Den Recherchen zufolge hatte das rechte Netzwerk zunächst einen Bombenanschlag auf den Nürnberger Justizpalast erwogen. Laut dem Insider wurde auch über weitere Ziele gesprochen. Am Ende gingen in Nürnberg bekanntlich drei Morde und – als mutmaßlich erste Tat – eine Rohrbombenexplosion im Lokal eines Türken auf das Konto des NSU.
Anders als bislang bekannt, nahmen nicht nur Mundlos, sondern auch Böhnhardt und Zschäpe 1995 an einer Party mit mehr als hundert Neonazis in Nürnberg teil. Zu der Feier war den Recherchen von BR und Nürnberger Nachrichten zufolge auch der Neonazi Ralf Wohlleben angereist, der mutmaßlich die NSU-Mordwaffe beschaffte. Ebenfalls dabei: Holger G., der im NSU-Verfahren am Münchner Oberlandesgericht als Unterstützer angeklagt ist. Das Trio stieg nach Angaben des Insiders auch regelmäßig in einem polizeibekannten Rechtsradikalentreff im Nürnberger Stadtteil Mögeldorf ab. Versammlungsort war demnach eine Mietwohnung, die unter anderem von dem Neonazi und Holocaustleugner aus den USA, Gary L., mitfinanziert worden sein soll.
Name auf "Garagenliste"
Kai Dalek, ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, den BR und NN ausfindig machten, war seit 1995 in einschlägigen Szenetreffs in der fränkischen Metropole aktiv. Er hatte nach Informationen des Rechercheteams die Vernetzung zwischen thüringischen und fränkischen Rechtsextremen maßgeblich vorangetrieben und so ermöglicht, dass das spätere terroristische NSU-Trio mit der radikalisierten Neonaziszene in Franken in Kontakt kam. Dalek steht außerdem auch auf der so genannten "Garagenliste" des NSU-Trios. Diese Telefonliste hatten Ermittler 1998 bei der Durchsuchung einer mit Sprengstoff, Rohrbomben und Propagandamaterial vollgepackten Garage in Jena entdeckt. Unmittelbar danach war das Trio abgetaucht. Dalek leugnet nach wie vor, das NSU-Trio gekannt zu haben.
Nebenklage-Anwalt fordert zweiten Untersuchungsausschuss
Der NSU-Untersuchungssauschuss des bayerischen Landtags hatte den Verfassungsschutz 2013 vergeblich um nähere Informationen über Dalek gebeten. Die Landtagsabgeordnete Helga Schmitt-Bussinger (SPD) hatte als früheres Mitglied des Untersuchungsausschusses auf eine Anfrage beim Verfassungsschutz lediglich Akten erhalten, die fast vollständig geschwärzt waren. Schmitt-Bussinger beklagte nun gegenüber BR und NN: "Mit dem Verfassungsschutz ist eine Aufklärung nicht möglich." Sebastian Scharmer, einer der Nebenkläger-Anwälte im Münchener NSU-Prozess und zugleich Experte auf dem Gebiet von V-Leuten, forderte im Gespräch mit BR und NN, dass der Landtag einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss einberufen soll.
Die Nürnberger Nachrichten berichten in der Ausgabe vom 20. April 2018 über die gemeinsame Recherche.
(Autoren: Jonas Miller, Elke Graßer-Reitzner, Martin Hähnlein, Stanislaus Kossakowski, Michael Reiner und Sabine Stoll)