Neben den rund 200 Bauern waren auch 250 Bürger da, die sich zu Fuß auf einen Protestmarsch durch die Innenstadt machten.
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Neben den rund 200 Bauern waren auch 250 Bürger da, die sich zu Fuß auf einen Protestmarsch durch die Innenstadt machten.

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Trittbrettfahrer und Bauern auf Demo in Dillingen

In Dillingen haben am Dienstag gut 200 Bauern demonstriert. Angemeldet hat die Demo der bekannte Gegner eines Flüchtlingsheims. Auch andere Teilnehmer stehen für Positionen, die mit Agrarpolitik wenig zu tun haben.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Traktor für Traktor rollt auf den Dillinger Festplatz. So viele wie bei den Demonstrationen in Nördlingen und Donauwörth am Tag zuvor aber sind es lange nicht. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, wer die Demonstration veranstaltet. Im Dillinger Fall war dies nicht der Bauernverband oder die Organisation "Land schafft Verbindung", sondern ein Holzheimer Bürger.

Bekannt ist dieser, weil er bereits mehrfach Demonstrationen gegen ein geplantes Flüchtlingszelt in Holzheim veranstaltet hat. Landrat Markus Müller (Freie Wähler) verfolgt den Weg, Flüchtlinge in Messezelten unterzubringen, um keine Turnhallen schließen zu müssen. Zwei Zelte stehen bereits in Dillingen, kommen weiter viele Flüchtlinge, könnte noch eines in Holzheim nötig werden.

Vielen Anwesenden des Bauernprotests waren diese Hintergründe auf Nachfrage allerdings nicht bewusst, sie waren der Meinung, es handle sich um eine ähnliche Protestveranstaltung wie am Tag zuvor in Nördlingen oder Donauwörth. Sie seien da, um sich solidarisch mit den Landwirten zu zeigen, so einige Demonstranten.

Landrat und Oberbürgermeister stehen hinter Bauernprotesten

Gegen halb elf stehen dann etwa 200 Traktoren auf dem Dillinger Volksfestplatz. Dazu kommen noch gut 200 Bürger, die an der Demo mit dem Titel "Gegen die Ampelregierung" teilnehmen. Zu Beginn der Kundgebung sprechen auch Dillingens Oberbürgermeister Frank Kunz (CSU) und Landrat Markus Müller (FW). Kunz betonte, friedlicher Protest sei ein Grundrecht, er stehe da voll hinter den Landwirten. Landrat Müller begrüßte die anwesenden Landwirte, Gastronomen und Handwerker als "bedeutende wirtschaftende Akteure", die für die Region äußerst wichtig seien. Es sei deshalb vollkommen legitim und verständlich, dass sie alle für vernünftige Rahmenbedingungen, Planbarkeit und Verlässlichkeit demonstrierten.

Bauernverband hatte sich distanziert

So sprachen in diesem ersten Teil der Veranstaltung sowohl ein Landwirt als auch ein Gastronom. Sie kritisierten etwa die Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie oder die vielen Auflagen für Landwirte. Sie seien nicht hier, um für eine 35 Stunden-Woche zu demonstrieren. Sie seien hier, um ihre Existenzen zu sichern. Außerdem forderten sie Maßnahmen, um das Sterben kleiner Wirtshäuser auf dem Land zu beenden. Inhalte, die im Verlauf der Veranstaltung allerdings immer mehr an Bedeutung verloren. Der Kreisverband des Bayerischen Bauerverbands (BBV) hatte sich auch wegen des Veranstalters und der geplanten Inhalte vorab von der Veranstaltung distanziert.

Teilnehmer aus dem rechten Spektrum bei Demo

Auf den mitgebrachten Plakaten zahlreicher Teilnehmer ging es aber eher um andere Dinge. Veranstalter Peter Haringer hatte dem BR im Vorfeld auch gesagt, es handle sich hier um eine Demo "Gegen die Ampelregierung". So forderten einige die Abschaffung der Regierung oder auch "neue Medien". Auf einem Plakat wird für den österreichischen Sender "AUF1.TV" geworben – ein umstrittener Sender, der in Deutschland seine Inhalte nicht mehr per Satellit verbreiten darf. Grund für diese Entscheidung der Landesmedienanstalten war ein mutmaßlicher Verstoß gegen den Medienstaatsvertrag. Der Gründer des Senders soll laut österreichischen Medien in rechtsextremen Netzwerken tätig gewesen sein.

