Die Angeklagten und ihre Verteidiger rechts im Vordergrund. Die Richter vor dem bayerischen Wappen im Hintergrund.
Bildrechte: BR / Florian Regensburger

Zwei Angestellte eines Milchviehhofs in Bad Grönenbach stehen wegen mutmaßlicher Tierwohl-Verstöße vor Gericht

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Allgäuer Tierskandal: Polizist belastet Junior-Chef des Betriebs

In Memmingen läuft ein weiterer Prozess zum Allgäuer Tierskandal. Es geht um einen der Betriebe in Bad Grönenbach, der ins Visier der Ermittler geriet. Aussagen eines Polizisten könnten Auswirkungen nicht nur auf dieses Verfahren haben.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Vor dem Landgericht Memmingen müssen sich zwei ehemalige Angestellte eines Bad Grönenbacher Bauernhofs verantworten. Die Verfahren gegen den eigentlichen Landwirt und seinen Sohn sowie gegen weitere Beschuldigte wurden wegen Befangenheitsanträgen gegen die Richter abgetrennt und müssen eigens verhandelt werden. Die Angaben eines Polizisten, der heute am zweiten Verhandlungstag aussagte, dürfte aber auch für diese Verfahren von erheblicher Bedeutung sein.

Polizist belastet Junior-Chef des Bauernhofs in Bad Grönenbach

Der damals zuständige Sachbearbeiter der Polizeiinspektion Memmingen gab an, die Anweisungen, kranke Tiere nicht tierärztlich zu behandeln, seien vor allem vom Junior-Chef des Betriebs in Bad Grönenbach ausgegangen. Bei seiner Dienststelle war am 3.7.2019 eine Anzeige der Tierschutzorganisation "Soko Tierschutz" eingegangen, zusammen mit 411 Stunden Videomaterial aus Ställen der beschuldigten Landwirte. In der Folge war in Kempten die Sonderermittlungsgruppe "Fundus" aus Polizei und Staatsanwaltschaft gegründet worden.

Nach Sichtung habe man das Videomaterial dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zur Einsicht zur Verfügung gestellt, so der Polizeibeamte. Die Behörde habe rückgemeldet, dass der Tatbestand "Verstöße gegen das Tierschutzgesetz" in zahlreichen Fällen erfüllt sei. Bei einem Besuch auf dem Hof habe man auch feststellen können, dass die Bilder tatsächlich aus den Ställen der beschuldigten Landwirte stammten.

Videomaterial von zwei Hofstellen in Bad Grönenbach

Das Videomaterial stammte der Aussage nach hauptsächlich von der Heimat-Hofstelle mit, laut Gericht, mehr als 2.300 Tieren, außerdem in kleinerem Umfang von einer weiteren Hofstelle, ebenfalls in Bad Grönenbach, die von einem Nachbarn angepachtet war. Insgesamt hätten die Landwirte auf mehreren Hofstellen mehr als 3.000 Tiere gehalten.

Auch bei Folgekontrollen immer wieder Beanstandungen

Nach Auswertung zahlreicher Handychats habe er den Eindruck gehabt, dass die Mitarbeiter des Betriebs über den Zustand und den Umgang einzelner Tiere "hauptsächlich über WhatsApp kommuniziert haben", unter Nennung der jeweiligen Ohrmarkennummer, schilderte der Polizist im Zeugenstand.

Bei Kontrollen und Durchsuchungen im Juli und November 2019 infolge der Anzeige hätten die beiden Landwirte, der 66-jährige Franz E. und sein 33-jähriger Sohn Martin E., sich nach seinem Eindruck zwar einerseits "kooperativ" verhalten. Trotzdem habe man bei Folgekontrollen immer wieder Dinge festgestellt, "die ermittlungsrelevant erschienen". In den Betriebsunterlagen wurden der Vater laut Gericht als "Betriebseigner" und sein Sohn als "leitender Angestellter" geführt, die sich gegenseitig vertreten.

Verfahren gegen vier Angeklagte abgetrennt

Nachdem die Verfahren gegen Vater und Sohn sowie gegen zwei weitere Angestellte abgetrennt wurden, blieben eine deutsche Angeklagte, die mit der "Großtierbetreuung" betraut war, sowie ein niederländischer "Herdenmanager" übrig. Beide, um die 30 und nach eigenen Angaben ein Paar, sind die einzigen der sechs Angeklagten, die mit Pflichtverteidigern in das Verfahren gegangen waren. Beim Prozessauftakt hatten sie über ihre Anwälte ausgesagt, lediglich auf Weisung ihrer Vorgesetzten gehandelt zu haben, wenn sie etwa mit der Begründung, dies sei zu teuer, keinen Tierarzt zu kranken und verwahrlosten Tieren haben rufen dürfen. Solche Anweisungen seien laut dem Polizisten, der die entsprechenden Handy-Chats ausgewertet hatte, vor allem vom Landwirt Martin E. gekommen.

Vor allem der Junior-Landwirt soll die Rinder misshandelt haben

Auch die zahlreichen, aktiven Misshandlungen von Tieren mittels Kniestößen, Gegenständen und der Schaufel eines Radladers werden in der Anklageschrift vor allem dem Junior-Landwirt, sowie ferner einem serbischen Angeklagten zur Last gelegt. Auch wenn beide im aktuellen Prozess nicht mehr vor Gericht stehen, könnten die Aussagen der Zeugen wie auch der beiden verbliebenen angeklagten Angestellten große Bedeutung für die Verfahren gegen die vier übrigen Angeklagten haben. Bis 27.10. sind insgesamt sieben Verhandlungstage angesetzt.

Erstes Verfahren endete mit Haft- und Bewährungsstrafen

Im ersten Prozess um den "Allgäuer Tierskandal" war vergangenes Jahr ein 25-jähriger Landwirt aus Bad Grönenbach zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden, sein Vater erhielt eine Bewährungsstrafe. Im Prozess gegen zwei weitere Landwirte aus Bad Grönenbach stellten die Anwälte ebenfalls Befangenheitsanträge gegen die zuständigen Richter. Dieser Prozess musste deshalb verschoben werden. Laut Gericht könnte es aus Termingründen bis nächstes Jahr dauern, bis er neu angesetzt wird.

"Report Mainz" berichtete über Allgäuer Tier-Skandal

Der Skandal war ins Rollen gekommen, nachdem die Tierschützer von "Soko Tierschutz" die Bilder von verwahrlosten Rindern und Misshandlungen der Tiere in den Ställen auch teilweise veröffentlicht hatten. Zuerst hatte im Juli 2019 die ARD-Sendung "Report Mainz" darüber berichtet.

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