Symbolbild Lieferverkehr Passau
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Ein Lkw-Fahrer bei der Arbeit in Passau

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Nach tödlichem Unfall in Passau: Risiko Lieferverkehr?

Nach dem tödlichen Lkw-Unfall vor gut einer Woche steht Passau immer noch unter Schock. Während Kritiker weniger Lieferverkehr in der Innenstadt fordern, stehen Lkw-Fahrer täglich vor großen Herausforderungen: unfallfrei durch den Verkehr zu kommen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Am 29. Dezember war in der Passauer Innenstadt ein Lkw in eine Menschengruppe gefahren. Die Folge des Unfalls, dessen Ursache noch nicht aufgeklärt ist: Zwei Tote und mehrere Verletzte. Nun flammt eine Diskussion um den Lieferverkehr in Innenstädten auf.

Mitgefühl mit dem Lkw-Fahrer

Sie beginnen ihren Dienst im Dunkeln, wenn viele noch schlafen: Lkw-Fahrer. Einer von ihnen ist Robert Fürst. Seit 25 Jahren fährt er für die Firma "Troiber" Lebensmittel in Passau aus. Er beliefert unter anderem Restaurants und Hotels. Gleich zu Beginn seiner Tour kommt er an der Stelle vorbei, an der vor Kurzem ein Lkw-Fahrer eine Mutter und ihr Kind überfahren hat und drei weitere Menschen verletzte. Fürst schaut auf die Grablichter, die dort brennen, und sagt: "Das ist tragisch. Wieso passiert so was?" Er habe volles Mitgefühl mit der Familie. Ihm tue aber auch der Fahrer leid, ein 63 Jahre alter Mann. "Da wirst du doch im Leben nicht mehr froh."

Fürst befürchtet, dass jetzt gegen Lkw-Fahrer in der Altstadt Stimmung gemacht werden könnte, dass Anwohner kein Verständnis für seine Arbeit haben. Denn Verkehr ist in Passau ohnehin ein Streitthema. Und tatsächlich hat es nach dem Unfall nur einen Tag gedauert, bis ein Verein weniger Lastwagen in der Innenstadt forderte.

Baustellen, Mülltonnen, Handys

Fürst steuert seinen Siebeneinhalbtonner in die Fußgängerzone. Passanten huschen in dunklen Winterjacken an ihm vorbei. Ein paar haben Kopfhörer auf, andere schauen aufs Handy. Fürst blickt konzentriert nach vorne und wird vor einer Baustelle langsamer. Mülltonnen blockieren den Weg. "Mülltonnen hierher zu stellen, ist doch rücksichtslos", ärgert sich Fürst. Seit 25 Jahren ist er unfallfrei unterwegs. Es trifft ihn, wenn Verbände weniger Laster in der Altstadt fordern. "Wenn die Leute in der Altstadt essen gehen wollen, dann muss das Essen auch geliefert werden", sagt er.

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In Passau geht es oft eng zu

Neues Lieferverkehrs-Konzept für Passau gefordert

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert ein neues Lieferverkehrs-Konzept für Passau. Mit Logistikzentren außerhalb, in denen Lieferungen gebündelt werden, sodass nur volle Transporter, und im besten Fall kleine, emissionsarme Fahrzeuge in die Altstadt fahren. Gäbe es diese Form von Verkehr bereits in der Bahnhofstraße, hätte sich der Unfall vom Dezember "vermeiden lassen, beziehungsweise er wäre zumindest nicht so schwer ausgefallen", schreibt der Verein.

Eine Idee, auf die die Stadt nicht eingeht. "Wir sehen es als nicht zielführend an, wenn aus einem solchen dramatischen Unglück politische Unterfangen abgeleitet werden", heißt es schriftlich auf BR-Anfrage. Außerdem lägen der Stadt noch keine abschließenden Untersuchungsergebnisse zum Unglückshergang vor. Die Polizei ermittelt nach wie vor wegen fahrlässiger Tötung.

City-Logistik in Regensburg gescheitert

Logistikzentren aufbauen, Verkehr bündeln – Lebensmittelgroßhändler Günter Troiber aus Hofkirchen im Landkreis Passau kann sich das nicht vorstellen. Zu unterschiedlich seien die Bedürfnisse verschiedener Branchen. "Würden es die Händler akzeptieren, dass Pullover im gleichen Lkw geliefert werden wie Fisch? Das bezweifle ich", sagt er. Zudem seien die Zeiten, in denen Ware angenommen wird, je nach Gewerbe unterschiedlich. Troiber glaubt, dass das Liefergeschäft dadurch teurer werde.

Und tatsächlich ist in Regensburg vor vielen Jahren ein City-Logistik-Konzept gescheitert. BMW, IHK und Stadt hatten sich zusammengeschlossen, konnten fünf Spediteure und 28 Händler gewinnen. Doch 2012 wurde das Projekt eingestellt, weil Paketdienste nicht mitgemacht hatten und es nicht wirtschaftlich war.

Kleines Projekt läuft erfolgreich

In Regensburg hat sich aber im kleineren Stil wieder etwas entwickelt. Einzelne Unternehmen und Paket-Dienstleister haben gemeinsam die Zustellung innerhalb der Altstadt umgestellt. Mittels Mikro-Depots und Lastenräder stellen die Auslieferer Pakete auf der sogenannten "letzten Meile" umweltschonend zu, informiert die Stadt.

Stadt prüft Tempo-20-Zone

An die Unfallstelle in der Passauer Bahnhofstraße bringen Menschen Kerzen. Sie legen Kuscheltiere oder Blumen nieder. Spricht man mit einigen, dann fallen Sätze wie "hier gehts so zu" oder "die Straße müsste verkehrsberuhigt werden". Tatsächlich prüft die Stadt gerade für den Bereich, in dem der Unfall passiert ist, ob sich das Tempolimit von 50 auf 20 Kilometer pro Stunde reduzieren lässt.

Ganz unabhängig davon wünscht sich Lkw-Fahrer Robert Fürst mehr Rücksichtnahme aller im Straßenverkehr. "Wenn jeder auf den anderen schaut, dann geht's schon", sagt er.

Nach dem tödlichen Lkw-Unfall vor gut einer Woche steht Passau immer noch unter Schock. Während Kritiker weniger Lieferverkehr in der Innenstadt fordern, stehen Lkw-Fahrer täglich vor großen Herausforderungen: unfallfrei durch den Verkehr zu kommen.
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Nach dem tödlichen Lkw-Unfall vor gut einer Woche steht Passau immer noch unter Schock.

💡 Getötete Fußgänger in Bayern

Die Zahl der verunglückten Fußgänger ist in Bayern in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Wie das Bayerische Verkehrsministerium auf BR-Anfrage mitteilt, wurden im Jahr 2014 (von Januar bis Oktober) 62 Fußgänger im Straßenverkehr getötet. 2023 waren es im gleichen Zeitraum 37.

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