Nataliia Lazebna zuhause mit ihrem Sohn Sascha
Bildrechte: BR/ Carolin Hasenauer

Nataliia Lazebna zuhause mit ihrem Sohn Sascha

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Ein Jahr Krieg: "Ich frage mich oft, ob alles ein Albtraum war"

Ein ganz normales Leben will Nataliia Lazebna für ihre beiden Kinder. Sie sind vor genau einem Jahr aus der Ukraine geflüchtet und in Würzburg angekommen. Die täglichen Herausforderungen werden weniger – aber die Angst vor der Zukunft bleibt.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Ein Herz, zur Hälfte gelb, zur Hälfte blau. Darüber Sonne und Himmel, darunter eine Straße. Ein Bild, das Sascha im Kindergarten gemalt und nach Hause mitgebracht hat. Zuhause, das ist für den 5-Jährigen seit einem Jahr Würzburg. "Die Ukraine ist noch in seinem Herzen. Er spricht nicht darüber – aber er zeigt es in seinen Bildern", sagt seine Mutter Nataliia Lazebna. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist sie mit ihren beiden Kindern geflohen, zuerst in die Westukraine, dann weiter nach Deutschland - so wie mehr als eine Million andere Ukrainerinnen und Ukrainer.

Sie flohen ohne Ehemann und Vater

Oft wacht sie morgens auf, erzählt Nataliia, und fragt sich: Ist das wirklich die Realität oder war alles nur ein Albtraum? Seit Kriegsbeginn ist sie auf sich alleine gestellt. Ihr Mann Dimitri durfte die Ukraine wie die allermeisten Männer nicht verlassen. Er arbeitet weiter als Manager bei einem Flugzeughersteller. Sie können täglich telefonieren. Ein Trost, wenn auch ein schwacher, für die 14-jährige Tochter Arina und ihren kleinen Bruder, sagt Nataliia: "Jeden Tag wacht Sascha auf, fragt, wann sich alle wiedersehen können." Die Verantwortung, die richtigen Entscheidungen für die täglichen Herausforderungen zu treffen, lasten auf ihr.

Zu arbeiten gibt Nataliia Zuversicht

"Man ist eine einsame Kriegerin. Jeden Tag geht man raus, ist auch unter Leuten und so… aber eigentlich ist man ganz allein", sagt die 37-Jährige. Kraft und Zuversicht schöpft sie aus ihrer Arbeit: Sie hat eine freie Stelle am Lehrstuhl für englische Fachdidaktik bekommen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin forscht sie zum Einfluss der englischen Linguistik in der Mensch-Maschine-Kommunikation, also etwa bei Chat-Bots. Außerdem arbeitet sie im Women’s Representative Office der Uni Würzburg.

Mehr als 50.000 Ukraine-Flüchtlinge arbeiten in Deutschland

Zuletzt waren nach hochgerechneten Daten 109.000 Ukrainerinnen und Ukrainer sozialversicherungspflichtig in Deutschland beschäftigt, wie aus Statistiken der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. 51.000 von ihnen sind seit Kriegsbeginn vor einem Jahr hinzugekommen, 17.000 haben eine geringfügige Beschäftigung gefunden.

Am 24. Februar nahm Nataliia nur das Nötigste mit

Neben Reisepässen hat sie am Morgen der Flucht nur schnell ihr Diplom eingepackt - ein Glücksfall. Schon auf dem Weg in den Westen hat sie Bewerbungen verschickt. Dass der Krieg jetzt schon ein Jahr andauert, kann Nataliia manchmal kaum fassen. Sie hätte nie geglaubt, dass es soweit kommt. Für die Familie nimmt sie seitdem jeden Tag wie er kommt, inklusive der Herausforderungen, aber auch der Chancen.

Nataliia: "Der wahre Wert ist das Leben deiner Kinder"

"Du beginnst, deine Werte zu überdenken. Denn der wahre Wert ist dein Leben, das Leben deiner Kinder", erklärt sie und fügt hinzu: "Und das ganze Materielle, was sonst so wichtig erscheint, das bedeutet überhaupt nichts, wenn du der Gefahr gegenüberstehst." Ihr Ziel: Eine Perspektive zu schaffen, für sich und ihre Kinder. Ein Stück Normalität und vor allem Sicherheit.

Zwei Bilder mit je einem Herz in blau und gelb.
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Die Ukraine ist in seinem Herz, sagt Mutter Nataliia über ihren 5-jährigen Sohn Sascha.

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