Russisch-Deutsches Kulturzentrum in Nürnberg
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Russisch-Deutsches Kulturzentrum in Nürnberg

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Kritik an Russisch-Deutschem Kulturzentrum: Mögliche Propaganda?

Der Angriff Russlands auf die Ukraine spaltet die post-sowjetische Community in Deutschland. Viele helfen Geflüchteten, einige folgen aber auch der Kreml-Propaganda. Wurde sie auch durch das Russisch-Deutsche Kulturzentrum in Nürnberg verbreitet?

Über dieses Thema berichtet: Campus Magazin am .

Das Russisch-Deutsche Kulturzentrum in Nürnberg ist eine wichtige Institution für die russisch-sprechenden Menschen, die in Nürnberg leben. Es ist aus einer Privatinitiative hervorgegangen und leistet wichtige Bildungsarbeit. Hier werden Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene angeboten. Dazu zählen unter anderem Nachhilfe, Mal-, Schach- und Sportkurse. Auch Kinder ukrainischer Geflüchteter finden hier Beschäftigung. Dennoch gibt es Anzeichen, dass auch russische Propaganda hier auf fruchtbaren Boden fiel.

Verbindungen zur russischen Stiftung "Russkij Mir"

Bis ins Jahr 2022 wurde das Russisch-Deutsche Kulturzentrum von einer russischen Stiftung gefördert. Sie nennt sich "Russkij Mir" – übersetzt "Russische Welt". Bereits 2016 war bekannt, dass es sich dabei um ein Propaganda-Instrument des Kreml handelt. Alexander Meienberger von der Universität St. Gallen hat seine Dissertation über diese Stiftung geschrieben, die ab Mai als Buch erscheint. In Deutschland war die Stiftung bis 2022 mit fünf Kulturzentren verbunden, eben auch mit Nürnberg. Hier hat fast jeder zehnte Bürger Wurzeln in Ländern der früheren Sowjetunion. Viele von ihnen sprechen und verstehen Russisch.

"Wir haben Menschen, die in der Sowjetunion sozialisiert wurden, die in den Neunzigern vor dem oder nach dem Zerfall der Sowjetunion nach Deutschland kamen. Die sind anfällig für Propaganda, für bestimmte Narrative aus Moskau." Dr. Alexander Meienberger, Universität St. Gallen

Organisation des "Tag des Sieges"

Das Russisch-Deutsche Kulturzentrum Nürnberg organisierte regelmäßig Gedenkveranstaltungen zum 9. Mai auf dem Nürnberger Südfriedhof. In Russland und anderen früheren Sowjetrepubliken wird er als "Tag des Sieges" über Nazi-Deutschland gefeiert – und als Ende des "Großen Vaterländischen Krieges". Auch im Mai 2022 – also wenige Wochen nach Russlands Angriff auf die Ukraine – gab es eine Zusammenkunft auf dem Nürnberger Südfriedhof – zu sehen in einer BR-Dokumentation. Dabei tauchen Russlandflaggen sowie rote Sowjetflaggen mit Hammer und Sichel auf. Auch das orange-schwarze Georgsband ist mehrfach zu sehen. Ein Zeichen, das Kreml-Treue signalisiert.

Sowjet-Nostalgie oder Putin-Propaganda?

Beim Gedenken an den 9. Mai werden jährlich Bilder gefallener Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg hochgehalten. Putin hat dieses Gedenken für sich vereinnahmt, um daraus einen Heldenmythos zu kreieren. "Trauma wird zum Triumph und Trauer zur Aggression", schreibt Julie Fedor 2017 dazu in der Zeitschrift "Osteuropa".

Bei der 9.-Mai-Feier auf dem Nürnberger Südfriedhof 2022 handele es sich nicht um eine Versammlung, sondern um ein Gedenken und müsse nicht angemeldet werden, schreibt dazu die Stadt Nürnberg an den BR. Nichts, was auf der Versammlung zu sehen gewesen sei, sei verboten.

Kreml-Treue auch beim Ukraine-Krieg?

