Wasserstandsanzeige in einem Fluss (Symbolbild)
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Wasserstandsanzeige in einem Fluss (Symbolbild)

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Kritik an Plänen für höheren Wertach-Aufstau bei Türkheim

Wasserkraft deckt 15 Prozent des bayerischen Stromverbrauchs. Doch auch mitten in der Energiekrise gibt es manchmal Bedenken: Naturschützer wie Anwohner laufen derzeit Sturm gegen die Pläne, am Wasserkraftwerk Türkheim mehr Wasser zu stauen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

An den Plänen für einen probeweisen, höheren Aufstau der Wertach um 60 Zentimeter am Wasserkraftwerk Türkheim im Unterallgäu gibt es viel Kritik. Im Rahmen des Verfahrens zur Öffentlichkeitsbeteiligung sind insgesamt 167 Stellungnahmen bei Landratsamt und der Marktgemeinde Türkheim eingegangen. Laut Bürgermeister Christian Kähler (CSU) wurden allein in seinem Rathaus rund 120 Einwände abgegeben.

Angst vor Wasser in Kellern

Wegen des höheren Aufstaus, der zunächst nur probeweise erfolgen soll, fürchten private Anwohner und Unternehmen im Bereich des Wertachufers auch einen Anstieg des Grundwasserpegels und dass dadurch Wasser in ihre Keller eindringen könnte. Und ein Wasserschaden bedeutet meist großen Ärger. Schlimmstenfalls ist die Wohnung für eine Zeit lang nicht mehr bewohnbar.

Gegner glauben an Reduzierung von Fischarten

Naturschützer kritisieren zudem die aus ihrer Sicht zu erwartenden ökologischen Auswirkungen eines höheren Aufstaus, den der Kraftwerksbetreiber, die Kraftwerk Türkheim GmbH, beim Landratsamt beantragt hat. Zwar besagt ein Gutachten im Auftrag des Betreibers, dass die Maßnahme die aktuellen Lebensbedingungen etwa für Fische nicht wesentlich verschlechtern würde.

Dem widersprechen allerdings die "Wertachfreunde", eine Interessensgemeinschaft aus den Ortsgruppen des Bund Naturschutz (BN) und des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) sowie den Fischereivereinen aus Türkheim und Bad Wörishofen. Sie erwarten überregionale Verschlechterungen der Lebensraumbedingungen, sollte der Antrag Erfolg haben.

So käme die Strömung bereits rund 500 Meter weiter oben im Flusslauf als bisher nahezu zum Erliegen, heißt es in ihrer Stellungnahme an das Landratsamt. Das schade den strömungs- und kälteliebenden, für einen Alpenfluss typischen Fischarten. Zudem entstünden im Staubereich etwa 3.000 Quadratmeter zusätzlich besonnte Wasseroberfläche, was die Wassertemperaturen steigen ließe – mit Auswirkungen für den gesamten weiteren Flussverlauf in Richtung Norden bis zur Mündung der Wertach in den Lech in Augsburg. Ohnehin seien heute bereits rund 70 Prozent der Wertach kanalisiert und ohne Strömungsvielfalt.

Klimawechsel: Weniger Wasser - weniger Strom

Die vom Betreiber genannten 600.000 kWh zusätzlicher Strom pro Jahr, mit dem 150 Haushalte versorgt werden könnten, seien "zu relativieren", so die "Wertachfreunde", weil Niedrigwasserperioden durch den Klimawandel zunähmen und das Kraftwerk dadurch seltener unter Volllast laufen könne.

Bürgermeister fordert genauere Recherche

Türkheims Bürgermeister Kähler sagte auf BR-Anfrage, man sei "froh, dass wir das Kraftwerk haben", mit dem grundlastfähig Strom erzeugt werden könne. Jedoch fordert auch er, man müsse vor dem Probeaufstau noch "genauer recherchieren", was die Auswirkungen sein könnten, als man das bisher getan habe. Eine solche Maßnahme dürfe nicht zulasten der Anwohner gehen. Es müssten noch "Hausaufgaben gemacht werden", bevor man es einfach probiere und dann möglicherweise den Schaden habe.

Die bei der Gemeinde und dem Landratsamt eingegangenen Einwände würden nun ausgewertet. Vermutlich ab Mitte Januar könne es dann zu Erörterungsrunden mit den Beteiligten über das weitere Vorgehen kommen.

Ziel: Mit geringem Aufwand mehr Strom erzeugen

Laut Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW), sei der Höheraufstau bereits vorhandener Stauhaltungen an Wasserkraftwerken "eine beliebte Maßnahme bei den Wasserkraftbetreibern“, um "mit begrenztem bautechnischen Aufwand" mehr Strom zu erzeugen. Gerade in der Energiekrise zähle jede Kilowattstunde. Auch beim neu ausgebauten Wasserkraftwerk in Töging am Inn – dem größten in Bayern – habe man das kürzlich gemacht. Jedoch würde die Mehrzahl derartiger Anträge vor allem aufgrund ökologischer Risiken von den Ämtern abgelehnt.

Wasserkraft wird ineffizienter - durch weniger Regen

Bereits in den vergangenen 20 Jahren ist nicht mehr viel passiert in Sachen Ausbau bei der Wasserkraft in Bayern. Die Zahl der Kraftwerke blieb praktisch gleich, bei rund 4.250. Der Energieertrag zeigt tendenziell sogar eine leicht rückläufige Entwicklung. Der VBEW erklärt das mit dem Klimawandel: Es regnet weniger, dieses Wasser fehlt dann in den Flüssen.

Wasserkraft noch zweitstärkster erneuerbarer Stromlieferant

Während das Ausbaupotenzial der Wasserkraft also begrenzt bleibt, ist ihr bestehender Beitrag zur bayerischen Stromversorgung durchaus erheblich. Zwar ist es nicht mehr die ergiebigste unter den erneuerbaren Energien in Bayern, da wurde die Wasserkraft 2020 von der Photovoltaik überholt. Aber ungefähr 15 Prozent des bayerischen Stromverbrauchs deckt der Strom aus den Flüssen und Bächen immer noch.

Und die Wasserkraft hat gegenüber Wind und Sonne einen entscheidenden Vorteil, betont Fritz Schweiger von der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern: Sie ist nicht so wetterabhängig. "Die Wasserkraft steht stets zuverlässig und ständig zur Verfügung", betont er.

Wasserkraft kann auch Natur zerstören: Flussruine Lech

Er sieht aus wie ein Fluss, doch für Naturschützer ist der Lech nur noch eine "Flussruine": 32 Kraftwerke stauen hier das Wasser und produzieren Strom. Die künstlichen Barrieren lassen jedoch kein Geröll durch, Tiere und Pflanzen haben ihren Lebensraum verloren. Umweltschützer wollen, dass der Lech umfassend renaturiert wird.

Der Wasserkraft-Check

Seit tausenden von Jahren formt Wasserkraft unsere Erde. Wie das genau funktioniert und wie Wasserkraft überhaupt entsteht, checkt Julian zusammen mit Geologin Sibylle.

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