Fluss fließt durch verschneite Winterlandschaft mit kahlen Sträuchern und Gräsern.
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An der Altmühl befinden sich die letzten Brutgebiete für Wiesenbrüter-Arten in Deutschland. Ein Projekt zu ihrem Schutz steht auf der Kippe.

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Millionen für Wiesenbrüter-Projekt im Altmühltal auf der Kippe

Im Altmühltal leben so viele gefährdete Wiesenbrüter wie sonst nirgends in Deutschland. Der Bund will zehn Millionen Euro in ihren Schutz investieren. Doch ob das Geld fließt, ist unklar. Wer von den Projekt-Plänen nicht überzeugt ist.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es ist ein Mammutprojekt, in der Bedeutung vergleichbar mit dem "Grünen Band" an der früheren innerdeutschen Grenze. Rund 70 Kilometer entlang der Altmühl erstreckt sich das Gebiet, das künftig zu einer Art Reservat für vom Aussterben bedrohte Vogelarten werden soll, ganz speziell die Wiesenbrüter. Damit ist es bundesweit das größte zusammenhängende Areal, in dem alle neun Wiesenbrüter-Arten überhaupt noch vorkommen, erklärt Projektleiter Dietmar Herold.

Zwei Landkreise müssen zustimmen

Kiebitz, Brachvogel oder Uferschnepfe bauen ihre Nester auf feuchten Wiesen, wie sie entlang der Altmühl vorkommen. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Region deshalb schützenswert. Sie hat Fördergelder in Millionenhöhe zugesagt, die zwischen Colmberg und Treuchtlingen entlang der Altmühl investiert werden könnten. Die Voraussetzung: die beiden beteiligten Landkreise Ansbach und Weißenburg-Gunzenhausen steuern zehn Prozent der Fördersumme selbst bei.

Vor einem Jahr herrschte darüber noch große Einigkeit. Bei der Vorstellung der Pläne sah es so aus, als gäbe es keine Verlierer – und als zögen alle Beteiligten an einem Strang. Was gut für bedrohte Wiesenbrüter ist, könnte Verbesserungen für die Artenvielfalt in der Natur insgesamt, für ausgetrocknete Wiesen und den Tourismus bringen, so war die Meinung.

Warum die Zustimmung jetzt wackelt

Doch ein Jahr später wackelt die nötige Zustimmung im Kreistag von Weißenburg-Gunzenhausen. Und es könnte sein, dass die Region auf viele Millionen Euro an Fördergeldern verzichten muss. Landwirte fühlen sich nicht gut genug informiert und befürchten einen Verlust ihrer Flächen. Weißenburg-Gunzenhausens CSU-Landrat Manuel Westphal teilt diese Befürchtungen.

Seit drei Jahren laufen die Vorarbeiten für das Projekt, der nächste Schritt wäre nun die konkrete Realisierung. Biologen haben sich im Rahmen des Projektes "chance.natur Lebensraum Altmühltal" die Region genau angesehen. 400 Seiten stark ist das Werk, das sie dazu im vergangenen Jahr vorgestellt hatten. Auf zahlreichen Karten haben die Fachleute eingezeichnet, wo welcher Wiesenbrüter vorkommt – und welche Maßnahmen an welchen Stellen am meisten Sinn ergeben.

So sollen künftig Bäume gekürzt werden, auf denen Raubvögel nach Kiebitz-Jungen Ausschau halten. Und Landwirte sollen in bestimmten Bereichen die Wiesen erst dann mähen, wenn die Jungvögel ausgeflogen sind oder zumindest nicht alles auf einmal mähen, damit sich Insekten und anderen Kleintiere verstecken können.

Wie Landwirte die Wiesenbrüter schonen können

Etwa in der Mitte des Projektgebietes, nördlich des Altmühlsees bei Gunzenhausen, haben Landwirte schon länger Erfahrung mit den Wiesenbrütern. Im sogenannten Wiesmet laufen seit 30 Jahren Naturschutzprogramme. Landwirte bekommen Geld, wenn sie Mulden graben, in denen Wasser länger stehen bleibt. "Wir haben den Balkenmäher wieder eingeführt", berichtet Klaus Fackler vom Landschaftspflegeverband. Landwirte machen mit und haben sogar eigene Geschäftsmodelle entwickelt. So verkauft ein Landwirt das ungedüngte, magere Wiesengras als hochwertiges Kaninchenfutter. Doch zwischen Colmberg und Treuchtlingen gibt es auch hunderte Landwirte, die ihre Felder bislang anders bewirtschaften. Von ihnen kommt teilweise massive Kritik.

"Der Schutz der Wiesenbrüter ist den Bauern wichtig, weil sie zur Landschaft dazugehören", schickt der Kreisobmann des Bauernverbands im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, Erwin Auernhammer, voraus. Er ist Ferkelerzeuger auf der Jura-Hochebene und befürchtet, dass das Gebiet langfristig als Naturschutzgebiet ausgewiesen wird. Dies ist zwar nicht vorgesehen, doch das Misstrauen sitzt tief. "Wir haben dann vorbildlich gearbeitet und werden mit Auflagen bestraft", so Auernhammers Sorge. Hier habe man schlechte Erfahrungen mit den FFH-Gebieten gemacht, so der Landwirt. Auch befürchtet er Nachteile, wenn der Landwirtschaft weitere Flächen entzogen werden.

