Wenn Förster Daniel Schenk eine Fläche "auf Stock" setzt, bekommt er jedes Mal einen Shitstorm auf Facebook: "Auf Stock setzen", heißt: 80 Prozent der Bäume werden abgeholzt, bis zum Wurzelstock. Nur wenige starke Bäume bleiben stehen. Sie stehen in weitem Abstand, die Fläche wirkt kahl. "Waldfrevel", heißt es in den Kommentaren, "der deutsche Wald wird geschlachtet" und "dieser Herr Schenk hätte sich mit Herrn Wohlleben beraten sollen." Daniel Schenk kann die Reaktionen verstehen: "Der Anblick ist auch für einen Förster schwer zu ertragen, es fehlt alles, was einen Wald ausmacht."
- Zum Podcast: Der Mittelwald - Eine historische Waldbauform
Alle 30 Jahre beginnt es wieder von vorn
Was bei vielen Menschen im Landkreis Forchheim für Aufruhr sorgt, ist eine alte Bewirtschaftungsform. In früheren Zeiten wurden viele Wälder so genutzt: Die starken Bäume wuchsen über Jahrhunderte heran und dienten dem Haus- und Stallbau, der Rest war Brennholz. Alle paar Jahre war eine andere Fläche dran, immer nur ein bis zwei Hektar, so dass nie der ganze Wald kahl war.
Nach 30 Jahren war das Unterholz wieder zu Bäumen herangewachsen, sie wurden abgeholzt und das Spiel ging von vorn los. Heute sind viele dieser Flächen zu dichten Hochwäldern geworden, denn die Menschen wollten ab 1900 astfreies, perfektes Holz und nicht die krummen Stockausschläge aus dem Mittelwald.
Weniger Bäume teilen sich die Ressourcen
Im Klimawandel könnten diese Wälder jedoch eine Renaissance erfahren: In den letzten Trockenjahren haben viele Buchenwälder in Franken gelitten, selbst alte Buchen sind an Wassermangel gestorben. Die Idee: Wenn diese Wälder aufgelichtet werden – als Mittelwald – haben die verbliebenen Bäume mehr Wasser und Nährstoffe zur Verfügung. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass diese Bäume "resilienter", also widerstandsfähiger sind. "Ein gesunder Baum mit breiter Krone und guter Wasserversorgung ist resistenter", sagt Daniel Schenk, der sein Revier im Landkreis Forchheim hat. "In der Klimaerwärmung brauchen wir starke Einzelbäume – die ergeben einen stabilen Wald."
Hotspots der Artenvielfalt
Und wo viel Licht ist, bekommen auch andere Baumarten eine Chance: Ahorne, Linden, Ulmen und die Eiche. Diese lichtbedürftigen Baumarten werden normalerweise von der Buche unterdrückt – sie haben in der Klimaerwärmung aber bessere Aussichten. Und der Mittelwald hat noch ein Plus: seine Artenvielfalt. Daniel Schenk betreut mehrere Mittelwälder im Landkreis Forchheim. Eine Fläche im Gemeindewald Leutenbach hat der Förster vor drei Jahren auf Stock setzen lassen: Seitdem ist die Artenvielfalt explodiert. Auf solchen Flächen leben drei Mal so viele Schmetterlinge wie im dichten Hochwald – darunter viele Rote-Liste-Arten.
Förderung vom Freistaat für Mittelwälder
In Deutschland ist weniger als ein Prozent der Waldfläche Mittelwald – 75 Prozent davon liegen in Franken. Die Naturschutzbehörden unterstützen Waldbesitzer, die ihre alten Mittelwälder wieder als solche nutzen wollen: Für einen Stockhieb gibt es 4000 Euro pro Hektar aus dem Vertragsnaturschutzprogramm Wald. Die Beratung dazu macht der örtliche Forstrevierleiter. Denn reine Buchenwälder werden zu kämpfen haben in der Klimaerwärmung, auf trockenen Böden sind andere Waldbaukonzepte gefragt. Vielleicht kann der alte fränkische Mittelwald ein Weg sein, diese Wälder in eine neue Zukunft zu führen.
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