Gerade in Grundschulen werden aktuell dringend mehr Lehrer gebraucht.
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Gerade in Grundschulen werden aktuell dringend mehr Lehrer gebraucht.

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Lehrermangel: Bürokratiehürden beim Lehrer-Werden

Bayern braucht dringend mehr Lehrer – es fallen zu viele Stunden aus. Doch es könnten weniger sein. BR24 hat eine angehende Lehrerin getroffen, die gern arbeiten würde. Aber aktuell nicht darf. Das Problem nämlich: Sie hat das Bundesland gewechselt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Eigentlich hätte Lisa jetzt vor einer Grundschulklasse stehen sollen, als Referendarin. Doch weil die 24-Jährige für das Referendariat, die Praxisphase also, das Bundesland gewechselt hat – von Sachsen nach Bayern – wurde daraus nichts. Das Problem: Das Abschlusszeugnis. Sachsen vergibt das offizielle Zeugnis nämlich einen Monat später, als für die Bewerbung in Bayern nötig wäre.

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Ein Jahr warten – wegen kollidierenden Fristen

"Das Problem ist, dass das vorläufige Zeugnis nicht anerkannt wird, sondern ich das offizielle Zeugnis benötige", erzählt Lisa. "Das bedeutet für mich, dass ich ein Jahr überbrücken muss, bis ich dann nächstes Jahr hoffentlich im September mit dem Referendariat in Bayern starten kann." Und das, obwohl sie aktuell in den Grundschulen dringend gebraucht würde. "Ich würde mir wünschen, dass das alles flexibler ist, weil wir als junge Generation nicht mehr ab der Geburt an einem Ort bleiben, bis wir alt sind, sondern wir sehr mobil sind."

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Kultusministerium: Freistaat habe Fürsorgepflicht für Schüler

Früher war es allerdings noch schwieriger, zwischen den Bundesländern zu wechseln. 2013 beschloss dann die Kultusministerkonferenz, dass die Anerkennung von Abschlüssen verschiedener Bundesländer einfacher werden soll. Das bayerische Kultusministerium verweist auf Anfrage des BR zu dem Thema auf die Bildungsqualität, die gewahrt bleiben müsse. Der Freistaat habe eine Fürsorgepflicht gegenüber den Schülern, deshalb sei alles so streng – die Unterlagen der Bewerber müssten alle Anforderungen erfüllen. Sei das der Fall, würde Bayern gerne qualifizierte Bewerber aus anderen Bundesländern aufnehmen, würde ihnen bei der Anstellung auch keine bürokratischen Hindernisse in den Weg legen.

Lehrerverband: Bürokratie und Fristen notwendig

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands versteht den Frust über Bürokratie und Fristen. Man brauche in den Schulen gerade jeden. Aber sie sagt auch: Die vielen Regularien seien dafür da, nachher ganz genau zu wissen, wer da vor einer Klasse steht. "Man muss Standards und die Bildungsqualität wahren. Es gibt Vereinbarungen zwischen den Bundesländern, was anerkannt wird und was nicht. Und es gibt auch Daten. Und wenn man ein Datum verpasst oder ein Zeugnis zu einem bestimmten Stichtag nicht hat, dann wird’s schwierig."

FDP: Geringe Flexibilität schade dem Lehrerberuf insgesamt

Die Opposition im Bayerischen Landtag sieht mehr Veränderungsbedarf. Matthias Fischbach, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, findet, dass das Lehramtsstudium deutlich flexibler werden müsse: "Das schadet auch der Attraktivität des Lehrerberufs insgesamt. Wer will ein Studium schon antreten, wo er sich von vornherein auf ein Bundesland festlegen muss."

Grüne: "Kein Ruhmesblatt für den Föderalismus"

Max Deisenhofer, Grünen-Abgeordneter und Mitglied des Bildungsausschusses im Landtag, sieht das ähnlich. "Diese Hürden sind völlig aus der Zeit gefallen und kommen aus Jahrzehnten, wo wir zu viele Lehrkräfte hatten. Jetzt müssen wir in Bayern froh sein, wenn qualifizierte Lehrkräfte zu uns kommen wollen. Insgesamt ist es kein Ruhmesblatt für den Föderalismus, dass die Anerkennung zwischen den Bundesländern auch im Jahr 2022 so schwierig ist."

AfD: Keine unnötigen Hürden, aber Standards müssen bleiben

Auch der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag, Oskar Atzinger, findet: "Wir dürfen engagierten, geeigneten Bewerbern keine unnötigen Hürden in den Weg legen. Andererseits müssen gewisse Standards beibehalten werden. Dies gilt für Quereinsteiger und ganz besonders für ausländische Lehrkräfte."

Statt Referendariat jetzt Sprung ins kalte Wasser: Vertretungslehrerin

Lisa hat sich mittlerweile mit der Verzögerung in ihrem Studium abgefunden. Damit sie das eine Jahr etwas zu tun hat, hat sie sich als Vertretungslehrerin beworben. Dann ist sie ständig in einer anderen Schule, einer anderen Klasse – eine Herausforderung. "Es fehlt ein bisschen die Erfahrung. Klar, habe ich die Praktika im Studium alle gemacht. Aber so ganz allein vor einer Klasse habe ich noch nie gestanden, deshalb ist es was ganz Neues." Eigentlich wäre nämlich das Referendariat im Studium genau dafür da: Sie gut auf die Praxis vorzubereiten.

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