Nach der Razzia gegen Reichsbürger führten Polizisten den mutmaßlichen Kopf der Gruppe, Heinrich XIII Prinz Reuß, ab.
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Nach der Razzia gegen Reichsbürger führten Polizisten den mutmaßlichen Kopf der Gruppe, Heinrich XIII Prinz Reuß, ab.

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Reichsbürger: Spur führt ins Rockermilieu

Ein Mann aus dem Landkreis Ansbach soll "persönlicher Referent" des Prinzen sein, der als Kopf der Reichsbürger-Putschtruppe gilt. BR-Recherchen zeigen die Verbindungen des Mannes ins Rockermilieu. Auch zu anderen Beschuldigten gibt es neue Details.

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Die Ziele der verhinderten Putschisten-Gruppe waren hoch gesteckt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu stürzen und durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Die Gruppe folgte demnach einer Ideologie aus Verschwörungsmythen, Reichsbürger-Thesen und QAnon-Verschwörungen. Sogar Ressorts für eine eigene Regierung sollen die Verschwörer schon besetzt haben.

"Persönlicher Referent" des Prinzen stammt aus dem Rockermilieu

Als zukünftiges Staatsoberhaupt wollten die Verschwörer Heinrich XIII. Prinz Reuß einsetzen, sind sich die Ermittler sicher. Als dessen persönlicher Referent fungierte demnach Thomas T. aus einem kleinen Ort im Landkreis Ansbach. Der 58-Jährige sitzt seit vergangener Woche in Untersuchungshaft. Nachforschungen des Rechercheteams von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten (NN) zufolge zog der in Rheinland-Pfalz geborene Schweißer vor rund sieben Jahren in die mittelfränkische Gemeinde. Manche im Ort beschreiben ihn als unauffällig und sind schockiert über dessen Festnahme, andere schätzen ihn als "Rechten" ein.

BR/NN-Recherchen zeigen nun: Thomas T. stammt aus der Rocker-Szene und war laut übereinstimmenden Quellenangaben Mitglied bei der Rocker-Gruppierung Gremium MC. Vor Jahren soll der Schweißer bei einem Fest eines anderen Motorradclubs im Ort laut Schilderungen von Ortsansässigen mit anderen Gremium-Mitgliedern aufgelaufen sein und einen kleinen Tumult verursacht haben.

Neonazis im Rocker-Club Gremium MC

Gremium MC ist allerdings kein einfacher Motorradclub. Spuren führen immer wieder ins rechtsextreme Milieu. So bewegte sich die mutmaßliche Terroristin Susanne G. im Milieu des Rockerclubs. Die Neonazi-Aktivistin aus dem Raum Nürnberg soll einen Anschlag vorbereitet haben und ist im vergangenen Jahr zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Gegen das Urteil legte die Heilpraktikerin Revision ein. BR/NN-Recherchen zufolge waren auch weitere bayerische Neonazi-Aktivisten Mitglieder bei Gremium MC. Die Recherchen wurden aus Sicherheitskreisen bestätigt. Laut LKA Bayern ist das Tragen der Abzeichen und Embleme des Gremium MC in der Öffentlichkeit verboten. Mitglieder der Rockergruppe seien demnach immer wieder in szenetypische Straftaten wie beispielsweise Betäubungsmitteldelikte oder Körperverletzungsdelikte involviert.

Laut LKA wurden gegen einzelne Mitglieder in der Vergangenheit Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung geführt. Auch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat die Rocker von Gremium MC im Blick. Sie werden als "1-Prozenter" eingestuft, eine Selbstbezeichnung von "gesetzlosen" Rockern. Historischer Hintergrund sind die Ausschreitungen bei einem Rocker-Treff im Jahr 1947 in den USA. Eine amerikanische Bikervereingung erklärte daraufhin, dass "99 Prozent der Motorradfahrer rechtschaffen" seien. Die selbsterklärten "Onepercenter" zählen sich daher nicht zu den rechtschaffenen Rockern.

Beschuldigter aus Oberfranken mit Kontakten ins rechte Milieu

Weitere Details gibt es zum ebenfalls Beschuldigten Peter Wörner aus dem Landkreis Bayreuth. Der Überlebenstrainer soll zum "militärischen Arm" der Verschwörer gehören. Dieser hätte laut Einschätzungen der Behörden während eines gewaltsamen Umsturzes Personen "festnehmen und exekutieren" sollen. Wie BR/NN-Recherchen aufdeckten, hatte der 54-jährige ehemalige Elite-Soldat offenbar schon seit Jahren Kontakte in die rechtsextreme Szene. Ein Funktionär der NPD-Parteijugend warb in internen E-Mails für Wörners Internetshop. Doch Wörner pflegte offenbar auch weitere Verbindungen in die rechte Szene. Ein Video aus dem Jahr 2019 zeigt ihn zusammen mit dem bundesweit bekannten rechtsextremen Aktivisten Nikolai Nerling bei einem "Überlebenswochenende" in der Rhön. Nerling war laut eigenen Angaben von Wörner zu diesem Treffen eingeladen worden.

  • Zum Artikel: "Wehrbeauftragte: Hart durchgreifen gegen rechtsextreme Soldaten"

Wohnungsdurchsuchung im mittelfränkischen Feucht

Welche Rolle ein Bürger aus der Gemeinde Feucht im Nürnberger Land dabei spielte, ist vorerst unklar. Die Wohnung des Mitfünfzigers war vergangene Woche ebenso durchsucht worden wie die von weiteren Beschuldigten in den Landkreisen Roth, Weißenburg-Gunzenhausen, Forchheim und wiederum Ansbach. Bei dem Mann aus Feucht-Moosbach soll es sich ebenfalls um einen ehemaligen KSK-Soldaten handeln, der früher im Umfeld der Kampfsport- und Security-Szene aktiv gewesen war. Der Mann blieb wie weitere Beschuldigte in dem Fall auf freiem Fuß.

Ermittler arbeiten unter Hochdruck

Ermittler und Staatsanwälte arbeiten derweil unter Hochdruck an dem Fall. Die Zahl von derzeit insgesamt 54 Beschuldigten könnte sich durchaus verdoppeln, schätzen Personen, die mit dem Fall vertraut sind. Das BR/NN-Rechercheteam hat die Beschuldigten über den Generalbundesanwalt um eine Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen gebeten – bisher aber noch keine Antwort erhalten.

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