Studentin Anna-Maria Artmann lernt bei Kerstin Rose das Nähen.
Bildrechte: BR/Katharina Häringer

Hauswirtschaftsunterricht an der Landwirtschaftsschule Passau

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Hauswirtschaft: weniger Studierende, aber neue Chance

Kochen, nähen, putzen, waschen? Künftige Bäuerinnen lernten all das im Hauswirtschafts-Studium an Landwirtschaftsschulen. Doch die Zahl der Studierenden geht zurück. Ein neuer Zeitgeist könnte den Schulen aber von Vorteil sein.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Schon vom Gang aus ist zu hören, dass in diesen Klassenzimmern schwer gearbeitet wird: Nähmaschinen rattern und Messer gleiten durch Berge von Rohkost. 20 Frauen lernen an der Landwirtschaftsschule in Passau, einen Haushalt zu führen. Die Schule ist in der glücklichen Situation, ihre Studierenden-Zahlen konstant zu halten. Im Gegensatz zum bayernweiten Trend.

Trend zur Nachhaltigkeit

Gab es an den 48 Schulen im Freistaat im Studienjahr 2013/2014 noch 937 Studierende, sind es 2023/2024 nur noch 727. Das entspricht einem Rückgang von knapp 23 Prozent. Besonders stark ließ das Interesse in Oberfranken und in der Oberpfalz nach. Statt 109 Studierende im Jahr 13/14 gab es zehn Jahre später in Oberfranken nur noch knapp halb so viele (59). In der Oberpfalz schrumpfte die Zahl im selben Zeitraum von 120 auf 75. Ist das Studium zur perfekten Haushaltsführung aus der Zeit gefallen, weil man heute jeden Haushaltstipp im Internet finden kann? Die Zahlen lassen es vermuten. Sieglinde Preuß, Leiterin der Schule in Passau, beantwortet die Frage hingegen entschieden mit Nein. Und auch das bayerische Landwirtschaftsministerium bestätigt: In der jüngsten Vergangenheit nehme das Interesse sogar wieder leicht zu. Ein Grund ist der Trend zum nachhaltigen Lebensstil.

Wissen innerhalb der Familie nimmt ab

In der großen Lehrküche schnippeln die Studierenden Gemüse im Akkord-Tempo. Die Schalen von Zwiebeln und Roter Bete heben sie auf. Daraus färben sie später Eier. Nachhaltigkeit auf dem Stundenplan.

Waren die Schulen früher für angehende Bäuerinnen gedacht, ist das Bild in der Klasse heute bunt gemischt. Es reicht von der Bürokauffrau über die Standesbeamtin bis zur Physiotherapeutin. "Es interessieren sich wieder mehr junge Frauen für das Studium", sagt Sieglinde Preuß. Frauen, denen es wichtig sei, Kleidung nicht gleich beim ersten Loch wegzuwerfen. "Vieles, was man früher selbstverständlich von den Eltern an Fertigkeiten gelernt hat, wird heute nicht mehr so weitergegeben. Das merken wir deutlich", erzählt Preuß.

Gegen den Wegwerf-Trend

Die 24 Jahre alte Lisa Ritzer zum Beispiel ist gelernte Automobilkauffrau und über das Nähen zur Hauswirtschaft gekommen. "Wenn ich einen Hosenknopf verloren habe, konnte ich ihn nicht annähen. Das hat mich so gestört, dass ich geschaut habe, wo ich Nähen unter Anleitung richtig lernen kann", erzählt sie. Übers Nähen ist auch Leila Kennerknecht an die Landwirtschaftsschule gekommen. Die 27-Jährige ist Sozialpädagogin und betreut Jugendliche in einer Wohngruppe. Sie bringt den Teenagern bei, ein eigenständiges Leben zu führen. "Da gehört Haushalt einfach dazu. Deswegen wollte ich mein Wissen vertiefen", sagt sie. Und gerade das Nähen sei für Jugendliche ein großes Thema. "Sie haben nicht viel Geld und müssen sich selbst helfen. Ich leite sie dabei jetzt an. Und es ist für die Jugendlichen ein schönes Erlebnis, etwas zu schaffen."

Hauswirtschaft, um Pflegebedürftigen zu helfen

Neben den beiden jungen Frauen sitzt Paula Resch an der Nähmaschine. Sie ist Mitte 60, hat ihr Leben lang in einem Büro-Job gearbeitet und ist seit einem halben Jahr in Rente. Eigentlich wollte sie mit dem dreisemestrigen Teilzeit-Studium zunächst verhindern, in der Pension in ein Loch zu fallen. Doch mittlerweile ist für sie klar: Es sollen weitere Kurse im Bereich Hauswirtschaft folgen, damit sie künftig pflegebedürftigen Menschen im Haushalt helfen kann. "Es gibt immer mehr alte Leute, die Hilfe brauchen. Und es ist auch für die Angehörigen eine Entlastung, wenn man ein paar Stunden in der Woche unterstützt. Das würde mir zusagen."

Männer fehlen

Schulleiterin Preuß setzt auf den leichten bayernweiten Aufwärtstrend bei den Anmeldezahlen. Sie glaubt, dass es immer wichtiger wird, Menschen zu unterstützen – ob als Dorfhelferin oder als Versorgungsmanager im Seniorenheim. Und je sichtbarer der Beruf werde, desto eher ziehe es auch Männer in den Bereich, so ihre Hoffnung. Denn an der Schule in Passau gab es bisher keinen einzigen Studenten. "Es gibt den Spruch: Hauswirtschaft fällt auf, wenn sie ausfällt. Hauswirtschaft hat ein Schattendasein und wirkt eigentlich, ohne dass sie wahrgenommen wird. Obwohl sie in vielen Bereichen allgegenwärtig ist. Und weil sie nicht wahrgenommen wird, wird sie nicht wertgeschätzt. Und ich glaube, dass das der Punkt ist, warum sich wenige Männer für Hauswirtschaft interessieren." Für das kommende Semester im Herbst gibt es in Passau zumindest schon einen Interessenten.

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