Mit einer Mehrheit von CSU, Freie Wählern und AfD hat der Verfassungsausschuss des Landtags am Nachmittag den Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Aussetzung der Abschiebehaft in Eichstätt abgelehnt. Für den Antrag stimmten Grüne und SPD, die FDP war zur Abstimmung nicht anwesend.
Die grünen Landtagsabgeordneten halten die Abschiebehaft in Eichstätt für rechtswidrig: zu lange Zeit in abgesperrten Zimmern, zu wenig Besuchszeiten, insgesamt zu viel Ähnlichkeit mit einem Gefängnis. Sie beziehen sich dabei auf eine Einzelfallentscheidung des Landgerichts in Coburg (Az: 41 T 25/21). Dort hatte das Gericht im November erklärt, die Abschiebehafteinrichtung in Eichstätt genüge nicht den speziellen Anforderungen dafür. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom März diesen Jahres dürfen Abschiebehäftlinge nämlich nicht in "gefängnisähnlichen Einrichtungen" untergebracht werden.
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Andere Bundesländer handhaben Abschiebehaft liberaler
Nach Auffassung der grünen Landtagsfraktion verstoßen mehrere Punkte im Tagesablauf in der Eichstätter Einrichtung gegen die EU-Rückführungsrichtlinie. So könnten sich die Abschiebehäftlinge in der Einrichtung in Eichstätt nur von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr frei bewegen. In der restlichen Zeit seien die Häftlinge in ihren Zimmern eingeschlossen.
Zum Vergleich verweisen die Landtagsgrünen auf die Praktiken in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In diesen Bundesländern begrenzen die Abschiebehaftvollzugsgesetze die Nachtruhe von 22 Uhr bis 7 Uhr. Damit könnten sich die Häftlinge dort wesentlich länger frei in den Anstalten bewegen. Die Landtagsgrünen kritisieren zudem, dass in Eichstätt "die Fenster vergittert" seien und "der Besitz von Smartphones und Laptops" nicht erlaubt sei. Auch die Besuchszeiten seien zu kurz. Sie beschränkten sich "auf 3 mal 60 Minuten pro Monat". Zudem würden diese Besuche "optisch überwacht." Bemängelt wird auch, dass den Abschiebehäftlingen "das Tragen eigener Kleidung verboten" sei.
Bayerns Innenministerium verweist auf Lockerungen
Dem widerspricht das bayerische Innenministerium und verweist darauf, dass die Haftbedingungen in der Eichstätter Abschiebehafteinrichtung "anlässlich der genannten Entscheidung des EuGH in verschiedener Hinsicht angepasst" worden seien. So seien etwa die Besuchszeiten erweitert worden. Außerdem sei es den Inhaftierten "nunmehr grundsätzlich gestattet, private Kleidung zu tragen". Sowohl das Innenministerium wie auch das Justizministerium betrachten die Bedingungen für die Abschiebehaft in Eichstätt als rechtmäßig.
Das Innenministerium distanziert sich deutlich von dem Urteil des Coburger Landgerichts gegen die Unterbringung in Eichstätt und verweist darauf, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele, die noch nicht rechtskräftig sei. Wörtlich schreibt das Ministerium: "Nach hiesiger Auffassung ist das Gericht bei Beantwortung der Frage dem Erfordernis einer Gesamtschau der baulichen, organisatorischen und personellen Verhältnisse in der Einrichtung nicht gerecht geworden. Die Staatsregierung ist überzeugt, dass sich die Unterbringung Ausreisepflichtiger in der Einrichtung für Abschiebehaft in Eichstätt als eine dem sogenannten Trennungsgebot genügende Unterbringung in einer 'speziellen Hafteinrichtung' darstellt."
Ministerium hält Gitter vor den Fenstern für erforderlich
Manche der kritisierten Maßnahmen bezeichnet das Ministerium als notwendig, so zum Beispiel die Vergitterung der Hafträume in Eichstätt. "Dies ist erforderlich, um zu verhindern, dass sich dort inhaftierte Personen der Abschiebung durch Flucht entziehen", erklärt das Ministerium und fügt an: "Auch gerichtlich wurde die Notwendigkeit einer Vergitterung der Fenster bereits anerkannt."
Dennoch unterscheiden sich nach Überzeugung des Innenministeriums die Haftbedingungen in der Einrichtung für Abschiebehaft in Eichstätt "signifikant von denjenigen beim Vollzug von Straf- oder Untersuchungshaft". Beschränkungen bestünden bei der Abschiebehaft nur, "soweit dies erforderlich ist, um die Rückführung der inhaftierten Personen sicherzustellen und die Sicherheit und Ordnung der Einrichtung zu gewährleisten." Das Ministerium verweist auf die "großzügigeren Aufschluss-, Besuchs- und Telefonzeiten" für Abschiebegefangene sowie auf erweiterte Angebote für die Freizeitgestaltung. Vor allem gebe es mehr Sportmöglichkeiten und sämtliche Hafträume seien mit einem Fernsehgerät ausgestattet.
Zweifel auch an anderen Abschiebehafteinrichtungen
Der Dringlichkeitsantrag von Bündnis 90/Die Grünen nennt nur die Einrichtung in Eichstätt. Allerdings befürchtet Gülseren Demirel, asylpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, "dass es in den anderen Abschiebungshafteinrichtungen nicht anders ist".
Bayern betreibt Abschiebehaft zum einen in Amtshilfe durch den Justizvollzug in den Justizvollzugsanstalten Eichstätt, Erding und Hof als Einrichtungen für Abschiebehaft sowie zum anderen in der kombinierten Transit- und Abschiebehafteinrichtung (kTA) am Flughafen München. Die Justizvollzugsanstalt Eichstätt wurde 2017 in eine Einrichtung für Abschiebehaft umgewidmet und dient seitdem nicht mehr der Unterbringung von Straf- und Untersuchungsgefangenen, sondern ausschließlich dem Vollzug von Abschiebehaft.
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