Landgericht Ingolstadt
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Das Landgericht Ingolstadt verhandelt seit über zwei Jahren den Betrugsfall um ein unwirksames Krebsmittel.

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Ingolstadt: Urteil im Betrugsprozess um angebliches Krebsmittel

Seit über zwei Jahren läuft am Landgericht Ingolstadt der Prozess wegen gewerbsmäßigen Betrugs rund um ein unwirksames Krebsmittel. Eine Heilpraktikerin und ein Unternehmer aus der Region stehen deshalb vor Gericht. Heute wird das Urteil erwartet.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Seit zwei Jahren sitzen die Frau und der Mann an den entgegengesetzten Enden der Anklagebank. Viele Worte haben sie in der langen Zeit nicht gewechselt. Nahe am Richtertisch verfolgt die 57-jährige Heilpraktikerin aus Schrobenhausen den Prozess. Immer wieder macht sie sich Notizen. Stets ist sie elegant gekleidet und nach außen hin bestens gelaunt, lacht und scherzt mit den Anwälten und Beamten.

Am anderen Ende hat der gut zehn Jahre ältere, gesundheitlich angeschlagene Unternehmer aus Ingolstadt seinen Platz gefunden. Ihn bringen Beamte an jedem Verfahrenstag aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal. Heute wohl zum letzten Mal.

Anklage: Todkranke Menschen vorsätzlich hinters Licht geführt

Von ihrem Recht auf das "letzte Wort" haben die Angeklagten keinen Gebrauch gemacht. Auf Anraten ihrer Anwälte, die auf Freispruch plädiert haben, schweigen die beiden. Dabei geht es für die Heilpraktikerin und den Unternehmer um viel, denn die Staatsanwältin fordert langjährige Haftstrafen. Für die Anklägerin steht fest, dass die Heilpraktikerin und der Unternehmer todkranke Menschen vorsätzlich hinters Licht geführt haben, um sich an ihnen zu bereichern. Für teures Geld sollen sie zahlreichen Patienten die gegen Krebs wirkungslose Proteinlösung BG-Mun als Allheilmittel verkauft haben. Der Gesamtschaden geht laut Anklage in die Hunderttausende.

Staatsanwältin fordert langjährige Haftstrafen

Auch nach dem Versterben von ehemaligen Patienten haben die Angeklagten ihr Mittel weiter angepriesen, betont die Staatsanwältin. Nach ihrer Überzeugung hat die Heilpraktikerin mehreren Patienten zudem geraten, bei ihrer Behandlung ausschließlich auf BG-Mun zu setzen und dafür die schulmedizinisch angeratene Chemotherapie abzubrechen.

Die Anklägerin fordert wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels langjährige Haftstrafen: Für die Heilpraktikerin eine Gesamtstrafe von drei Jahren und zehn Monaten und für den Unternehmer insgesamt über acht Jahre. Für den 68-Jährigen hält die Staatsanwältin eine höhere Strafe für angemessen, denn der Mann hatte ihrer Ansicht nach die Idee für die Betrugsmasche rund um BG-Mun und soll zudem für den Vertrieb gesorgt haben. Auf seine mögliche Freiheitsstrafe würde seine Zeit in Untersuchungshaft angerechnet, in der er sich seit Januar 2020 befindet.

Verteidiger: Angeklagte glaubten selbst an BG-Mun

Die Verteidiger fordern dagegen für beide Mandanten einen umfänglichen Freispruch. Zentrales Argument: Sowohl die Heilpraktikerin als auch der Unternehmer hätten BG-Mun jeweils selbst an sich ausprobiert, das Mittel als hilfreich empfunden und deshalb an dessen Wirkung geglaubt. Die beiden hätten folglich ohne Täuschungsabsicht gehandelt. Ohne Täuschungsabsicht gebe es aber auch keinen Betrug.

Außerdem sei BG-Mun immer nur als "Baustein in einer Gesamttherapie" und nie als Arzneimittel angepriesen worden. BG-Mun sei, so die Verteidiger, ein Mittel der Alternativmedizin, und "gehört damit eben nicht zur evidenzbasierten Medizin". Nach Meinung der Rechtsanwälte müsse deshalb eine empirische Wirksamkeit auch nicht nachgewiesen werden. Die Staatsanwältin zitiert hingegen Sachverständige, denen zufolge BG-Mun eine Proteinlösung sei, die keinerlei Wirkung gegen Krebs entfalte und zudem nicht als Arzneimittel zugelassen sei.

Konsequenzen auch für Ehefrau des Angeklagten möglich

Die große Strafkammer am Landgericht Ingolstadt hat sich in vergangenen zwei Jahren an rund 60 Verfahrenstagen mit dem Fall beschäftigt, dazu Sachverständige und über 50 Zeugen gehört. Der Prozess hat sich durch immer weitere Beweisanträge der Verteidiger in die Länge gezogen.

Noch bevor das Urteil verkündet ist, haben die Verteidiger erklärt, im Fall einer Verurteilung Rechtsmittel einlegen zu wollen. Das Urteil hat möglicherweise auch für die Ehefrau und die Tochter des angeklagten Unternehmers finanzielle Konsequenzen. Weil der Angeklagte seinen Familienmitgliedern größere Summen zukommen hat lassen, könnte das Gericht mit dem Urteilsspruch auch die Einziehung dieser Vermögenswerte anordnen. Voraussetzung dafür ist, dass das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte selbst die Beträge unrechtsmäßig erzielt hat - durch Betrügereien mit dem Mittel BG-Mun.

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