Welche Interessen im Altmühltal aufeinander treffen

Das Ringen um die wertvollen Flächen steht beispielhaft für viele Regionen im Freistaat. Weitere Solaranlagen und wahrscheinlich doppelt so viele Windräder wie bisher werden kommen. Gewerbegebiete, Rechenzentren, Neubaugebiete brauchen Grund und Boden. Das ist nicht zuletzt einer der Gründe, warum immer mehr Tierarten verschwinden.

Im Altmühltal besteht hingegen die Möglichkeit für eine Rolle rückwärts. Und es sind große Interessenskonflikte, die hier ausgetragen werden. Sind Bäume am Rand der Gewässer als Schattenspender wichtig, damit sich das Flusswasser nicht so schnell aufheizt? Oder doch eher die Sicherheit der Wiesenbrüter, die von Raubvögeln bedroht werden, die sich in den Bäumen verstecken? Ist es wichtig, dass niemand das Gelände betritt? Oder werden damit Jäger behindert, die die lästigen Graugänse jagen sollen?

Warum die Planungen die Landwirte verunsichert haben

Bauernverbandsobmann Auernhammer beklagt, dass Landwirte in die Planungen nicht eingebunden worden seien. Der Bauernverband allerdings wusste über alles Bescheid, die Interessensvertretungen von Landwirtschaft, Jägern, Fischerei und den Behörden seien von Anfang an zu den Arbeitssitzungen eingeladen gewesen, erklärt Dietmar Herold, Projektleiter von "Lebensraum Altmühltal". "Wir konnten unmöglich im Vorfeld mit 800 einzelnen Landwirten sprechen", sagt Dietmar Herold. Da gebe es außerdem die Grundstückseigentümer und diejenigen, die die Flächen bewirtschaften. Das seien unzählige Einzelpersonen. Entscheidungen und konkrete Gespräche über eine Umsetzung der Pläne werde es erst geben, wenn es überhaupt zu einer nächsten Phase kommt. Doch der im Juli veröffentlichte 400 Seiten starke Pflege- und Entwicklungsplan erwecke bei manchen Landwirten offenbar den Eindruck, alles sei bereits ausgemachte Sache.

LBV: "Letzte Chance, Wiesenbrüter vor Ort zu schützen"

Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) war mit dem Landschaftspflegeverband von Anfang an als Träger mit im Boot. Sollte die Umsetzung kommen, wird der Verband hauptamtliche Fachleute stellen können, die Aufgaben wie Biotoppflege und Kartierung übernehmen. Oder die Koordination der Beteiligten, die über Änderungen an einem bestimmten Graben mitzureden haben.

Der junge, ehrenamtliche LBV-Kreisverbandsvorsitzende für Weißenburg-Gunzenhausen, Sebastian Amler, wirbt mit Nachdruck um eine Zustimmung der Kreisräte. Falls dieses Projekt nicht komme, fielen zehn Millionen Euro an Geldern weg. Das sei für ein Naturschutzprojekt eine ungeheuer hohe Summe. "Und für mich ganz persönlich ist dieses Projekt wirklich so eine letzte Chance, unsere Wiesenbrüter hier vor Ort zu schützen. Und die Möglichkeit, mit den Leuten vor Ort gemeinsam Lösungen zu finden."

Landrat fordert Nachbesserungen

Der Landrat für Weißenburg-Gunzenhausen, Manuel Westphal (CSU), selbst Landwirt, fordert nun noch einmal Nachbesserungen. Forderungen von Jägern, Landwirten und Fischerei müssten vom Projektbüro berücksichtigt werden, teilte das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen mit. Bis zum kommenden Montag haben die Interessensgruppen Zeit, ihre offenen Punkte beim Landrat einzureichen. Diese sollen vom Projektbüro dann in mögliche Umsetzungsleitfäden eingearbeitet werden, so der Landrat. Bei einem runden Tisch vor einer Woche waren viele Interessenskonflikte mit Jägern, Landwirten, Fischern und der Wasserwirtschaft zur Sprache gekommen.

"Ein solches Großprojekt kann man keinesfalls an den Betroffenen, in diesem Fall an Landwirten, Jägern, Fischern oder auch der Wasserwirtschaft vorbei planen", so Landrat Manuel Westphal. Die Entscheidung des Kreistags Weißenburg-Gunzenhausen soll am 26. Februar fallen. Zuvor wird das Thema im Umweltausschuss des Kreistags am 7. Februar vorberaten. Der Kreistag des Landkreises Ansbach hingegen ist schon deutlich weiter: Er hat die erste der jährlich fällig werdenden Fördersummen in Höhe von 60.000 Euro bereits bewilligt.

Zwei Schilder an einem See.
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