Tatjana Vogler hat ein außergewöhnliches Hobby. Sie steht bei festlichen Anlässen an der Kanone und gibt Salutschüsse ab.
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Außergewöhnliches Hobby: Tatjana Vogler steht bei festlichen Anlässen an der Kanone und gibt Salutschüsse ab - auch bei ihrer eigenen Hochzeit.

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Frankens einzige Kanonierin: Salutschüsse im Hochzeitskleid

Tatjana Vogler hat ein außergewöhnliches Hobby. Sie steht bei festlichen Anlässen an der Kanone und gibt Salutschüsse ab. Die 33-Jährige Rathausmitarbeiterin ist ausgebildete Kanonierin. Warum Tatjana Vogler auch schon mal im Hochzeitskleid feuert.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Wenn Tatjana Vogler ihre Kanone zündet, verwandeln sich 90 Gramm Schwarzpulver mit einem lauten Knall in Rauch und Feuer. Nur den Bruchteil einer Sekunde dauert das: Ein lauter Knall und zurück bleibt nur der andächtige Hall des Kanonenschlags.

Dass Tatjana Vogler einmal als Kanonierin für die Soldatenkameradschaft Stadtsteinach hinter der Kanone stehen würde, konnte sie sich lange Zeit nicht vorstellen. Eigentlich arbeitet sie im Rathaus, kümmert sich um ihre Hunde oder geht ihrer Leidenschaft als Böllerschützin im Schützenverein nach. Durch dieses Hobby ist die 33-Jährige zwar auch im Umgang mit Schwarzpulver routiniert, hat sogar einen Sprengstoffschein. Dennoch war der Respekt vor den vielen Gefahren im Umgang mit der Kanone groß.

Auf den letzten Kanonier folgt meist kein Nachwuchs

Es war ein trauriger Anlass, der sie umstimmte: Mit dem Tod eines langjährigen Arbeitskollegen von Tatjana Vogler verlor die Soldatenkameradschaft Stadtsteinach auch ihren letzten verbleibenden Kanonier. Somit gab es niemanden mehr, der ausgerechnet dem letzten Kanonier bei seiner Beerdigung mit Salutschüssen die letzte Ehre erweisen konnte.

Als Tatjana Vogler davon erfuhr, bot sie an, gemeinsam mit Ihrem Vater die Salutschüsse abzugeben – zwar nicht mit der Kanone, aber mit dem kleineren Handböller aus dem Schützenverein: "Als wir dann auf der Beerdigung geschossen haben, war das für mich persönlich sehr wichtig, meinem ehemaligen Mitarbeiter die letzte Ehre erweisen zu können."

Auch die Soldatenkameradschaft war dankbar für den Einsatz von Tatjana Vogler und ihrem Vater. Besonders die Herzlichkeit, mit der die älteren Herrschaften die beiden Böllerschützen in ihren Reihen willkommen hießen, überwältigten Tatjana Vogler – schließlich war sie nie beim Militär und ist mit 33 Jahren deutlich jünger als die meisten Mitglieder. Ihr gefällt es dennoch so gut, dass sie den Entschluss fasst, die Tradition des Kanonierens fortzuführen.

Ausbildung zur Kanonierin abgeschlossen

Es folgten Sprengstoffschulung, Eignungstest und schließlich eine Prüfung. Seit diesem Sommer darf sich Tatjana Vogler nun Kanonierin nennen. Die Tradition des Kanonierens gibt es hingegen schon ein bisschen länger, genauer seit dem 16. Jahrhundert. So wurde zum Beispiel an Fronleichnam Salut geschossen, um mit dem Lärm Geister und Dämonen zu vertreiben. Mit Salutschüssen werden aber auch Veteranen und verdiente Mitglieder am Grab zur letzten Ruhe geleitet. Eine ehrenvolle Zeremonie, die nicht immer mit einer Kanone begleitet wird. Auch mit kleineren Kalibern kann geschossen werden.

Heute gibt es auch Kritik am Traditionsschießen. Vor allem die Lautstärke und die Feinstaubbelastung durch die Schüsse stören die Kritiker. Im oberbayrischen Fürstenfeldbruck zum Beispiel findet das Salutschießen zu Fronleichnam deshalb seit 2012 nicht mehr statt.

Nächste Generation an der Kanone gesichert

Dass Tatjana Vogler jetzt an der Kanone der Soldatenkameradschaft Stadtsteinach steht, ist für die Veteranen ein echter Glücksfall. Vogler schätzt, dass es in ganz Franken höchstens noch zehn Kanoniere gibt – eine weitere Frau ist nicht dabei: "Soweit ich das mitbekommen habe, bin ich in der Region die einzige Dame, die das darf." Viel wichtiger ist Tatjana Vogler jedoch, dass mehr Menschen diese Tradition kennenlernen: "Es ist definitiv eine Sache, wo ich aufgrund der Tradition sehe, es lohnt sich dabei zu sein."

Geschossen wird übrigens nicht nur zu Beerdigungen. Der erste Schuss, den Tatjana Vogler im Amt als Kanonierin abgeben durfte, fiel auf einer Hochzeit – und zwar ihrer eigenen.

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