Eine ukrainische Flagge hängt am Fenster eines früheren Kasernengebäudes in Penzing.
Bildrechte: BR / Florian Regensburger

Ukrainer bilden die größte Gruppe der am ehemaligen Fliegerhorst in Penzing untergebrachten Flüchtlinge.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Flüchtlings-Hotspot Penzing: Bürgermeister schlägt Alarm

Auf dem früheren Fliegerhorst in Penzing leben bereits 600 geflüchtete Menschen. Und der Landkreis hat kaum noch andere Gebäude für neu ankommende Flüchtlinge zur Verfügung. Der Bürgermeister schlägt Alarm: Seine Gemeinde sei an der Belastungsgrenze.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Der Penzinger Bürgermeister Peter Hammer (CSU) sieht seine Gemeinde bei der Aufnahme von Flüchtlingen an der Belastungsgrenze angelangt. 600 Menschen leben aktuell in den Kasernengebäuden auf dem ehemaligen Fliegerhorst, der Kernort der Gemeinde Penzing hat rund 2.500 Einwohner. Seine Verwaltung, vor allem die Meldebehörde, sei überlastet, sagt Hammer. Eltern klagten, der Lernfortschritt ihrer Kinder in der Penzinger Grundschule werde durch Schülerinnen und Schüler ohne Deutschkenntnisse behindert.

Polizei verneint gestiegene Kriminalität

Auch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung werde immer stärker spürbar. Gerüchte über Pöbeleien, auch Handgreiflichkeiten etwa auf Spielplätzen durch geflüchtete Menschen und zahlreiche Diebstähle im Supermarkt machen die Runde. Zwar teilt die zuständige Polizeiinspektion Landsberg auf BR24-Anfrage mit, dass – außerhalb des Fliegerhorsts – nicht auffällig viele Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten angezeigt werden. Bürgermeister Hammer beklagt trotzdem, dass viele der Flüchtlinge im Ort etwa nicht wüssten, "wie man sich benimmt" oder "wie wir mit Müll umgehen".

Schulamt nennt Situation "herausfordernd"

An Zahlen festmachen lässt sich, dass an der Penzinger Grundschule 25 ukrainische Kinder auf drei Klassen aufgeteilt wurden. Zusätzlich wurde eine Deutschklasse mit 20 Kindern anderer Nationalitäten eingerichtet. Das Schulamt Landsberg nennt die Situation "herausfordernd". Noch mehr Kinder dürften es nicht mehr werden in Penzing, damit die Situation noch handhabbar bleibe.

Erschwerte Integration

Auch der Helferkreis Asyl beobachtet die Lage mit Sorge. Die 60 Flüchtlinge vor allem aus Afrika im Jahr 2015 habe man in Penzing noch gut integrieren können. "Das sind heute Leute, die arbeiten und Steuer zahlen und damit auch meine Rente", sagt Hans-Hermann Brambach vom Helferkreis. Heute leben zehnmal so viele Menschen allein auf dem Fliegerhorst – das erschwere die Integrationsarbeit sehr. "Wenn ich 600 Flüchtlinge habe in einer Unterkunft, dann kenne ich nur noch einen kleinen Teil davon", sagt Brambachs Mitstreiterin Irmengard Stengele. "Und wenn ich Unbekannte anspreche, bringt das meistens nichts." Auch, wenn es etwa darum gehe, jemanden zu überzeugen, sein Bier nicht am Rand eines Spielplatzes zu trinken.

"Nur wenige hätten Verständnis, wenn wir Schulturnhallen nutzen würden"

Eine Entspannung der Lage ist aktuell nicht in Sicht: In den letzten Monaten kamen jeweils über hundert Menschen neu im Landkreis an, Tendenz steigend. In den Gebäuden auf dem ehemaligen Fliegerhorst hätten laut Bürgermeister Hammer theoretisch noch mal so viel Platz, wie dort bereits sind. Diesen Platz will Landrat Thomas Eichinger (CSU) auch nutzen. "Ich glaube, dass nur wenige Verständnis dafür hätten, wenn wir jetzt Schulturnhallen nutzen, solange es noch Gebäude gibt, die auch nutzbar sind und die leer stehen", sagte er BR24.

Grafik: Wie viele Schutzsuchende leben aktuell in Bayern?

Nachbargemeinde hat Kindergartenkinder aufgenommen

Bürgermeister Hammer hält dagegen: Der Landrat habe die Interessen des Landkreises zu vertreten. Er jedoch habe "die Interessen der Bürger der Gemeinde Penzing zu vertreten, und da würde ich sagen, die Zahl des Belastbaren und des Schaffbaren erreicht ist". Gemeinde und Landratsamt würden sich von der Bundespolitik wünschen, den Zustrom von Flüchtlingen zu bremsen. Bis eventuelle Maßnahmen sich auswirken, dürften noch viele Flüchtlinge in Deutschland ankommen – auch im Landkreis Landsberg.

Die Gemeinde Penzing soll nun immerhin entlastet werden, indem etwa Ausweichschulklassen in Landsberg und ein entsprechender Bustransfer eingerichtet werden. Die Nachbargemeinde Scheuring hat bereits einige Flüchtlingskinder in ihren Kindergarten aufgenommen.

Bayernweiter Widerstand gegen Migrationspolitik

Bayernweit regt sich der Widerstand gegen die Migrationspolitik. So haben etwa die Landräte in der Oberpfalz vergangene Woche auf die dramatische Lage der Kommunen beim Zuzug von Geflüchteten hingewiesen. "Wir können und wollen nicht mehr", hieß es bei einem Treffen. Es brauche mehr Zeit und Geld für die Integration von Geflüchteten.

Im oberbayerischen Rott am Inn im Landkreis Rosenheim etwa wehren sich die Einwohner gegen eine große Erstaufnahmeeinrichtung für 500 Flüchtlinge und Asylbewerber, die der Landkreis dort plant. Besonders verärgert waren Bürger und Bürgermeister der 4.000-Einwohner-Gemeinde darüber, dass sie nicht in die Pläne des Landratsamts miteingebunden gewesen seien.

Angesichts der stark steigenden Flüchtlingszahlen haben die 71 bayerischen Landrätinnen und Landräte erst vor wenigen Wochen einen dringenden Appell an die Bundesregierung gerichtet. Die Unterbringungs- und Versorgungskapazitäten seien vielerorts erschöpft, so der bayerische Landkreistag. In allen Bereichen, von der Gesundheitsversorgung bis zur Kinderbetreuung, sei die Situation extrem angespannt.

💡 Asylanträge im ersten Halbjahr in Deutschland

Von Januar bis Juni 2023 wurden in Deutschland insgesamt 162.271 Asylanträge gestellt; 150.166 davon waren Erstanträge und 12.105 Folgeanträge. Die Zahl der Erstanträge erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1. Halbjahr 2022) um 77,5 Prozent; von Januar bis Juni 2022 waren 84.583 Anträge gestellt worden.

Die meisten Asylbewerber stammten wie bereits 2022 aus Syrien, Afghanistan sowie der Türkei. Ukrainische Geflüchtete werden nicht bei den Asylantragszahlen erfasst, da sie aufgrund einer Ausnahmeregelung keine Asylanträge stellen müssen.

In den ersten sechs Monaten 2023 entfielen 15,6 Prozent der Erstanträge auf Bayern (23.417 Asylerstanträge). Die meisten Asylerstanträge verzeichnete Nordrhein-Westfalen mit 20,8 Prozent (31.271 Erstanträge).

Quelle: bamf.de

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!