Das Russisch-Deutsche Kulturzentrum erhält Fördergelder der Stadt Nürnberg, zuletzt 123.000 Euro im Jahr, beschlossen vom Stadtrat. Nach Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Stadt verfügt, dass eine Co-Finanzierung mit der russischen Stiftung ausgeschlossen werde. Der Nürnberger Verein "Allianz für ein freiheitliches-demokratisches Russland" hat 2022 ein klares Bekenntnis gegen den Angriff vom Zentrum angefragt. Im März 2022 hatte sich die Leiterin des Zentrums gegenüber den "Nürnberger Nachrichten" geäußert, dass das Russisch-Deutsche Kulturzentrum politisch und religiös neutral sei und immer gewesen war. Aber war es das wirklich?

Leiterin der Einrichtung gibt 2017 vielsagendes Interview

Im Youtube-Kanal der Stiftung ist auch heute noch ein russischsprachiges Interview der Leiterin des Nürnberger Kulturzentrums zu sehen, das sie 2017 gegeben hatte. Der Politikwissenschaftler Felix Riefer, der in russischer Außenpolitik promovierte, verweist auf die Aussagen, die sie dort macht. Die Nürnbergerin spreche darin davon, die russische Welt in die Köpfe der Kinder zu pumpen. Sie würde bei den Russischsprachigen in Deutschland "die russische Sichtweise, die politische Sichtweise über kulturelle Veranstaltungen, wie Tanz, wie Sprachwettbewerbe" salonfähig machen, analysiert Felix Riefer und spricht von unterschwelligen Angeboten.

Vorbild für gelungene Integration

Die Leiterin des Zentrums hat in Moskau studiert und kam 1993 nach Deutschland. 1998 hat sie den Verein Russisch-Deutsches Kulturzentrum gegründet. 2009 siedelte sich die Einrichtung im Südwesten Nürnbergs an. Mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfern, Spenden und sehr viel Engagement hat sie es geschafft, aus dem Gebäude ein Kulturzentrum zu errichten, das eben auch die Stadt fördert. Die Nürnbergerin engagierte sich auch kommunalpolitisch. 2014 trat sie für die CSU bei den Stadtratswahlen an, ist aber nicht hineingewählt worden. 2017 hat sie die bayerische Staatsmedaille bekommen. In dem Interview von 2017 wird auch erwähnt, dass sie vom russischen Außenminister Sergej Lawrow eine Auszeichnung erhalten habe, sagt Politikwissenschaftler Felix Riefer. Das sei nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim von 2014 gewesen.

Wie viel Geld wurde aus Russland ans Nürnberger Kulturzentrum überwiesen?

Ab 2014 habe die Stiftung Alexander Meienberger zufolge an Bedeutung für die russische Politik verloren. Informationen, wie viel Geld das Nürnberger Kulturzentrum von der russischen Stiftung bekam, erhielt er nicht. Auch auf mehrfache Anfragen des BR hat das Russisch-Deutsche Kulturzentrum in Nürnberg zu diesem und zu weiteren Themen nicht reagiert. Niederländische und österreichische Kulturzentren haben Meienberger Zahlen genannt. Aufgrund dieser Informationen vermutet der Wissenschaftler, dass das Nürnberger Zentrum bis 2022 jährlich zwischen 30.000 und 35.000 Euro erhalten haben könnte.

Forderung: Aufklären und im Dialog bleiben

Man müsse aufklären und politische Fehler aufarbeiten, fordert Politikwissenschaftler Felix Riefer. Das sei ein langer Prozess. Aufklärung und Dialog fordern auch andere Kritiker der Einrichtung. Das Russisch-Deutsche Kulturzentrum in Nürnberg zu schließen, könnte nach hinten losgehen, sagt ein Kursleiter, der dort Sportkurse gibt und nicht mit seinem Namen genannt werden will. Er lehnt jegliche Propaganda ab, positioniert sich auch deutlich gegen Russlands Angriff auf die Ukraine.

Im Russisch-Deutschen Kulturzentrum besuchten auch ukrainische Kinder von Geflüchteten die Kurse. Und: "Nicht alle Mitarbeiter sind der Kriegspropaganda verfallen. Wir müssen sprechen, wir müssen versöhnen, wir müssen aufklären. Und wir dürfen auf keinen Fall aufgeben." Ein Wunsch, der sich sowohl an die Politik als auch die Gesellschaft richtet.

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