Ein Kuhstall an einem Waldrand, Foto aus der Entfernung aufgenommen
Bildrechte: BR/Diethard Kühne

In diesem Hof bei Rimsting sind vergangene Woche 33 tote Rinder gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

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33 tote Rinder in Oberbayern: Tierquälerei aus Überforderung?

Im oberbayerischen Rimsting sind in einem Stall Dutzende verendete Rinder gefunden worden, einige Tiere waren bereits verwest. Jetzt stellt sich die Frage nach den Hintergründen: Wie konnte es soweit kommen und warum hat niemand eingegriffen?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Noch ist nicht viel bekannt über den Landwirt, auf dessen Hof vergangene Woche 33 tote, teils verweste Rinder gefunden wurden. Sein Hof liegt außerhalb von Rimsting, ganz in der Nähe des Chiemsees. Ein Privatweg führt zum Hof, er liegt abseits am Waldrand, die nächsten Nachbarn sind etliche hundert Meter entfernt. Sie sagen, sie hätten nicht einmal mitbekommen, wie vor einer Woche die Tiere abgeholt wurden. Und wollen sich nicht näher zu dem Fall äußern. Nur so viel deuten sie an: Wie befürchtet, dürften vor allem persönliche Gründe innerhalb der Landwirtsfamilie die Ursache für die schlimmen Zustände auf dem Hof und den Tod der Tiere gewesen sein.

Aufgedeckt wurden die verheerenden Zustände auf dem Hof bei einer Kontrolle des Veterinäramtes. Unter den toten Rindern seien 29 Jungtiere gewesen, die tot in der Gülle lagen, so die ermittelnde Staatsanwaltschaft Traunstein. Die Tiere hätte unterschiedliche Verwesungszustände aufgewiesen und seien teilweise vollständig von der Gülle verdeckt gewesen, hätten übereinander gelegen und Spuren von Rattenfraß aufgewiesen.

Mehr Kontrollen in Ställen gefordert

Nicht nur Tierschützer beklagen, dass solche Kontrollen durch die Behörden zu selten sind. Es gibt zu wenige Amtsveterinäre, die regelmäßig die Ställe überprüfen. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach sagt, mit regelmäßigeren Kontrollen wären die Vernachlässigungen in Rimsting aufgefallen. "Bayern hat seinen nächsten Tierschutzskandal. Und wieder hätte er verhindert werden können."

Zudem gilt: Mängel, die bei Kontrollen entdeckt werden, führen nicht sofort dazu, dass ein Landwirt keine Tiere mehr halten darf und den Stall zusperren muss. Zunächst gibt es Verwarnungen, erneute Kontrollen, dann ein Zwangsgeld (das bis zu 50.000 Euro betragen kann) und als letztes Mittel erst ein Tierhaltungsverbot. Wie viele Tierhaltungsverbote es pro Jahr in Bayern und in Deutschland gibt, darüber wird allerdings keine Statistik geführt. 

Der Fall Rimsting – ein Einzelfall?

Auch weil kaum Zahlen vorliegen, stellt sich die Frage: Ist der Hof mit den 33 verendeten Rindern in Rimsting ein tragischer Einzelfall - oder kommt es regelmäßig zu Verstößen gegen das Tierschutzgesetz? Fakt ist: Die allermeisten Landwirte halten ihre Tiere gut.

Eine Studie zur Gesundheit von Kühen in deutschen Milchviehbetrieben, an der Teams der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, der Freien Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München mitgewirkt haben, kommt allerdings zu einem durchwachsenen Fazit: "Insgesamt gab es viele gut wirtschaftende Betriebe, aber leider auch einen beträchtlichen Anteil an Betrieben, in denen die verschiedenen Aspekte einer guten landwirtschaftlichen Praxis nicht eingehalten wurde mit Konsequenzen für die Tiergesundheit." Ein Befund waren zum Beispiel Sprunggelenksverletzungen bei den untersuchten Kühen, weil die Liegeboxen nicht den Anforderungen ans Tierwohl entsprachen. Auch eine relativ hohe Kälbersterblichkeit war in einigen Betrieben ein Problem.

Hinter Tierschutzskandalen steckt häufig Überforderung

So massive Probleme in landwirtschaftlichen Betrieben mit einer Vielzahl verendeter Tiere wie in Rimsting sind aber die Ausnahme. In Bayern sorgte vor allem der Allgäuer Tierschutzskandal für Schlagzeilen: Das Landgericht Memmingen hatte einen Landwirt aus Bad Grönenbach zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, sein Vater erhielt eine Bewährungsstrafe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Männer ihre Rinder gequält hatten. 

Oft sind nach Einschätzung der Sozialversicherung SVLFG Landwirte, die ihre Tiere vernachlässigen, überfordert, leiden an Depressionen, stecken in persönlichen Krisen und sind nicht mehr in der Lage, das Ausmaß ihrer Probleme und auch des Tierleids am Hof zu erkennen und sich Hilfe zu holen. Ob dies auch in Rimsting der Fall war, ist aber noch nicht bewiesen.

Landwirte stehen immer mehr unter Druck

Das Angebot für Landwirte, die unter Druck stehen und Hilfe brauchen, ist in den letzten Jahren größer geworden. Darauf verweist auch Josef Steingraber, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV) Rosenheim. Er sieht im Fall Rimsting Parallelen zu anderen, ähnlich gelagerten Fällen, bei denen Tierhalter aus persönlichen Gründen nicht mehr in der Lage waren, ihren Hof zu führen. Generell seien viele Landwirte in Bedrängnis, stünden unter Druck – das führe zu Ausnahmesituationen.

Steingraber verweist auf Hilfsangebote wie das Montagstelefon des Bauernverbands und ein Pilotprojekt mit der SVLFG, das Landwirten rundum Hilfe bieten soll – auch mit psychischer Beratung. Weitere Sicherheitsmaßnahmen seien der bäuerliche Hilfsdienst, der auch finanzielle Hilfe biete und Betriebshelfer vermitteln könne. Die Helfer könnten dem Bauernverband wiederum melden, wenn sie auf einem Hof den Eindruck gewinnen, dass ähnliche Verhältnisse wie die in Rimsting herrschen – und womöglich sofortiges Einschreiten nötig ist.

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