Nach dem doppelten Dammbruch am 24. Mai 1999 herrschte in Neustadt an der Donau Ausnahmezustand.
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Nach dem doppelten Dammbruch am 24. Mai 1999 herrschte in Neustadt an der Donau Ausnahmezustand.

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Als der Donaudamm brach: Bayerns Jahrhundertflut vor 25 Jahren

Der 24. Mai 1999 steht bayernweit im kollektiven Gedächtnis: In Schwaben und Südbayern kam es zur Jahrhundertflut. In Neustadt an der Donau brach der Damm, die Stadt wurde überflutet. Der Hochwasserschutz beschäftigt die Staatsregierung bis heute.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau am .

Marion Brandl steht in der Schreinerwerkstatt, die sie und ihr Mann Wolfgang im niederbayerischen Neustadt an der Donau betreiben. An den übermannshohen Fenstern in Richtung Innenhof will die 53-Jährige zeigen, wie hoch das Wasser damals in der Schreinerei stand. "Aber so hoch komm’ ich gar nicht", sagt Brandl, inzwischen auf Zehenspitzen, den Arm senkrecht nach oben gestreckt. "Zwei Meter fünfzig haben wir gehabt", sagt ihr Ehemann, 25 Jahre nach der Jahrhundertflut, die Neustadt an der Donau am 24. Mai 1999 erlebte.

Nur am 29. Februar 1784 stand das Wasser noch höher, so halten es die örtlichen Hochwasser-Marker fest.

Dammbruch in zwei Etappen

Die Brandls traf es 1999 besonders hart. Langanhaltende Regenfälle brachten die Donau zum Überlaufen. Das Wasser strömte über den Deich direkt am Fluss in den Polder und brachte den inneren, sogenannten "Polderdeich" zum Brechen. Das Grundstück der Brandls mit Schreinerwerkstatt und Wohnhaus liegt nur 300 Meter Luftlinie vom Polderdeich entfernt.

"Gegen zehn Uhr kam die Alarmierung von der Feuerwehr", erinnert sich Wolfgang Brandl. "Anfangs haben wir noch mit Plastikfolien und Sandsäcken versucht, das Wasser aufzuhalten – aber das ist ja alles Käse", so der 57-Jährige, der damals sehr schnell erkennen musste: "Die Werkstatt ist verloren."

Im etwas höhergelegenen Wohnhaus, in dem auch die Eltern von Wolfgang Brandl leben, stand das Wasser "nur" mannshoch. Die beiden Generationen zogen kurzzeitig in die obere Etage.

Hoher Sachschaden und wenig finanzielle Hilfe

Der Sachschaden: 500.000 DM. Von einer Elementarversicherung war den Brandls kurz vorher noch abgeraten worden, die Kosten mussten sie selbst decken. Für ihr Gewerbe erhielten die Brandls 40.000 DM vom Staat, Spendengelder von Wohlfahrtsverbänden waren fürs Private nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Erst gut fünfzehn Jahre später waren die Brandls wieder schuldenfrei.

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Auf dem inneren Polderdeich erinnert heute ein Gedenkstein an das Jahrhunderthochwasser vom 24. Mai 1999.

Umweltminister: Bis 2030 zwei Milliarden für Hochwasserschutz

Der Haushalt der Brandls war nur einer von rund 800 mit gut 2.000 Bewohnern in Neustadt an der Donau, deren Leben das Hochwasser von heute auf morgen grundlegend veränderte. Doch auch in Schwaben und Südbayern stiegen im Mai 1999 die Pegel, überströmten Flüsse die Ufer und sorgten für vollgelaufene Keller.

Die Staatsregierung reagierte mit einer Neuauflage ihres Hochwasserschutzes. "Aus dem Ereignis vor 25 Jahren hat sich der Freistaat Bayern 2001 mit einem Beschluss daran gemacht, den Hochwasserschutz in Bayern komplett umzubauen", sagt Umweltminister Thorsten Glauber (FW), der damals noch auf der lokalen Politbühne aktiv war. "Entlang der Donau hatten wir eigentlich einen zu niedrigen Grundschutz, den die Bürger erwarten sollen und müssen. Und daraufhin hat man im Prinzip ein milliardenschweres Programm aufgelegt", so Glauber weiter.

Bislang habe der Freistaat fast drei Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert, bis 2030 sollen es nochmal zwei Milliarden sein. Das Geld flösse aktuell in den Polderausbau entlang der Donau, wobei sich Glauber mehr Kooperation seitens des Bundes wünscht. "Der Bund ist da momentan sehr zögerlich und zurückhaltend. Wir brauchen Baugenehmigungen, wir brauchen Unterstützung auch finanzieller Art", sagt er; schließlich sei die Donau "eine Wasserstraße, die am Ende mit dem Bund betrieben wird".

Gestählte Deicherhöhung für Neustadt an der Donau

Wirksamere Schutzmaßnahmen bekam auch Neustadt an der Donau. Der äußere Deich am Fluss wurde erhöht und gespundet, also im Inneren mit Metall verstärkt. Und auch die Freiwillige Feuerwehr vor Ort habe inzwischen einen "Übungsdeich", an dem die rund 100-köpfige Feuerwehr in einem eigenständigen Lehrgang in der Damm- und Deichverteidigung bei Starkregenereignissen geschult werde, sagt Feuerwehrkommandant Jürgen Bucher.

Sein Amt hatte er auch 1999 schon inne - damals 25 Jahre jung und kaum ein Jahr bei der Feuerwehr - "und schon der erste K-Fall", erinnert sich Bucher. Mit K-Fall meint er den Katastrophenfall. "Aber wenn der Deich einmal gebrochen ist, kann man nichts machen außer abwarten, bis kein Wasser mehr nachkommt", sagt er.

Erst dann konnten die Keller leergepumt und das Hochwasser vom Heizöl, das aus den allerorts geplatzten Tanks geströmt ist, separiert werden. "Bis heute hab ich den Geruch von Heizöl in der Nase", sagt Bucher, der inzwischen sieben "K-Fälle" hinter sich hat – den letzten 2021 im Ahrtal.

Auf einen neuerlichen Katastropheneinsatz vor seiner Haustür kann er gut verzichten, obwohl er nicht davon ausgeht, dass der inzwischen erhöhte Schutzwall bei Neustadt an der Donau jedem Starkregen- und Hochwasser gewachsen ist. "Aber dann bricht hoffentlich der Deich nicht mehr."

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