Die drei Angeklagten im Prozess um Millionen-Betrug in Nürnberg
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Drei Angeklagte sollen mit ihrem ambulanten Pflegedienst in Unterfranken Pflege- und Krankenkassen um mehrere Millionen Euro betrogen haben.

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Prozessauftakt um Millionenbetrug durch Pflegedienst

Mit ihrem Pflegedienst sollen drei Angeklagte aus Würzburg die Pflegekassen um knapp 3,5 Millionen Euro betrogen haben. Heute hat in Nürnberg der Prozess begonnen. Statt eines Geständnisses ging die Verteidigung aber in die Offensive.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Sie sollen sich ein Luxusleben gegönnt haben: ein Ehepaar aus Würzburg, das gemeinsam mit seinem Sohn einen ambulanten Pflegedienst betrieben hat. Neben Würzburg auch in Kitzingen. Das Problem: Die Angeklagten sollen die Kranken- und Pflegekassen dabei um knapp 3,5 Millionen Euro betrogen haben. Indem sie Leistungen teils auf ein Minimum reduziert, teils aber auch gar nicht erbracht haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft beim Prozessauftakt am Landgericht Nürnberg-Fürth. Die Leistungen, die tatsächlich erbracht wurden, hätten wegen fehlender fachberuflicher Qualifikationen allerdings gar nicht abgerechnet werden dürfen.

  • Zum Artikel: Anklage wegen Abrechnungsbetrugs bei ambulantem Pflegedienst

Keine fachberufliche Qualifikation

Die fehlende fachberufliche Qualifikation ist einer der Knackpunkte in dem Prozess am Landgericht Nürnberg-Fürth. Um Leistungen bei den Kranken- und Pflegekassen abrechnen zu können, hätte es in dem ambulanten Pflegedienst zwingend eine Pflegefachkraft gebraucht. Diese Ausbildung hatte aber keiner in der nun angeklagten Familie: Der 57 Jahre alte Vater ist gelernter Schneider. Die 48-jährige Mutter hat eine nicht abgeschlossene Lehre als Friseurin. Der 27 Jahre alte Sohn ist gelernter Kaufmann für Büromanagement.

Auch keiner der Beschäftigten des ambulanten Pflegedienstes habe über eine entsprechende Qualifikation als Pflegefachkraft verfügt. Eine solche ist allerdings vorgeschrieben, unter anderem um die Qualität der Pflege zu sichern und Pflegemängel zu vermeiden. Laut Staatsanwaltschaft hatten die Angeklagten den zuständigen Stellen allerdings gezielt vorgetäuscht, dass es eine solche Pflegefachkraft in ihrer Einrichtung gebe.

Millionen für ein Luxusleben?

Durch den Abrechnungsbetrug hätten die drei Angeklagten allein zwischen Januar 2018 und September 2022 insgesamt knapp 3,5 Millionen Euro zu Unrecht bekommen. Den Ermittlungen zufolge ist der Betrag sogar noch höher. Weitere Betrugsfälle gelten allerdings bereits als verjährt. Laut Staatsanwaltschaft hatten das Würzburger Ehepaar und ihr Sohn versucht, sich durch den Abrechnungsbetrug eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen und ihr "Luxusleben" finanziert. Berichten zufolge soll die Familie teure Autos, eine Villa mit Pool und weitere Immobilien besessen haben.

Betrug zu Lasten der Patientinnen und Patienten?

Dass die Angeklagten die Leistungen ihres Pflegedienstes wegen des Fehlens einer Pflegefachkraft gar nicht bei den Kassen hätten abrechnen dürfen, ist das eine. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, inwiefern die Pflegepatientinnen und –patienten darunter gelitten haben. Laut Staatsanwaltschaft ist genau das der Fall. Die Qualität der Leistungen in dem ambulanten Pflegedienst seien "auf ein Minimum" reduziert worden.

Bei einer Razzia in einem Anwesen in Kitzingen sind nach BR-Recherchen im vergangenen Herbst fünf dem Pflegedienst anvertraute Personen aufgefunden worden, in teils erschreckendem gesundheitlichem und hygienischem Zustand. Während es in dem Prozess am Landgericht Nürnberg-Fürth vorrangig um den Abrechnungsbetrug geht, läuft bei der Staatsanwaltschaft Würzburg noch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung. Ob und wann es auch hier zur Anklage kommt, ist noch unklar.

Verteidiger gehen in die Offensive

Zum Prozessbeginn am Landgericht Nürnberg-Fürth sind die Verteidiger der drei Angeklagten schnell in die Offensive gegangen. Noch vor Verlesung der Anklageschrift beantragten sie, die Hauptverhandlung zu unterbrechen. Weil mehr Prozessunterlagen dazugekommen seien – und das zu kurz vor dem Prozess. Der Vorsitzende Richter lehnte den Antrag ab. Daraufhin nahm einer der Verteidiger direkt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ins Visier. Diese seien ein "Schnellschuss". Teile der Anklageschrift seien quasi per "copy and paste" von anderen Pflegebetrugsverfahren übernommen worden. Das werde der Komplexität des Falls nicht gerecht. Zu den Vorwürfen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs einlassen wollten sich die drei Angeklagten zunächst aber nicht.

Prozessbeginn Abrechnungsbetrug bei ambulantem Pflegedienst in Millionenhöhe
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Prozessbeginn Abrechnungsbetrug bei ambulantem Pflegedienst in Millionenhöhe

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