Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).
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Nach BR-Recherche: Holetschek will Heim-Kontrollsystem prüfen

Nach den Berichten des Bayerischen Rundfunks zu Missständen in der Seniorenresidenz Schliersee soll es Konsequenzen geben. Der Freistaat wolle die Kontrollmechanismen in Heimen überprüfen, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU).

Nach den Ermittlungen zu mutmaßlichen massiven Missständen in einem Seniorenwohnheim in Schliersee nach BR-Recherchen, will der Freistaat die Kontrollmechanismen für Heime auf den Prüfstand stellen. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte, man müsse prüfen, "ob weitere Verbesserungen am derzeitigen Kontroll- und Bewertungssystem erforderlich sind".

"Hinweise auf Missstände ernstnehmen"

Holetschek sagte, er nehme Hinweise auf mögliche Missstände in Pflegeheimen sehr ernst. "Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die Pflege und Betreuung in allen Einrichtungen im Freistaat angemessen gewährleistet wird und die Bewohnerinnen und Bewohner vor Beeinträchtigungen geschützt werden."

"Aufklärung mit Entschlossenheit"

Vorfälle wie im Seniorenwohnheim in Schliersee müssten mit aller Entschlossenheit aufgeklärt werden. "Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, muss das klare Konsequenzen haben", sagte der bayerische Gesundheitsminister.

Verdacht auf Körperverletzungsdelikte bei 88 Bewohnern

Insgesamt gibt es 17 Todesermittlungsverfahren zu Bewohnern der Seniorenresidenz Schliersee. Dabei überprüfen Gerichtsmediziner auch, ob gravierende Pflegemängel zum Tod geführt haben, zum Beispiel Unterernährung. Mehr als 100 Angehörige, ehemalige Mitarbeiter und Ex-Bewohner haben Reporterinnen des Bayerischen Rundfunks von desaströsen Zuständen in der Seniorenresidenz Schliersee berichtet: Die Grundbedürfnisse der Bewohner wie Essen und Trinken seien nicht erfüllt worden; es fehlten Lagerungshilfen, dadurch sei es zu deformierten Füßen und Druckgeschwüren gekommen; Wunden seien nicht ausreichend versorgt worden. Interne Unterlagen aus verschiedenen Behörden bestätigen dies.

Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Staatsanwaltschaft München II erklärte auf BR-Anfrage: "Wenn aus solchen Missständen körperliche und gesundheitliche Folgen für die Betroffenen entstehen, steht die ganze Bandbreite von Körperverletzungsdelikten im Raum." Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzungsdelikten bei 88 Bewohnern, auch wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Es wird gegen vier Beschuldigte ermittelt, es gilt die Unschuldsvermutung.

Vertreter der Opposition sehen Staatsregierung in der Pflicht

Vor den Äußerungen des Gesundheitsministers hatten sich zahlreiche Politikerinnen und Politiker der Opposition zu Wort gemeldet. Für den gesundheitspolitischen Sprecher der FDP, Dominik Spitzer, zeigten die BR-Recherchen deutlich, welche Konsequenzen das Versagen einer Behörde haben könne. Für die SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann demonstriert der Fall der Seniorenresidenz Schliersee absolutes Kontrollversagen. Waldmann nahm im BR-Interview die oberste Aufsichtsbehörde der Heimaufsicht, das bayerische Gesundheitsministerium, in die Pflicht. Ähnlich urteilte Andreas Krahl (Grüne). Für den gelernten Krankenpfleger tauchen Missstände in Altenpflegeheimen zu häufig auf, um diese als Einzelfälle zu betrachten.

Stiftung Patientenschutz fordert "gesetzliche Haftungsregelungen"

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, fordert nach Bekanntwerden der mutmaßlich schweren Vernachlässigungen "gesetzliche Haftungsregelungen". Anders als bei Produkten, für die der Hersteller die Mangelfreiheit beweisen müsse, gebe es dies für Pflegeleistungen in Deutschland nicht, sagte Brysch. Es fehle ein Dienstleistungshaftpflichtgesetz.

Brysch kritisierte auch, dass das Heim trotz der massiven Vorwürfe nicht geschlossen wurde. Es müsse "schon viel passieren, bis die Heimaufsichten in den Kommunen mit Teil- und Komplettschließungen drohen", sagte der Patientenschützer. Schließlich hätten die örtlichen Behörden die Folgen im Blick. Es gilt zu klären, wo die Bewohner bei Schließungen unterkommen sollen und wer die Mehrkosten dafür am Ende trägt.

Pflegeheime als "Blackbox" durch Corona-Pandemie

Brysch sagte weiter, Missstände und Hygienemängel habe es auch schon vor der Corona-Pandemie immer wieder gegeben. Die Situation habe sich durch Covid-19 aber verschärft. Denn ohne Angehörigenbesuche, Überprüfungen des Medizinischen Dienstes und Kontrollen der Heimaufsichten und der Gesundheitsämter würden die 12.000 Pflegeheime jetzt "vollends zur Blackbox". Heimbetreiber wüssten dies oft sehr genau, monierte er. Ebenfalls problematisch sei, dass die Beweise für die Missstände in einem Pflegeheim hieb- und stichfest sein müssen. "Denn sonst droht Schadensersatz, der schnell in die Millionen gehen kann", sagte Brysch. Zudem verstünden es Heimbetreiber, durch schnelle Trägerwechsel die Verantwortlichkeit zu verschleiern. Genau diese Komplexität hemme eine effektive Kontrolle.

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