quer vom 28.09.2023
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Eine Handvoll Bleischrotkugeln, die der Bayerische Jagdschutzvereins (BJV) auf seiner Schießanlage bei Miltenberg verschossen hat.

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Ewiger Kampf ums Blei in Miltenberg: Wer beseitigt die Altlast?

Seit einem Jahrzehnt wird in Miltenberg heftig gestritten. Es geht um das Blei, das der Jagdschutzverein früher neben einem Wasserschutzgebiet verschossen hat. Das ist noch immer im Boden und droht das Wasser zu verunreinigen. Wer muss es beseitigen?

Über dieses Thema berichtet: quer mit Christoph Süß am .

Ulrich Frey gräbt mit einer kleinen Schaufel im Waldboden – jedes Mal fördert er kleine Bleikugeln zutage. "Und es ist noch keine einzige Kugel entsorgt worden", erklärt der Agraringenieur und Umweltreferent der Stadt Miltenberg. "Das Blei löst sich in dem sauren Bodenmilieu auf und wird nach unten ausgeschwemmt und irgendwann kann man es in den umliegenden Gemeinden im Trinkwasser finden. Wenn nicht jetzt, dann in zehn, 20 oder 100 Jahren – das spielt ja überhaupt keine Rolle."

Bleischrot landete jahrelang im Waldboden

Seit einem Jahrzehnt wird im Raum Miltenberg darüber heftig gestritten – ums Blei und dessen Bedrohung für das Grundwasser beziehungsweise Trinkwasser. Das Blei stammt aus den Gewehren der Mitglieder des Bayerischen Jagdschutzvereins (BJV). Der hat im Miltenberger Stadtteil Mainbullau – hoch oben auf dem Berg gelegen, direkt neben einem Wasserschutzgebiet – eine Schießanlage. Bleischrot landete jahrelang, bevor der BJV einen Schutzwall baute, auf dem Waldboden hinter den Zäunen der Schießanlage. Es gab zahlreiche Untersuchungen, Prozesse vor Gericht, Auflagen. Doch die Frage, wie schädlich das im Waldboden schlummernde Blei für das Grundwasser ist, ist nicht ausreichend geklärt. Genau wie die Frage, wer nun eigentlich für dessen Beseitigung verantwortlich ist.

Quelle für Wasserversorgung geeignet?

Das ewige Tauziehen wird für die Energieversorgung Miltenberg-Bürgstadt (EMB) zur Zerreißprobe. Denn diese will die Quellen am Fuße des Bullauer Bergs für die Wasserversorgung der Menschen in Miltenberg nutzen. "Wir sind auf diesen Berg angewiesen und müssen unsere Trinkwasserversorgung zukunftssicher aufstellen", klagt EMB-Geschäftsführer Christoph Keller. Das Gesundheitsamt im Landratsamt rät ihm zufolge ab.

Kritik: Problem schon lange bekannt

Steffen Scharrer vom Bund Naturschutz im Landkreis Miltenberg kritisiert: "Das Problem ist, dass hier vielleicht 60 bis 80 Tonnen Blei im Wald liegen und das ist schon seit Jahrzehnten bekannt und es passiert nichts." Dabei werde immer wieder "vertröstet vom einen Gutachten zum nächsten, vom einen Gerichtstermin zum nächsten, über ein Jahrzehnt und das kann nicht sein."

Landrat: Prozess seit über zehn Jahren

Warum es so lange dauert, erklärt Miltenbergs Landrat Jens Marco Scherf (Die Grünen) gegenüber dem BR: "Wir müssen einwandfrei belegen, dass der Verursacher, der BJV Kreisverband Miltenberg, verantwortlich dafür ist und dass unwiderruflich eine Gefahr droht." Das heiße am Ende: "Wir machen eine orientierende Untersuchung durch den Freistaat Bayern. Dann gibt es Detailuntersuchungen und so weiter." Nachdem der BJV seine Rechte hier wahrnehme, "jede Form des Rechtsweges zu nutzen, läuft dieser Prozess jetzt schon seit über zehn Jahren", so Scherf.

Schießanlage im Miltenberger Stadtteil Mainbullau
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Seit einem Jahrzehnt wird in Miltenberg heftig gestritten. Es geht um das Blei, das der Jagdschutzverein früher hier verschossen hat.

Jagdverband beruft sich auf Genehmigung

Ralph Keller, der Vorsitzende des BJV Miltenberg, erklärt dem BR, dass der Verein nur einen Teil dieses Bleis hier hin geschossen habe: "Vor uns haben die Amerikaner ja schon hier geschossen. Wenn wir die Genehmigung hatten, den Schrot in den Wald zu verschießen, dann müssen wir davon ausgehen, dass das auch legal war." Wenn jetzt der Schrot geräumt werden müsse, dann sei das seiner Ansicht nach "eine gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten – also der Behörden, der Grundbesitzer, des Bayerischen Jagdschutzvereins – und dieser Aufgabe haben wir uns nie verschlossen."

Waldbesitzer: keine Sanierungspflicht?

Doch der Waldbesitzer, das Fürstenhaus Leiningen, sieht sich auf Nachfrage nicht in der Sanierungspflicht. Es habe den Wald vor Jahren mit der Stadt Miltenberg getauscht, damals im guten Glauben, dass die Flächen unbelastet sind. Ein ewiger Streit ums Blei – ein Ende ist immer noch nicht in Sicht. Ob der Freistaat helfen kann? Das Umweltministerium schreibt: "Angesichts der komplexen Rechtslage kann die Prüfung einige Zeit in Anspruch nehmen."

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