leben nach Zahlen der BG Bau gefährlich. 74 Bauarbeiter kamen demnach im vergangenen Jahr im Job ums Leben. 2021 erlagen 85 Arbeiter ihren auf Baustellen erlittenen Verletzungen. Fast 100.000 Unfälle wurden 2022 gemeldet. Die Zahl ging im Vergleich zu 2021 zwar um etwa vier Prozent zurück. Dennoch: Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, bezeichnete das Unfallgeschehen auf deutschen Baustellen jüngst als "alarmierend". Im Frühjahr sagte er: "Auch wenn die Zahlen gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind, ist das Unfallgeschehen auf dem Bau hoch. Baustellen gehören nach wie vor zum Sorgenkind in Sachen Arbeitsschutz." Hoher Kosten- und Zeitdruck dürften nicht dazu führen, dass der Arbeitsschutz vernachlässigt werde.

Nach Einschätzung des IG BAU-Bundesvorsitzenden liegt die Dunkelziffer der Bauunfälle noch deutlich höher als die Zahlen in der Statistik der Bau-Berufsgenossenschaft: "Zum einen werden viele – gerade kleinere Unfälle – gar nicht gemeldet. Zum anderen werden da, wo ausländische Beschäftigte auf Baustellen arbeiten, Unfälle vielfach bagatellisiert oder vertuscht."

Schwerpunktkontrolle in Oberbayern

Bei einer Schwerpunktkontrolle des Gewerbeaufsichtsamtes der Regierung von Oberbayern wurden im vergangenen Herbst sogar auf etwa jeder vierten Baustelle so gravierende Mängel festgestellt, dass die Arbeiten dort jeweils eingestellt werden mussten.

Der Präsident des Landesverbands bayerischer Bauinnungen, Wolfgang Schuber-Raab, ist selbst Bauunternehmer. Die Verantwortung für mehr Sicherheit sieht er in erster Linie bei den Betrieben. Aber auch bei den Arbeitern. Die müsse man "mitnehmen", sagt Schuber-Raab im BR-Interview. Sie müssten selbst an ihrer Gesundheit interessiert sein. Das sei ein wichtiger erster Schritt. Mehr Kontrollen lehnt der Verbandspräsident ab.

Wird auf Kosten der Sicherheit gespart?

Branchenexperten kritisieren indes immer wieder, dass häufig auf Kosten der Sicherheit gespart werde. Das ärgert auch Kontrolleure der BG Bau wie Erik Dusel. Schließlich verursacht jeder Unfall erhebliche Kosten und Schäden – auch für die betroffenen Betriebe.

Bei seinem Rundgang über die Baustelle in Putzbrunn entdeckt Kontrolleur Dusel noch mehrere kaputte Leitern. "Die gehören sofort ausgemustert", merkt er an. An diesem Tag soll es aber nicht dabei bleiben. Auch auf defekte Elektrokabel wird Dusel aufmerksam. Das sei eben sein Alltag, sagt er. Und dabei kommt der Kontrolleur bei diesem Besuch sogar angekündigt, weil ihn ein Reporter begleitet.

Mehr zu diesem Thema hören Sie am 30. August um 12.17 Uhr im Radioprogramm von BR24 in der Sendung "Funkstreifzug". Als Podcast finden Sie den "Funkstreifzug" schon jetzt. Zum Beispiel in der ARD-Audiothek.

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