Zwei Arbeiter installieren neue Oberleitungen
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Allianz Pro Schiene kritisiert mangelnde Elektrifizierung

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"Unrühmliche Schläferrolle": Zu wenig Oberleitungen in Bayern

Die Ampel wird ihr Elektrifizierungsziel krachend verfehlen, sagt eine Auswertung der Bahnbranche. Bayern hat besonders wenig Oberleitungen und viele Dieselloks. Bayerns Verkehrsminister Bernreiter will das ändern.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In der Diesellok durchs Voralpenland: "Das mag das Herz von Nostalgikern erfreuen", sagt Dirk Flege vom Bahnbranchenverband "Allianz pro Schiene" im Gespräch mit BR24. Aber wenn parallel die Bundesstraße ausgebaut werde, der Zugverkehr aber "im vergangenen Jahrhundert vor sich hin zuckelt, dann ist das keine moderne Verkehrspolitik", kritisiert Flege.

Schneller, leiser, umweltfreundlicher

Wozu Elektrifizierung nötig ist, erklärt Flege so: Züge könnten schneller, leiser und umweltfreundlicher fahren. Dieselloks durch Oberleitungen überflüssig werden. Vor allem ihren Klimazielen zuliebe hat die Ampelkoalition sich die Elektrifizierung von Bahnstrecken in den Koalitionsvertrag geschrieben, verbunden mit einem Versprechen: "Bis 2030 wollen wir 75 Prozent des Schienennetzes elektrifizieren". Bisher sind im Bundesdurchschnitt 62 Prozent elektrifiziert. Wenn die Bundesregierung ihr Ziel aus dem Koalitionsvertrag erreichen wollte, müsste sie ab jetzt jährlich über 600 Kilometer Bahnstrecke Oberleitungen hängen. Bisher (2010-2023) waren es rund 80 Kilometer im Jahr.

Bayern hat bisher nicht geliefert

Der Freistaat liegt sogar unterm Durchschnitt. 57 Prozent der Strecken sind hier bisher elektrifiziert. "Bayern hat bei der Elektrifizierung des Schienennetzes eine unrühmliche Schläferrolle", sagt Flege gegenüber BR24. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll dort nach bisheriger Planung nur ein Prozentpunkt hinzukommen. Das hat "Allianz pro Schiene" aus den Antworten einer Anfrage ans Bundesverkehrsministerium von Ende März errechnet, die BR24 vorliegen. Demnach sind 22 Kilometer im Bau und 28 Kilometer in Planung, perspektivisch werden es wohl noch mehr, schreibt das Ministerium. Bayern hat insgesamt rund 6.040 Streckenkilometer.

Andere Flächenländer sind weiter als Bayern

Als Beispiel fürs Problem mit der Elektrifizierung nennt Flege die Strecke Mühldorf - Freilassing, die Anbindung der chemischen Industrie in Ostbayern. Es gehe dort weder beim Ausbau noch bei der Elektrifizierung voran. Bayern kann als Flächenland kaum mit Stadtstaaten wie Berlin verglichen werden, hier sind 90 Prozent der Bahnstrecken elektrifiziert, das Streckennetz umfasst dort nur knapp 600 Kilometer. Aber auch wenn man die Stadtstaaten außen vor lässt, kommt der Freistaat nur auf den neunten Platz. Baden-Württemberg ist ein Flächenland und hat bereits 72 Prozent elektrifiziert.

Verkehrsminister Bernreiter will mehr als 1.000 Streckenkilometer elektrifizieren

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) will das nun offenbar nicht länger hinnehmen. Er verspricht am Dienstag, weitere Bahnstrecken zu elektrifizieren. Die Rede ist von mehr als 1.000 Streckenkilometern. Zudem will Bernreiter "den Dieselbetrieb im bayerischen Regionalverkehr bis 2040 beenden". Flankierend werden Züge mit klimafreundlichen Antrieben, mit Wasserstoffantrieb (ab Herbst 2024 auf den Strecken Augsburg – Füssen und Augsburg – Peißenberg) getestet oder mit Batterieantrieb (ab 2034 auf den Strecken des Netzes Bayerwald rund um Zwiesel) zum Einsatz kommen.

Zu wenig Geld, zu viel Bürokratie

Die Elektrifizierung von Strecken ist vor allem eine Aufgabe des Bundes. Allianz pro Schiene fordert eine besser finanzielle Ausstattung und weniger bürokratische Hürden. So sei bisher für jedes Elektrifizierungsvorhaben eine eigene Nutzen-Kosten-Analyse nötig. Die verzögere den Ausbau um zwei bis drei Jahre. Ein Beispiel kommt vom Bahnexperten der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Gastel: "Die Elektrifizierung Nürnberg – Marktredwitz – Cheb kommt seit über drei Jahren wegen des fehlenden Wirtschaftlichkeitsnachweises nicht voran." Auch Gastel setzt sich für die Abschaffung der Einzelbewertung ein. Zudem müssten sich Bund und Länder grundsätzlich einigen, wer welchen Anteil bezahlt. Bisher wird das für jedes Projekt einzeln geklärt.

"Allianz pro Schiene": Ziel der Ampel wird krachend verfehlt

Dass das Ziel der Ampelkoalition noch erreichbar ist, hält Dirk Flege von der Allianz pro Schiene für ausgeschlossen: "Die Bundesregierung wird ihr eigenes Ziel krachend verfehlen." Es werden wohl laut Flege 65 statt 75 Prozent der Bahnstrecken bis 2030 elektrifiziert. Denn sogar wenn das Geld für die Elektrifizierung auf einmal zur Verfügung stünde: Es fehlen schlicht die Handwerker, um die Oberleitungen zu montieren.

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