Eine Pflegekraft betreut einen älteren Herren zuhause
Bildrechte: ASB / Timm Schamberger

Der Personalmangel in der Pflege bereitet den ambulanten Diensten große Probleme.

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Personalnot in der Pflege: "Wir haben ein massives Problem"

Die Personalnot in der Pflege spitzt sich zu: Heimplätze können teils nicht mehr belegt werden. Ambulante Dienste können den großen Bedarf nicht mehr abdecken. Beim Pflegedienst des ASB im Oberallgäu spricht man von einem "massiven Problem".

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

"Wir haben täglich zirka fünf verzweifelte Menschen am Telefon, die Unterstützung brauchen und diese nicht bekommen können", sagt Markus Dinnebier, Leiter des ambulanten Pflegediensts des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) im Oberallgäu. Schweren Herzens müssten er und seine Kolleginnen regelmäßig Angehörigen und Pflegebedürftigen eine Absage erteilen. Die Kapazitäten bei dem Pflegedienst sind erschöpft. Es fehlt das Personal.

Verträge gekündigt, Touren zusammengelegt

"In den letzten drei Jahren waren wir einige Male gezwungen, bestehende Versorgungsverträge zu kündigen", sagt Diennebier. Mangels Personal mussten sie beim ASB in Immenstadt die Anzahl der Pflegetouren von 14 auf acht reduzieren. Um die Überlastung der Pflegekräfte zu verhindern, kann der Dienst derzeit kaum noch zusätzliche Betreuungen übernehmen. "Ich möchte nicht, dass die paar wenigen Mitarbeiter, die ich habe, wegen Überlastung dann auch noch die Segel streichen", sagt der Pflegedienstleiter.

"Die Leute sind total verzweifelt"

Auch bei anderen ambulanten Diensten, in Pflegeheimen und Tagespflegeeinrichtungen fehlten die dringend gebrauchten Fachkräfte, heißt es beim ASB. Große Träger wie Arbeiterwohlfahrt, Caritas oder Diakonie sprechen von einer Katastrophe, in die die Versorgung derzeit rutsche. Als ein "Systemversagen mit Ansage" bezeichnet es etwa der Leiter der Caritas-Sozialstation St. Kunigund in Röttingen, Alexander Bucherer.

Pflegekraft Claudia Lerchenmüller, die auch als Pflegeberaterin im Oberallgäu unterwegs ist, sagt: Die Nachfrage sei riesig, einen Pflegedienst oder Pflegeplatz zu finden aber sehr schwer. "Die Leute sind total verzweifelt", erzählt Lerchenmüller. "Ich habe oft weinende Angehörige vor mir und ich kann denen nichts bieten." Es gebe keinen Heimplatz, keine Kurzzeitpflegeplätze, keine Pflegedienste, keine Hauswirtschaft. "Es gibt einfach nichts mehr."

Lange Fahrtstrecken: Keine Betreuung

Der Markt an Pflegekräften ist leer gefegt. Das Problem gebe es flächendeckend, sagt Sabine Weingärtner, Präsidentin der Diakonie in Bayern. An abgelegenen Orten wie einigen Tälern in Südbayern könnten Pflegedienste ältere Menschen wegen der langen Wege zum Teil nicht mehr anfahren. Stellenweise mussten auch bei der Diakonie bestehende Verträge gekündigt werden. "Das ist leider Realität. So schwer das den Trägern bei uns fällt. Aber wenn einfach niemand da ist, der eine Tour fährt, können sie einfach ihre Dienstleistung nicht mehr aufrechterhalten."

Unbelegte Plätze in Heimen

Zudem zwingt die Personalnot nicht nur ambulante Pflegedienste dazu, ihr Angebot einzuschränken. Quer durch Bayern gibt es immer häufiger Berichte über Pflegebetten, die nicht belegt werden können, weil Personal fehlt. In der Stadt und im Landkreis Coburg könnten derzeit mehr als 100 Plätze in Pflegeheimen nicht vergeben werden, weil Personal fehle, berichtet der ASB-Pflegeheimleiter Reiner Walz. In Würzburg beziffert das Sozialreferat die Zahl der nicht belegten Pflegeheim-Plätze auf mehr als 300.

ASB warnt vor Zusammenbruch des Pflegesystems

Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht schnell änderten, drohe dem Pflegesystem der Zusammenbruch, warnt der Arbeiter-Samariter-Bund in Bayern. Denn neben der Personalnot machen den Pflegediensten und Heimen auch die steigenden Kosten zu schaffen. "Unser Spitzenverband spricht auch schon von der Gefahr, dass ambulante Pflegedienste wie stationäre Pflegeeinrichtungen von Insolvenz bedroht sind", sagt der Geschäftsführer des ASB im Allgäu, Uwe Kuchinke.

"Wir haben ein massives Problem in der Pflege"

Beim ASB in Immenstadt wollen sie deshalb noch einmal mit Nachdruck auf die Personalnot aufmerksam machen: "Wir haben ein massives Problem in der Pflege", sagt Dinnebier. Es bestehe dringender Handlungsbedarf. "Wenn wir nicht alle - Politik, Sozialverbände, Kostenträger, Versicherungen, Gesellschaft und jeder Einzelne – daran arbeiten, wird es immer häufiger der Fall sein, dass es Menschen gibt, die einfach gar keine Versorgung bekommen." Und das gelte es unbedingt zu verhindern. Denn die Pflege wird gebraucht. Und der Bedarf steigt.

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