Portrait von Ben Salomo.
Bildrechte: BR/Markus Schmidt

Ben Salomo war einer der ersten deutschen Rapper. Dann hat er dem Hip-Hop den Rücken gekehrt. Er spricht von Antisemitismus in der Szene.

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Deutschrap: Wie der erste bekennende Jude aus der Szene ausstieg

Ben Salomo war der erste bekennende Jude in der deutschen Rap-Szene, dann stieg er aus. Er spricht von einem "toxischen Klima" und Antisemitismus im Hip-Hop und öffnet Schülern dafür die Augen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Franken am .

Mit seiner Youtube-Show "Rap am Mittwoch" ist der Deutschrapper Ben Salomo nicht nur selbst bekannt geworden. Auch für zahlreiche Gäste war die Show ein Sprungbrett. Dann aber steigt der jüdische Künstler aus der Szene aus. Spricht von einem "toxischen Klima" und verstecktem Antisemitismus. Seitdem tourt er immer noch durch Deutschland, aber nicht mehr von Bühne zu Bühne, sondern eher durch die Aulen und Turnhallen der Schulen. Dort trifft er auf Jugendliche, die er über die Codes und Symbole des Deutschrap aufklärt. So auch in Bayreuth, wo die Schüler ihrem einstigen Idol an den Lippen hängen, als dieser vom Ende des Rappers Ben Salomo erzählt.

Toleranzschwelle erreicht: "Rap am Mittwoch" ist Geschichte

Im Jahr 2018 kommt der Deutschrapper Ben Salomo frustriert und zornig nach Hause. Es gab Ärger bei einer Show, die er "mein Baby" nennt, die aber eigentlich "Rap am Mittwoch" heißt. Es geht um ein Rap-Battle zweier Künstler, das auf Youtube übertragen wird. Dort sei irgendetwas Antisemitisches vorgefallen gewesen, "ich weiß gar nicht mehr, was", sagt Salomo.

An jenem Mittwoch wird er von seiner Frau und seiner kleinen Tochter zu Hause erwartet. "Da spricht sie ihr erstes Wort, nämlich ,Aba', das heißt Papa auf Hebräisch. Und ich kann mich nicht freuen", blickt er auf den Moment zurück, der sein Leben ändern wird. An diesem Tag sei ihm klargeworden, sagt Ben Salomo am Rande der Veranstaltung in Bayreuth, dass er etwas ändern muss: "Meine Toleranzschwelle war erreicht." Kurz darauf ist seine Show "Rap am Mittwoch", mit der mancher Deutsch-Rapper bekannt wurde, Geschichte. Ben Salomo macht weiter Musik, als Einzelkämpfer, ohne Manager und Label. Seine Bühne sind nun die sozialen Kanäle.

Nach Echo-Verleihung ist Ben Salomo als Experte gefragt

"Das Klima in der Szene hat mich permanent traurig gemacht, fast schon depressiv", blickt der 46-Jährige heute zurück. Antisemitische Anfeindungen, Witze und Texte, aber auch frauenverachtende Lyrics schienen außer ihn niemanden zu stören. "In diesem Umfeld soll meine Tochter nicht aufwachsen", beschloss Salomo. "Lieber fahre ich Pizza aus." Kurz darauf gewinnen Farid Bang und Kollegah, zwei Deutschrapper, den Musikpreis "Echo" und ernten Kritik. Eine Zeile aus ihrem Song "0815" erhitzt die Gemüter. Darin rappt Farid Bang von seinem Körper, der "definierter als von Auschwitz-Insassen" sei.

Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der "Israelitischen Kultusgemeinde" in München und Oberbayern, sagte damals, die Auszeichnung der beiden Rapper sei ein "verheerendes Zeichen". Später stoppt auch die Bertelsmann Music Group (BMG) die Zusammenarbeit mit Farid Bang und Kollegah. Am Ende wird der Musikpreis "Echo" wegen des Vorfalls abgeschafft und der jüdische Deutschrapper Ben Salomo wird zum gefragten Interviewpartner, zum Experten für Antisemitismus im Deutschrap.

Aus Jonathan Kalmanovich wird Ben Salomo

"Irgendwann merkte ich, dass meine Zitate zusammenhanglos in allen möglichen Medien umherschwirrten", sagt Ben Salomo. "Ein Freund meinte zu mir: Schreib doch ein Buch." Er holt sich Hilfe, verfasst seine Autobiografie und findet einen Verlag. Das Buch mit dem Titel "Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens" erscheint. Es berichtet von antisemitischen Erlebnissen des in Israel geborenen Jonathan Kalmanovich, der als vierjähriger Junge mit den Eltern nach Berlin kommt, gerne Gedichte schreibt und sich später unter dem Künstlernamen Ben Salomo einen Namen als Deutschrapper aufbaut. Der dann aber die große Bühne "Rap am Mittwoch" selbst wieder einreißt. Das Buch wird auch von Mitarbeitern der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gelesen, was bald Folgen für Salomos berufliche Zukunft hat.

Judenhass im Deutschrap: "Das habe ich nicht gemerkt"

In der Bayreuther Schulturnhalle spricht er an diesem Novembertag vor 100 Jugendlichen über Antisemitismus – in seinem Leben, im Deutschrap, in der Gesellschaft. Die Friedrich-Naumann-Stiftung finanziert diese Vorträge. Die Neuntklässler kennen den Rapper von Videos auf seinem Instagramkanal oder Youtube. Sie hängen 90 Minuten lang an seinen Lippen. Er erzählt ihnen von dem besten Freund, den er als Elfjähriger hatte. Irgendwann fragte dieser ihn, was er eigentlich sei. "Jude" habe er geantwortet. Am nächsten Tag griff ihn der ehemals beste Freund mit zwei älteren Jungs an.

Der Schmerz des elfjährigen Jonathan über diesen Verlust ist fast greifbar. Als er über Antisemitismus im Deutschrap spricht, über dessen Symbole und Synonyme, die keiner in der Halle kennt, macht sich Betroffenheit breit. "Ich habe das gar nicht richtig gemerkt", gibt einer der Schüler zu. "Jetzt weiß ich es und das ist wichtig." "Judenhass darf nicht sein", betont ein anderer, "wir Menschen sind doch alle gleich."

"Niemand darf wissen, wo ich bin"

Später wollen die Neuntklässler den Gast kaum gehen lassen, machen Selfies mit ihm und haben noch viele Fragen. "Postet die Fotos erst, wenn ich weg bin", bittet Ben Salomo, der von Polizisten in Zivil begleitet wird. "Ich lebe gefährlich. Niemand darf wissen, wo ich wohne oder wo ich mich aufhalte." Zuvor hatte er auf die Frage, ob ihm solche Veranstaltungen auch ein wenig Kraft geben, obwohl sie ihn ständig mit dem konfrontieren, was er bekämpft, mit feinem Lächeln geantwortet: "Manchmal ja, manchmal nein. Heute: ja."

Rapper Ben Salomo in einer Turnhalle.
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Rap gegen Antisemitismus

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