Als "rechtsextremistisch" wird auch die Identitäre Bewegung im aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes eingestuft: Ein Teilnehmer der Kundgebung war laut Recherchen des BR als Redner bzw. Moderator bei einer Veranstaltung der Identitären Bewegung aktiv. Obwohl sich Bauernpräsident Rukwied im Vorfeld wiederholt dagegen ausgesprochen hatte, dass Vertreter der rechten Szene bei den Protesten mitmarschierten, standen am Dienstag Landwirte und einige mutmaßlich rechtsgesinnte Personen sowie Demonstranten aus der Querdenker-Szene gemeinsam bei der Kundgebung auf dem Dillinger Festplatz.

Um Agrarpolitik geht es bei der Kundgebung nicht mehr

Während die Traktoren anschließend in einem langen Konvoi durch die Innenstadt rollen, marschieren die Fußgänger stadteinwärts in Richtung Basilikaplatz. Dort sprach dann René Baldeau, ein Vertreter des Bürgerforums Schwaben, auf dem Podium. Dabei handelt es sich um einen Verein, der sich vor drei Jahren im Rahmen der Proteste gegen die Coronamaßnahmen gegründet hatte. Unter der Überschrift "Schnauze zu – es reicht" organisiert das Bürgerforum Schwaben regelmäßig Demonstrationen in Augsburg. Themen dabei sind unter anderem eine bezahlbare und stabile Energieversorgung, bezahlbares Wohnen, eine kontrollierte Asylpolitik, Aufarbeitung und Offenlegung aller Corona-Maßnahmen sowie "Transparenz der Impfschäden". Den Medien wird unter dem Hashtag "Lügenpresse" vorgeworfen, Panik zu machen und über vieles nicht zu berichten.

"Klimahysterie" und "gesteuerte Medien"

Bei seiner Rede in Dillingen sagte der Vertreter des Bürgerforums Schwaben, der Verein habe es sich "zur Aufgabe gemacht..., den Menschen die Möglichkeit zu geben, neutral und friedlich gegen die Missstände in unserm Land auf die Straße zu gehen". Die Altersarmut steige, Pflegekräfte würden zu schlecht bezahlt, das Gesundheitssystem sei kaputtgespart, prangerte er an. Kräftigen Beifall erhielt er auch für die Aussagen, die Energiekrise sei "künstlich erzeugt", es gebe außerdem eine "Strom- und Gasknappheit, die absichtlich gesteuert sei". Die aktuellen Medien bedienten sich einer "Methode". Anstatt sich sachlich und konstruktiv inhaltlich mit Argumenten auseinanderzusetzen, würden sie Menschen, die sich zu kritisch äußerten, mit einem Etikett wie "Rassist" oder "rechts" versehen.

Der öffentliche Austausch in der Bevölkerung würde so im Sinne der aktuellen Politik gesteuert. Wir lebten "eine Klimahysterie um den menschengemachten Klimawandel, den man uns seit Jahren vorkaut, den es in dieser Form nicht gibt", so Baldeau wörtlich, wegen der die Bürger nun aber ihre Heizung erneuern müssten. Für Aussagen wie diese erhielt er viel Beifall auf dieser Veranstaltung, die von vielen als "Bauernprotest" verstanden wurde. Dabei sind die Landwirte die, die den Klimawandel als Erste zu spüren bekommen: Seien es Wetterextreme wie Stürme oder Starkregen, oder aber Phänomene wie anhaltende Trockenheit, die den Pflanzen zu schaffen machen.

Am Tag zuvor war Bürgerforum Schwaben ausgeladen

Auch bei der Kundgebung in Donauwörth wollte gestern eine Vertreterin des Bürgerforums Schwaben auf dem Podium sprechen. Das war ihr von den Organisatoren von "Land schafft Verbindung" untersagt worden. Auf Telegram äußert sich das Forum dazu: Man sei in Donauwörth in der "eigenen Bauern-Blase" geblieben, ist da zu lesen, und nach einer Woche würden die Bauern dann wohl wieder "brav zu Hause bleiben". Während in Dillingen ein Vertreter dieses Vereins öffentlich sprach, drehten die Landwirte mit ihren Traktoren Runden durch die Stadt. Die Veranstaltung war allerdings ein und dieselbe. Insgesamt verlief sie friedlich.

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